Endstation Notaufnahme Koma-Saufen angesagt
04.05.2009, 17:02 UhrDas Koma-Trinken von Jugendlichen in Deutschland wird immer exzessiver. Mehr als 23.000 Kinder seien im Jahr 2007 "zum Teil bewusstlos in die Notaufnahmen eingeliefert worden", sagte die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing (SPD) bei der Vorstellung des neuen Drogenberichts. Das waren so viele wie nie zuvor. Fast jeder zehnte Jugendliche zwischen 12 und 17 konsumiere riskant oder gefährlich viel Alkohol. Dennoch liegen die geplanten nationalen Aktionsprogramme gegen Alkohol und Tabak wegen eines Streits in der Koalition auf Eis. Bätzing warf der Union Blockade aus Wahlkampfgründen und Rücksicht auf die Wirtschaft vor.
Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wies die Kritik zurück und lehnte die Aktionspläne in der jetzigen Form ab. "Maßgebliche Teile der heute vorgestellten Aktionsprogramme haben (...) lediglich prüfenden und empfehlenden Charakter", sagte ein Ministeriumssprecher. Außerdem seien sie nicht ausreichend abgestimmt. "Das reicht qualitativ für eine nationale Initiative der Bundesregierung nicht aus." Ein Gesamtkonzept fehle. Bätzing verwies darauf, dass die Pläne bereits abgestimmt gewesen seien.
Die Jugendlichen konsumieren unter dem Strich weniger Alkohol, Tabak und Cannabis - Sorge macht aber, dass viele Jugendliche weiterhin oft exzessiv Alkohol trinken. Mehr als 20 Prozent der Minderjährigen seien 2008 mindestens einmal pro Monat betrunken gewesen, berichtete Bätzing.
Mehr Drogentote
Dennoch seien die gesteckten Ziele erreicht worden. Im Jahr 2001 hätten zum Beispiel 28 Prozent der 12- bis 17-Jährigen geraucht, während es 2008 noch rund 15 Prozent gewesen seien. Beim Alkohol sank der Wert derer, die mindestens wöchentlich irgendein alkoholisches Getränk tranken, von etwa 21 Prozent 2004 auf rund 17 Prozent 2008. Bätzing forderte eine stärkere Kontrolle.
Auch der Cannabiskonsum von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ging zurück: Der regelmäßige Konsum sank von 3 Prozent 2001 auf 2,3 Prozent 2008. Je geringer die Zahl der Konsumenten sei desto geringer seien die langjährigen Folgeerkrankungen, sagte Bätzing.
Die Zahl der Drogentoten stieg im vergangenen Jahr auf 1449 - ein Plus von knapp vier Prozent. Die Drogenbeauftragte rechnet künftig mit noch mehr älteren Opfern. Sie bekräftigte, dass den Behörden immer mehr Konsumenten harter Drogen auffielen. Im vergangenen Jahr habe es einen dreiprozentigen Anstieg auf rund 19.200 Menschen gegeben. Allerdings bewege sich der Konsum von Amphetaminen, Ecstasy und LSD auf einem stabilen niedrigen Niveau.
Blockade "fachlich begründet"
Die Drogenbeauftragte zeigte sich besorgt über Internet-Sucht. 3 bis 7 Prozent der Internetnutzer gelten nach ihren Angaben bundesweit als abhängig. Sie widmeten sich 10 bis 18 Stunden lang pro Tag dem Chatten oder Computerspielen.
Die SPD-Politikerin wirft der Union vor, das Nationale Aktionsprogramm gegen Alkohol und gegen Rauchen aus Wahlkampfgründen zu blockieren. Widerstände sollen aus dem Wirtschafts-, dem Familien- und dem Verbraucherministerium gekommen sein - diese werden von Unionspolitikern geführt. Dabei war die Vorschlagsliste schon geschrumpft. Die Zukunft der Programme ist offen.
Die umstrittene Senkung der Promillegrenze im Straßenverkehr auf 0,3 war im Entwurf bereits nicht mehr enthalten. Bätzing sagte, es sei nachgewiesen, dass Pläne wie das Verbot von Plakataußenwerbung nützlich seien. "Wir wollen den Kompromiss." Der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hartmut Koschyk, wies den Vorwurf der Blockade zurück. Die Einwände gegen zusätzliche Restriktionen seien fachlich begründet.
Quelle: ntv.de