Politik

Begnadigungsfall Klar Mehr Respekt vor Köhler

Kanzlerin Angela Merkel hat Bundespräsident Horst Köhler vor Kritik an seinem Umgang mit dem Gnadengesuch des ehemaligen RAF-Mitglieds Christian Klar in Schutz genommen und zur Zurückhaltung aufgerufen. "Der Respekt vor dem Amt und der Person des Bundespräsidenten muss jederzeit gewahrt bleiben", erklärte Merkel am Sonntag in Berlin. Sie reagierte damit auf Äußerungen von CSU-Chef Edmund Stoiber und anderen Unionspolitikern sowie der FDP. Sie hatten Köhler wegen seines Treffens mit Klar kritisiert und ihn aufgefordert, den seit 24 Jahren inhaftierten ehemaligen RAF-Aktivisten nicht zu begnadigen.

Merkel erklärte, das Grundgesetz billige ausschließlich dem Bundespräsidenten das Gnadenrecht zu. Sie habe "keinen Zweifel, dass der Bundespräsident diese schwierige und umstrittene Frage nach sorgfältiger Prüfung mit großer Gewissenhaftigkeit treffen" werde. Die Entscheidung des Köhlers sei endgültig. "Ich fordere dazu auf, dass wir alle, gleichgültig wie der Bundespräsident am Ende entscheiden wird, das Votum von Horst Köhler respektieren." Der Bundespräsident will seine Entscheidung in dieser Woche bekannt geben. Er hatte sich am Freitag mit Klar in Süddeutschland getroffen.

"Schwere Hypothek" für eine Wiederwahl

Stoiber hatte kritisiert, bei vielen Bürgern entstehe der Eindruck, als wende der Staat für Schwerstverbrecher und Feinde der deutschen Demokratie mehr Fürsorge auf als für die Kleinen. CSU-Generalsekretär Markus Söder soll laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" eine mögliche Begnadigung Klars sogar als "schwere Hypothek" für eine Wiederwahl Köhlers im Jahr 2009 bezeichnet haben.

Nach FDP-Chef Guido Westerwelle appellierte auch Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) an Köhler, die Folgen seiner Entscheidung zu bedenken: "Eine Privilegierung der RAF-Mörder dient nicht dem Rechtsfrieden in Deutschland. Darauf hat der Bundespräsident als Staatsoberhaupt aller Deutschen zu achten", sagte er der "Bild".

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt nannte die Kritik an Köhler "billiges Theater." "Aus Achtung vor den Opfern der RAF sollte jeder ernsthafte Politiker der Versuchung widerstehen, platte parteipolitische Stimmungsmache auf dem Rücken unseres Rechtsstaats zu betreiben", sagte sie am Sonntag in Stuttgart.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) mahnte: "Es ist absurd anzunehmen, dass ausgerechnet das Staatsoberhaupt, dem im Bund nach unserer Auffassung aus guten Gründen ganz allein das Recht zur Begnadigung verurteilter Straftäter zusteht, diesen konkreten und besonders schwerwiegenden Fall nicht genauso ernst nimmt wie es die Sache erfordert."

Begnadigung heftig umstritten

Eine Begnadigung Klars 30 Jahre nach den brutalsten Verbrechen der "Roten Armee Fraktion" (RAF) ist heftig umstritten. Auch die Angehörigen der Opfer sind sich nicht einig in ihrer Einschätzung. Köhler prüft das Gnadengesuch, das noch aus den Zeiten seines Vorgängers Johannes Rau stammt, seit Monaten. Der heute 54-Jährige sitzt seit Januar 1983 im Gefängnis. Er wurde unter anderem wegen gemeinschaftlichen Mordes von RAF-Terroristen an Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer und an Generalbundesanwalt Siegfried Buback – beides 1977 – verurteilt. Bis heute ist nicht geklärt, wer die tödlichen Schüsse auf Buback abgab. Seit kurzem wird Stefan Wisniewski als Todesschütze verdächtigt.

Nach mehr als 24 Jahren im Gefängnis soll Klar gemäß einer Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe erstmals Hafterleichterung bekommen. Ob der ehemalige Terrorist auch mit Freigang rechnen kann, ist umstritten. Ohne Begnadigung kann er frühestens 2009 entlassen werden. Klar hatte im Januar dieses Jahres eine Grußbotschaft mit kapitalismuskritischen Worten an die Berliner Rosa-Luxemburg-Konferenz gerichtet. Der Stuttgarter Justizminister Ulrich Goll (FDP) zweifelte daraufhin die erste positive Prognose zu Klars künftigem Verhalten an und forderte ein zweites Gutachten an.

Ohne Reue

Politiker aus Union und FDP argumentieren seit Wochen, Klar habe keine Reue gezeigt und verdiene damit keine Gnade. Reue ist jedoch keine juristische Voraussetzung für eine vorzeitige Haftentlassung. In der Vergangenheit gab oft auch der schlechte Gesundheitszustand eines Häftlings den Ausschlag. Bis heute wurden acht ehemalige RAF-Mitglieder begnadigt, sechs von einem Bundespräsidenten, zwei von einem Ministerpräsidenten.

Quelle: ntv.de

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