Politik

"Unnötige Diskussionen" Merkel rüffelt Schwarz-Gelb

Die Kanzlerin ermahnt ihre Koalitionsparteien zu deutlich mehr Geschlossenheit. Regierungen seien dafür da, die Probleme zu lösen, sie nicht nur zu benennen. Merkel verteidigt die FDP, rückt im Hartz-IV-Streit aber weiter ab von Westerwelles Worten. Schwarz-Grün erteilt die Kanzlerin eine Absage.

Falscher Eindruck: Merkel ermahnt die Koalition und verteidigt sie zugleich - das Verhältnis zur FDP sei gut.

Falscher Eindruck: Merkel ermahnt die Koalition und verteidigt sie zugleich - das Verhältnis zur FDP sei gut.

(Foto: AP)

Kanzlerin Angela Merkel geht mit ihrer zerstrittenen Koalition hart ins Gericht. Schwarz-Gelb solle weniger diskutieren und stattdessen mehr regieren, sagte sie am Sonntag in einem Interview der ARD. Es gebe "zu viel auch unnötige Diskussionen, die eigentlich nicht notwendig wären", erklärte die CDU-Chefin. Bei einigen Themen gebe es derzeit mehr öffentlichen Schlagabtausch als Lösungen, "und ich werde dafür sorgen, dass wir zu den Lösungen kommen". Regierungen seien nicht dafür da, Probleme lediglich zu benennen.

Zerrüttet sei das Verhältnis zwischen Union und FDP aber nicht. Merkel verteidigte den Koalitionspartner grundsätzlich als regierungswillig und regierungsfähig. Der Austausch unterschiedlicher Positionen gehöre zu einem Bündnis dazu.

Absage an Schwarz-Grün

Ein Bündnis mit den Grünen strebe sie nicht an, sagte Merkel. "Es wäre ja geradezu absurd, wenn ich nach wenigen Tagen (...) diese christlich-liberale Koalition wieder zur Dispositionen stellen würde." Das Thema Schwarz-Grün solle nicht immer wieder auf die Tagesordnung gebracht werden. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", die ökonomische Vernunft der Union und der ökologisch-moralische Kurs der Grünen passten gut zusammen.

Merkel grenzte sich angesichts der umstrittenen Hartz-IV-Debatte von der FDP ab. "Insofern ist es ganz wichtig, dass die christlich-demokratische Union und auch die CSU zeigen: Als Volksparteien sind wir für alle da." Die CDU müsse Notleidende und Leistungsträger vertreten. Zum Zustand der FDP sagte sie: "Ich glaube schon, dass die FDP regierungswillig vor allen Dingen ist und auch regierungsfähig." Beust sagte: "Einer Partei, der es reicht, 15 Prozent zu bekommen, kann ich es nicht übelnehmen, wenn sie Diskussionen auf diese Weise führt. Aber die Union darf das nicht mitmachen."

"Krachende Begleitmusik"

Nach Einschätzung von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe scheint sich die FDP aber in der Rolle des Antreibers der Koalition zu gefallen. Dabei müsse diese Rolle gar nicht besetzt werden, sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Streit in der Koalition schade am Ende allen. "Wer glaubt, auf Kosten des anderen nachhaltig punkten zu können, irrt." Auch an die Adresse der CSU gerichtet sagte Gröhe, bei den Reformen von Steuer und Gesundheitswesen halte er "Vorfestlegungen und krachende Begleitmusik" für unnötig.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder forderte: "Unser Erscheinungsbild muss besser werden." FDP- Vize Andreas Pinkwart zeigte sich im Deutschlandfunk angesichts schlechter Umfragewerte für die FDP in NRW zuversichtlich, dass "man sich in Berlin zusammenrauft".

Westerwelle bleibt bei seiner Missbrauchs-Kritik.

Westerwelle bleibt bei seiner Missbrauchs-Kritik.

(Foto: dpa)

FDP-Chef Guido Westerwelle weitete derweil seine Kritik in der von ihm ausgelösten Debatte über Sozialleistungen aus. Es gebe auch in der Wirtschaft einen Missbrauch des Sozialstaates, sagte er dem "Tagesspiegel". So gebe es "Unternehmen, die mit ihren Beschäftigten Kleinstverträge machen, um einem ordentlichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu entgehen und sich darauf verlassen, dass sich der Sozialstaat um ihre Mitarbeiter kümmert".

Opposition fordert Köhler

Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel kritisierte Merkel auf dem SPD-Landesparteitag in Dortmund als "Geschäftsführerin einer Nicht-Regierungsorganisation". Scharf attackierte er die Liberalen: "Jung, gnadenlos und verfassungsfeindlich in ihren Forderungen, das ist die FDP von heute." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte der dpa: "Ich habe noch nie eine Regierung gesehen, die sich so schnell in ihre Einzelteile zerlegt hat." Sämtliche Probleme blieben ungelöst. Der Hamburger SPD-Chef Olaf Scholz warf Westerwelle vor, ähnlich wie die Lega Nord in Italien Ressentiments zu schüren.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Westerwelle macht aus dem Vizekanzleramt mit populistischer Rhetorik Stimmung gegen Arbeitssuchende." Deshalb müsse sich der Bundespräsident einschalten. Auch die designierten Linksparteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst sowie Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderten Köhler hierzu auf.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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