Chef der Jungliberalen im Gespräch "Mitunter nervt die CSU"
06.01.2010, 09:46 Uhr"Die CSU muss ganz offensichtlich noch einige Traumata aus den letzten Wahlen verarbeiten", sagt Juli-Chef Johannes Vogel. Dass die Konfliktlinie in der schwarz-gelben Koalition zwischen CSU und FDP verläuft, glaubt der Jungliberale nicht. Hintergrund der "Kraftmeierei" sei, "dass die CSU erst ihre neue Rolle finden muss".
n-tv.de: Sie sind erst seit wenigen Monaten Bundestagsabgeordneter. Haben Sie schon nette Kollegen in der CSU-Landesgruppe kennengelernt?

Johannes Vogel ist Vorsitzender der Jungen Liberalen und frisch gewählter Abgeordneter im Deutschen Bundestag.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Johannes Vogel: Da gibt es durchaus sehr nette Kollegen. Natürlich kenne ich noch nicht alle, und mit dem einen kann man gut, mit dem anderen kann man besser. Aber das gilt parteiunabhängig.
Wenn man bei Google "schwarz-gelbes Chaos" eingibt, kommen bereits 109.000 Treffer. Warum ist diese Wunschkoalition so chaotisch gestartet?
Ich glaube, dass beide Partner aus unterschiedlichen Erwartungshaltungen kamen. Die CDU war schon in der Regierung, hatte also das Gefühl, dass zumindest ihre Regierungschefin als Kanzlerin wiedergewählt wurde. Wir haben einen Wahlkampf für einen Politikwechsel geführt - und der hat ja auch eine Mehrheit gefunden. Wenn man diese beiden Positionen zusammen bringt, dann ruckelt es eben.
Die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden sind leer, trotzdem hält die FDP in der Steuerpolitik an ihrem bisherigen Kurs fest. Wäre es nicht vernünftiger, ehrlich zu sagen, dass es schlicht und ergreifend keinen Spielraum für große Entlastungen gibt?
Nein, es ist gerade in der Krise richtig, den Bürger spürbar zu entlasten. Wir müssen es natürlich mit einer Haushaltskonsolidierung kombinieren. Das ist genau das, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Und das sage ich auch als Vertreter der Jugendorganisation: Das muss zusammen kommen - einerseits sparen auf der Ausgabenseite, da gibt es durchaus Potenzial und da müssen wir auch noch ehrgeiziger werden, und auf der anderen Seite das tun, was vernünftig ist, nämlich unser Steuersystem vereinfachen und gerade die kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Ich habe fünf Jahre im Kreistag gesessen, daher noch ein Wort zu den Kommunen: Sie sind in der derzeitigen Konstruktion insbesondere auf die Gewerbesteuer angewiesen. Gerade dafür ist es sinnvoll, dass wir schnellstmöglich aus der Wirtschaftskrise herauskommen. Insofern ist es vernünftig, alles zu tun, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Bundeskanzlerin Merkel hat gesagt: "Wir können scheitern, oder wir können es schaffen. Beides ist möglich." Das klingt mehr nach "Wir setzen voll auf Risiko" als nach einer nachhaltigen Politik.
Ich glaube, unsere Politik zur Überwindung der Wirtschaftskrise ist durchaus nachhaltig. Natürlich ist es aus Sicht gerade der Jungen zwingend, so bald wie möglich für ausgeglichene Haushalte zu sorgen und die Verschuldungspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte zu beenden. Zudem müssen wir uns aber auch den Arbeitsmarkt anschauen, denn hier sind junge Leute auch besonders von der Krise betroffen. Sie sind in den Unternehmen oft die ersten, die gehen müssen. Wenn man sich den Koalitionsvertrag abseits der Diskussionen der letzten Wochen anschaut, dann sind jedoch die mutigsten Vorhaben der Regierung die Reformen in den sozialen Sicherungssystemen. Im Bereich der Krankenversicherung etwa wollen wir eine grundlegende Reform, die das System ein für alle Mal zukunftsfest macht, dasselbe gilt für die Pflegeversicherung. Das ist eine Politik, die das Etikett nachhaltig eindeutig verdient.

FDP-Chef Guido Westerwelle, Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer stoßen am 26. Oktober 2009 auf die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags an.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Als die SPD noch Koalitionspartner von CDU und CSU war, kritisierten Sozialdemokraten regelmäßig die Bundeskanzlerin für ihren Mangel an Führung. Wie erlebt die Regierungspartei FDP diesen eher abwartenden, nicht gerade entscheidungsfreundlichen Stil?
Ich habe nicht den direkten Vergleich, ich erlebe das jetzt ja als Parlamentarier neu. Aber bisher habe ich das Gefühl, dass es vernünftig ist, dass die Kanzlerin ihre Rolle nicht so definiert, dass sie in Fragen, bei denen die Koalitionspartner sich auf einen Kurs geeinigt haben, später einem anderen Kurs folgt, der stärker dem ihrer eigenen Partei entspricht. Das wäre kein vernünftiger Stil für eine Koalitionsregierung. Insofern kann ich nicht sagen, dass ich unzufrieden wäre, dass die Kanzlerin keine Basta-Politik à la Schröder betreibt.
Wie sehen Sie die Rolle der CSU? Parteichef Seehofer greift die FDP nach wie vor an, als wäre noch immer Wahlkampf.
Die CSU muss ganz offensichtlich noch einige Traumata aus den letzten Wahlen verarbeiten. Manchmal hat man das Gefühl, sie reagieren mit eher absurder Kraftmeierei - das nervt mitunter ziemlich. Traditionell wird es natürlich noch ein bisschen schriller und noch ein bisschen absurder vor ihrer Klausurtagung in Kreuth. Ich habe das Gefühl, die CSU muss sich erst noch finden. Da ist noch viel in Aufruhr. Und dann kommen da eben manchmal Forderungen raus, die im Rest der Republik nicht so ganz auf Verständnis stoßen - und bei uns auch nicht.
Trotzdem gab es im Wahlkampf starke Übereinstimmung zwischen CSU und FDP in der Frage der Steuersenkungen - die wurden ja eigentlich schon vor der Bundestagswahl gegen den Willen der CDU durchgesetzt.
Gut, in dieser Frage sind wir ähnlicher Auffassung, aber in vielen anderen Fragen ist das nicht so. Wenn Sie sich das Gesellschaftsbild der CSU anschauen oder den Blick auf Fragen wie das Vertriebenenzentrum richten, dann sind die Unterschiede zwischen den beiden Parteien doch recht deutlich. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Konfliktlinien in dieser Koalition nicht zwischen CSU und FDP laufen, sondern dass die CSU eben wie gesagt erst ihre neue Rolle finden muss. Manchmal gibt es dann eben Streit mit uns, manchmal mit der Schwesterpartei.
Mit Johannes Vogel sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de