Nach den US-Kongresswahlehn Netanjahu hofft auf mehr Spielraum
06.11.2010, 14:03 UhrMehr Druck auf den Iran und weniger Druck auf Israel: So lauten in Israel die Erwartungen nach der Wahlschlappe von US-Präsident Barack Obama. Vor allem im Siedlungsstreit hofft die Regierung in Jerusalem auf mehr Nachsicht und Entgegenkommen.

Bei einem Gespräch mit US-Vizepräsident Biden (r) will Israels Ministerpräsident Netanjahu seine Position ausloten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reist mit einem völlig neuen Gefühl in die USA. Nach der Machtverschiebung im US-Kongress kann er auf mehr Spielraum hoffen. Vor allem unter den wiedererstarkten Republikanern hat der Regierungschef viele kompromisslose Freunde.
So wird der am Sonntag beginnende Besuch für den 61-Jährigen wohl ein Heim- und Freundschaftsspiel zugleich. Großer Applaus scheint dem begnadeten Redner am Montag auf einer Konferenz jüdischer Organisationen in New Orleans (Louisiana) sicher. Während eines Gesprächs mit Vizepräsident Joseph Biden kann Netanjahu dann testen, ob die US-Regierung ihre Nahost-Politik justieren wird. Und er kann Pflöcke einschlagen. Biden gilt als ausgewiesener Freund Israels.
"Wir werden Hand in Hand zusammenarbeiten"
Der Friedensprozess im Nahen Osten habe für die US-Regierung weiterhin Vorrang, stellte der stellvertretende Außenamtssprecher Mark Toner klar. "Wir werden mit dem Kongress Hand in Hand zusammenarbeiten, damit die direkten Friedensgespräche vorankommen und am Ende eine Einigung erreicht wird."
Es ist vor allem der Streit zwischen Israel und den Palästinensern über den Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem, der die erst Anfang September fortgesetzten Friedensverhandlungen lähmt. Netanjahu hofft jetzt auf mehr Nachsicht und weniger öffentliche Kritik der US-Regierung, nachdem die Republikaner die Mehrheit im Abgeordnetenhaus gewonnen haben.
Zwar ist die Außenpolitik in den USA traditionell die Domäne des Präsidenten, aber der Kongress kann durchaus Störfeuer senden. Er kann beispielsweise versuchen, über das Gesetzgebungsverfahren den Spielraum des Präsidenten einzuschränken. Und deshalb verfolgt Israel mit Argusaugen, wer künftig an Schaltstellen sitzt.
Durch und durch ein Unterstützer Israels
Hoffnungen ruhen beispielsweise auf dem Republikaner Eric Cantor aus Virginia, der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus werden könnte. Nicht ohne Stolz verweisen israelische Kommentatoren darauf, dass der 47-Jährige als bislang ranghöchster Abgeordneter jüdischen Glaubens im Kongress Geschichte schreiben könnte. Cantor sei durch und durch ein Unterstützer Israels, schreibt die "Jerusalem Post". In scharfer Form habe er bereits sehr früh den Druck der Obama-Regierung im Siedlungsstreit auf Israel kritisiert.
Auf dem Zettel steht auch Ileana Ros-Lehtinen aus Florida. Die Republikanerin mit jüdischen Wurzeln mütterlicherseits sei "einer der direktesten und effektivsten Freunde Israels und Gegnerin des iranischen Atomprogramms", heißt es. Die 58-Jährige steht auf dem Sprung zur Position der Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im Repräsentantenhaus. Sie hatte die Obama-Regierung im Siedlungsstreit mit Israel aufgefordert, mit der Verurteilung "eines unverzichtbaren Freundes der USA" aufzuhören.
Netanjahu hofft auf Anreize
Netanjahu hoffe außerdem auf ein neues Paket mit Garantien und Anreizen der US-Regierung, falls er den Ausbau von jüdischen Siedlungen im Westjordanland für zwei Monate stoppe, schreibt die Tageszeitung "Maariv". Ein erstes Paket hatte Netanjahu nach Medienberichten aus innenpolitischen Erwägungen ausgeschlagen.
Im Gespräch mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will sich der israelische Regierungschef um frühzeitige Schadenbegrenzung bemühen. Die Palästinenserführung droht nämlich damit, dass sie den Weltsicherheitsrat um Anerkennung eines unabhängigen Staates bitten werde, falls die Verhandlungen mit Israel nicht vorankommen. Darüber hinaus glauben die Palästinenser, dass sie noch einen weiteren Pfeil im Köcher haben. Sie liebäugeln damit, den Siedlungsbau Israels in den besetzten Gebieten vor den Sicherheitsrat zu bringen.
Keine rasche Fortsetzung des Friedensprozesses
Mit einer raschen Fortsetzung des Friedensprozesses rechnet in Israel niemand. Anfang Dezember soll das Haushaltsbudget für die kommenden beiden Jahre verabschiedet werden. Netanjahu ist auf die Stimmen seiner siedlerfreundlichen, ultra-rechten sowie streng religiösen Koalitionspartner angewiesen. Und einige wollen vor allem eins verhindern: einen Baustopp.
Quelle: ntv.de, Hans Dahne, dpa