Politik

Interview mit Kerstin Müller"Obama weckt Hoffnungen"

01.05.2008, 00:01 Uhr

McCain würde Kontinuität bedeuten, "und das können wir uns nicht wünschen", sagt die Grünen-Außenexpertin Müller. Obama stünde für wirklichen "change".

Unter den Wählern in Deutschland hätte Barack Obama seine Mehrheit sicher. Aber wäre Obama auch aus europäischer oder deutscher Perspektive der bessere Präsident? Fragen an die außenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Kerstin Müller.

n-tv.de: Frau Müller, wen würden Sie zum amerikanischen Präsidenten machen?

Kerstin Müller: Ich als Grüne wünsche mir nach acht Jahren Bush-Regierung, dass einer der beiden demokratischen Kandidaten das Rennen macht. Die Bush-Regierung hat von multilateraler Zusammenarbeit nicht viel gehalten, sondern setzt auf "coalitions of the willing", sie hat nicht nur die Europäische Union und die UNO, sondern auch die Nato ignoriert, was eine internationale Zusammenarbeit sehr erschwert, fast unmöglich gemacht hat. Dazu kommt der gescheiterte Anti-Terror-Krieg, der sowohl außen- als auch innenpolitisch sehr viel Schaden angerichtet hat. Allein aus diesen Gründen wünschen wir uns auf jeden Fall einen Wechsel.

Sie glauben, dass McCain die Bush-Politik fortsetzen würde? Häufig heißt es, McCain wäre für Europa keine schlechte Lösung.

Außenpolitisch würde McCain definitiv Kontinuität bedeuten, und das können wir uns nicht wünschen. Klar ist: Ein Wechsel zu den Demokraten wäre nicht in jeder Hinsicht angenehm für Europa oder für Deutschland. Sowohl Clintons als auch Obamas Erwartungen an Europa wären wesentlich größer. Zum Beispiel wäre die Debatte, ob Deutschland Soldaten in den Süden Afghanistans schicken soll, sofort wieder auf dem Tisch.

Wie ist es beim Thema Klimaschutz und Energiesicherheit? Da wären doch alle drei eine Verbesserung - das wäre ein Bereich, bei dem wir uns entspannt zurücklehnen können.

Entspannt zurücklehnen kann man sich da generell nicht! Es ist richtig, dass sich alle drei Kandidaten zumindest von den Ankündigungen her stark von der Klimapolitik der Bush-Administration unterscheiden. Insofern könnte man in diesem Bereich auf Fortschritte hoffen. McCain sieht vor allem die ökonomischen und sicherheitspolitischen Aspekte des Klimawandels, die Abhängigkeit vom Öl ist für ihn eine Frage der nationalen Sicherheit, während es für Obama und Clinton mehr im grünen Sinne um Erneuerung geht, um den Ausbau der erneuerbaren Energien, um internationale Kooperation, Beitritt zum Kyoto-Protokoll, Eingehen und Einhalten von internationalen Klimaschutzverbindlichkeiten. Da wäre von McCain eher wenig zu erwarten.

Wie ist es bei der Wirtschaftspolitik? Die Demokraten gelten als Protektionisten.

Die Bush-Regierung ist ja schon sehr protektionistisch. Sie trägt zwar den Freihandel auf den Lippen, aber kaum eine US-Regierung hat so stark protektionistische Politik gemacht wie diese. Da wurde immer nur nach innenpolitischen Kriterien entschieden: Welche Wähler muss man bedienen, welche Bundesstaaten muss man zufriedenstellen. Auch da gab es bei der Bush-Regierung keinerlei internationale Verantwortung.

Haben Sie zwischen Obama und Clinton einen Favoriten?

Da war ich wirklich lange unentschieden. Beide verkörpern ein ganz wichtiges Element des Wechsels: Hillary Clinton wäre die erste Frau an der Spitze der USA, Barack Obama der erste Afroamerikaner. Inzwischen setze ich, was einen wirklichen "change" betrifft, mehr Hoffnungen auf Obama. Clinton würde am Ende für Europa, für die internationale Politik, mehr Kontinuität bedeuten. Bei Obama ist zu hoffen, dass er eine Wende hin zu einem effektiven Multilateralismus schafft, dass er Schluss macht mit der Politik der Alleingänge.

Die Außenpolitiker von Union, SPD und FDP bezeichnen sich gern als überzeugte "Transatlantiker". Wie ist es mit Ihnen?

Natürlich war auch für die Grünen im Auswärtigen Amt das transatlantische Verhältnis eine der drei tragenden Säulen der deutschen Außenpolitik - neben der europäischen Integration und dem Verhältnis zu Israel. Aber wir haben das nie als Abnicken amerikanischer Erwartungen gesehen, sondern als partnerschaftlichen Dialog auf Augenhöhe. Das schließt ein, dass man dem Partner auch mal sagen kann: So nicht, ich bin nicht überzeugt. Zum Beispiel beim Irak-Krieg, zum Beispiel bei dem fatalen Krieg gegen den Terrorismus, zum Beispiel in der Klimapolitik, zum Beispiel beim Internationalen Strafgerichtshof - gerade zu dieser Administration gab und gibt es große Differenzen.

Mit Kerstin Müller sprach Hubertus Volmer