Politik

Zwischenruf Portugal: Regierung für Sparkurs abgestraft

Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho.

Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho.

(Foto: dpa)

Nach Italien und Griechenland steht mit Portugal erneut die Regierung eines Landes der Eurozone auf der Kippe. Bei allen Unterschieden haben die Länder eines gemeinsam: Die Schuldenkrise erschüttert das politische Fundament.

Es ist in Portugal nicht anders als bei uns: Wenn eine landesweit regierende Partei oder Koalition bei Regionalwahlen die Nase vorn hat, nimmt sie es als Bestätigung ihrer Politik. Fällt sie hingegen auf die Nase, hat die Niederlage keine nationale Bedeutung. Nun erkennt die konservative Regierungspartei PSD zwar die "größte Niederlage ihrer Geschichte" an. Einen Bezug zur desaströsen Sparpolitik vermag Premier Pedro Passos Coelho dennoch nicht zu erkennen. Immerhin hat seine Partei in keinem Distrikt mehr die Mehrheit; auch der kleinere Koalitionspartner, die rechtskonservative CDS-PP glänzt nicht gerade.

Der große Gewinner ist die sozialdemokratische PS, die den Urnengang in allen Distrikten für sich entscheidet. Offensichtlich haben es die Wähler der Partei nachgesehen, dass es das PS-Kabinett von José Sócrates war, das auf Drängen der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Union und Europäischer Zentralbank 2011 das erste Sparpaket geschnürt hatte.

Auch die Kommunisten der PCP, radikale Gegner des Sparkurses, konnten spürbar zulegen. Der sozialistischen Linksblock (BE) dagegen landete weit abgeschlagen bei landesweit 2,42 Prozent und büßte zudem seinen einzigen Bürgermeisterposten ein. Dabei bezieht der BE in außen- und europapolitischen Fragen ähnliche Positionen wie die PCP. Im Unterschied zu dieser ist der "Bloco" aber auf regionaler und kommunaler Ebene eher schwach verankert.

Akademiker verlassen das Land

Der Ausgang der Wahlen trägt dazu bei, die politische Instabilität im Land am westlichen Rand Europas spürbar zu erhöhen. Die wirtschaftliche und soziale Lage ist nach zwei Jahren Sparpaket alles andere als rosig: Das Bruttosozialprodukt wird auch in diesem Jahr sinken, die Arbeitslosigkeit weiter steigen. Tausende und Abertausende gut ausgebildeter Hochschulabsolventen wandern aus. Das Renteneintrittsalter wurde von 65 auf 66 Jahre erhöht. Sogar das Verfassungsgericht stufte Teile der Streichorgie als im Widerspruch zum Grundgesetz stehend ein und zwang die Regierung zu Korrekturen.

Zwar verfügt die Koalition aus PSD und CDS-PP über eine hinreichende Mehrheit. Doch hatte eine Regierungskrise das Bündnis kürzlich an den Rand des Abgrunds geführt. Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva, einst selbst Chef der PSD, versuchte sich erfolgreich als Schlichter. Neuwahlen konnten so noch einmal verhindert werden. Wie die ausgegangen wären, lässt das Ergebnis des Urnengangs vom Sonntag erahnen. Am 19. Oktober ruft der Gewerkschaftsdachverband CGTP zu einer "Großdemonstration gegen Ausbeutung und Armut" auf. Eine Ende der sozialen Unruhen in Portugal ist nicht zu erwarten, ein neuerlicher her nationaler Urnengang eine Frage der Zeit.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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