Streit um Europas Top-Personalien Posten-Beschlüsse werden wohl verschoben
16.07.2014, 22:04 Uhr
Die Kanzlerin ist schon frühzeitig davon ausgegangen, dass eine schnelle Einigung nicht erzielt werden wird.
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Wer wird neuer Chefdiplomat der EU? Wer leitet künftig EU-Gipfel? Die Staats- und Regierungschefs können sich in Brüssel nicht auf die Besetzung der Spitzenposten einigen - und gehen in die Verlängerung.
Der Streit um europäische Spitzenposten hat beim EU-Sondergipfel in Brüssel tiefe Gräben aufgerissen. Das Treffen in Brüssel begann am Abend mit zwei Stunden Verspätung. Zuvor suchten die Staats- und Regierungschefs in kleinen Runden nach Kompromissen. Umstritten waren die Posten des EU-Chefdiplomaten und des Ratspräsidenten, der die Gipfeltreffen leitet. Diplomaten rechneten damit, dass die Postenbeschlüssen auf August verschoben werden könnten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte schon im Laufe des Abends für möglich gehalten, dass es nur "eine erste Diskussion" zu den Top-Personalien geben könnte. Auch andere Staats- und Regierungschefs äußerten sich skeptisch. "Ich bin dafür, dass wir, wenn wir entscheiden, dann auch die offenstehenden Fragen sehr umfassend klären. Ob das heute schon gelingt, glaube ich eher nicht", sagte Merkel.
Frankreichs Präsident François Hollande erklärte, seinem Land komme es weniger auf Personen als auf Ziele und Ausrichtung an. Über die beiden Spitzenjobs werde seit Tagen gesprochen. "Entschieden ist noch gar nichts", sagte der österreichische Kanzler Werner Faymann. Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt sagte, es werde eine einvernehmliche Lösung angestrebt. Die Suche sei schwierig, "weil sich 28 Länder einigen müssen." Thorning-Schmidt wurde selbst als Nachfolgerin des noch bis Ende November amtierenden Ratspräsidenten Herman Van Rompuy gehandelt. Sie sagte, sie sei keine Kandidatin.
Mogherini wollen nicht alle

Federica Moherini gilt als "Pro-Kreml"-Kandidatin und wird es deshalb schwer haben, genügend Stimmen auf sich zu vereinen.
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Die Chancen der italienischen Außenministerin Federica Mogherini, neue Außenbeauftragte zu werden, sanken. Kritiker warfen der linken Politikerin unter anderem mangelnde Erfahrung vor, weil die 41-Jährige erst seit Februar in Rom im Amt ist. Osteuropäern ist Mogherini zu russlandfreundlich. Litauens Regierungschefin Dalia Grybauskaite sagte, sie werde keinen "Pro-Kreml"-Kandidaten unterstützen. Der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt forderte zugleich eine rasche Einigung auf einen Außenbeauftragten. Denn dieser ist auch Vize-Chef der EU-Kommission, die über den Sommer neu zusammengestellt wird.
Als mögliche Alternative zu Mogherini galt die konservative bulgarische EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina Georgiewa. Im Gespräch waren laut Elmar Brok (CDU), dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, auch der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski, der schwedische Außenminister Carl Bildt und die französische Politikerin Elisabeth Guigou. Die Christdemokraten und Konservativen im EU-Parlament pochen auf einen erfahrenen Außenpolitiker, "der dem Gewicht Europas auch ein Gesicht geben kann", sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber.
Laut Lissabon-Vertrag ist bei der Kandidatenkür für die Topposten Kommissionschef, Ratspräsident und Außenbeauftragter die geografische und demografische Vielfalt der Union zu berücksichtigen. Auch eine Balance zwischen Frauen und Männern sowie den großen Parteifamilien Sozialdemokraten und Konservativen wird angestrebt. So wollen die europäischen Sozialdemokraten zwei der insgesamt vier Brüsseler Topposten. "Es ist ganz logisch, dass wir beide Posten beanspruchen", sagte EU-Parlamentschef Martin Schulz (SPD). Sie unterstützen daher Mogherini und Thorning-Schmidt.
Nach einem Bericht der französischen Zeitung "Le Monde" soll der französische Sozialist und frühere Finanzminister Pierre Moscovici EU-Währungskommissar werden. An der Spitze der Kommission steht der frühere luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker. Er wurde am Dienstag vom Europaparlament gewählt.
Weitere Themen des eintägigen Treffens sind die Ukraine und die Gewalt im Nahen Osten. Die EU bereitet eine Verschärfung ihrer Sanktionen gegen Russland vor. Sie wolle jetzt auch Unternehmen, die zur Destabilisierung der Ukraine beitragen, auf eine schwarze Liste setzen, sagten EU-Diplomaten. Außerdem sollen laut einem internen Gipfeldokument Finanzierungen der Europäischen Investitionsbank EIB und der Osteuropabank in Russland eingeschränkt werden. Merkel betonte, dass "der russische Beitrag zu einem Frieden in der Ukraine noch nicht ausreichend" sei.
Quelle: ntv.de, Marion Trimborn und Andrej Sokolow, dpa