Gesundheits-Finanzierung weiter unklar Schwarz-Gelb beschließt "Pflege-Riester"
22.10.2009, 19:26 UhrUnion und FDP haben trotz einer grundlegenden Annäherung die strittige Frage der künftigen Finanzierung des Gesundheitswesens erneut vertagt. Darüber solle nun die Schlussrunde der Koalitionsverhandlungen am Freitag entscheiden, hieß es aus Verhandlungskreisen in Berlin. In der großen Kommission hatte beim Streitthema Gesundheit zuvor eigentlich der Sack zugemacht werden sollen. Nach Angaben von Vertretern von CDU und FDP stellte sich die CSU aber zu den Kompromisslinien quer. Sie suche offenbar nach einem Faustpfand für Entscheidungen auf anderen Feldern.

In der Frage der Gesundheits-Finanzierung gibt es bisher keine messbaren Ergebnisse.
(Foto: AP)
Das letzte Votum haben nun offenbar die drei Parteichefs. Auch andere strittige Dinge wie der Kündigungsschutz oder das von der CSU geforderte Betreuungsgeld müssen dann von den Koalitionsspitzen erörtert werden.
Gesundheitsfonds bleibt vorerst erhalten
Der umstrittene Gesundheitsfonds würde nach derzeitigem Stand zunächst erhalten bleiben. Eine geplante Kommission habe nicht den Auftrag, eine Abwicklung des Fonds auf den Weg zu bringen, hieß es. Die "Neue Westfälische" aus Bielefeld hatte berichtet, die Unterhändler hätten sich bereits auf eine Abschaffung verständigt. Langfristig könnte der Fonds aber in ein neues System überführt werden. CDU und FDP favorisieren hier ein Modell mit einer pauschalen Prämie. Die CSU lehnt eine solche Pauschale ab. In den Finanzpool fließen seit Jahresanfang die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Steuermittel. Von dort werden sie an die Kassen nach einem Schlüssel verteilt.
Union und FDP verständigten sich zudem darauf, die Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal zu überprüfen, weil das erwünschte Lenkungsziel weniger Arztbesuche weitgehend verfehlt werde. Entsprechende Informationen der "Welt" wurden von Koalitionskreisen bestätigt. Ein Steuerungsinstrument werde aber als unverzichtbar angesehen.
Verpflichtende Zusatzvorsorge

Die große Koalitionsrunde tagt in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen in Berlin.
(Foto: AP)
Union und FDP einigten sich ebenfalls endgültig darauf, die gesetzliche Pflegeversicherung durch eine verpflichtende Zusatzvorsorge zu ergänzen. Die entsprechende Passage im Entwurf des Koalitionsvertrags billigte die große Verhandlungskommission. Arbeitnehmer müssen mit höheren Beiträgen rechnen, wenn sie zusätzlich zum normalen Beitragssatz noch privat in Form einer Art "Pflege-Riester" Vorsorge treffen müssen.
Zudem soll der Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung durch eine verkürzte Wartezeit erleichtert werden. Keine Einwände gab es auch gegen das von den Fachpolitikern vorgeschlagene Moratorium bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sowie zu dem Verbot zur Abgabe von Arzneimitteln an "Pick-Up-Stellen" in Supermärkten. Gegen den geplanten vorläufigen Stopp der Gesundheitskarte leistete der Branchenverband Bitkom Widerstand. Verbandspräsident August-Wilhelm Scheer sagte: "Bei einer Verzögerung bleiben die Patienten auf der Strecke."
Einsparpotenziale im Pharmasektor nutzen
Einig wurden sich Union und FDP darin, dass im kommenden Jahr rund vier Milliarden Euro aus Steuermitteln an die gesetzliche Krankenversicherung fließen sollen, um die Einnahmeausfälle infolge der Wirtschaftskrise abzufedern. Offen ist, ob die Summe als Zuschuss oder als Darlehen gewährt wird.
Darüber hinaus müssen Union und FDP klären, woher die übrigen mehr als drei Milliarden Euro kommen sollen, die nach Expertenberechnungen 2010 bei den Krankenkassen aufgrund gestiegener Ausgaben ebenfalls fehlen werden. Hierzu stand eine Einigung kurz bevor. So sollen Einsparpotenziale etwa im Pharmasektor gehoben werden. Weitere fehlende Mittel sollten die rund 180 Krankenkassen über Zusatzbeiträge einfahren, von denen sie auch heute schon Gebrauch machen können.
Kassenbeiträge können 2010 steigen
Die Obergrenze für die Zusatzbeiträge solle von ein auf zwei Prozent des Einkommens angehoben werden, um den Kassen mehr Beitragsautonomie zu geben, hieß es. Solche Zusatzbeiträge müssen Kassen von ihren Versicherten erheben, die mit dem Geld aus dem Fonds nicht auskommen. Für Versicherte einzelner Kassen könnte es dadurch im nächsten Jahr deutlich teurer werden, obwohl der allgemeine Beitragssatz nach dem Willen der künftigen Koalition konstant bleiben soll. Für die Unternehmen treten keine neuen Belastungen auf.
Die CSU fordert hingegen, den Sonderbeitrag von 0,9 Prozent für die Arbeitnehmer zu einem Zusatzbeitrag zu machen, der direkt den Kassen zufließt. Derzeit spaltet sich der von der Regierung per Verordnung festgelegte Einheitsbeitragssatz von 14,9 Prozent in 7 Prozent Arbeitgeber- und 7,9 Prozent Arbeitnehmeranteil auf.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP