Politik

"Große Nervosität" Schwarz-Gelb verhandelt schon

Die eigentlichen Koalitionsverhandlungen beginnen am kommenden Montag, doch längst sind Union und FDP dabei, ihre Positionen abzustecken. Während Unionspolitiker zahlreiche Bereiche zu Tabuzonen erklären, mahnt FDP-Chef Westerwelle, "dass man nicht durch Säbelrasseln die Verhandlungen erschwert". Gerasselt wird jedoch auch in der FDP.

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(Foto: AP)

Bei den Sicherheitsgesetzen werde die Union keine Zugeständnisse an die FDP machen, sagte Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Online-Durchsuchungen, Internetsperre für Kinderpornoseiten oder Vorratsdatenspeicherung lasse die Union nicht antasten, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Bereits in den vergangenen Tagen hatten Kanzlerin Angela Merkel und andere Unionsgrößen Mindestlöhne, Kündigungsschutz und den Gesundheitsfonds zum Tabu erklärt.

"Alles ist verhandelbar"

"Das komplette Programm der Unionsparteien ist verhandelbar, und das komplette Programm der FDP ist verhandelbar", sagte dagegen FDP-Chef Guido Westerwelle nach einer FDP-Präsidiumssitzung in Berlin. "Zur Klugheit der Verhandlungsführung gehört auch, dass man nicht durch Säbelrasseln die Verhandlungen erschwert." Das Säbelrasseln überließ Westerwelle seiner Stellvertreterin Cornelia Pieper. "Es ist kein guter Umgangsstil, bereits vor den Koalitionsgesprächen zu sagen, was nicht verhandelt werden darf", sagte sie der "Bild"-Zeitung. "Offenbar gibt es in der Union eine große Nervosität, viele sind offenbar nur auf Ämter fixiert."

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Daniel Bahr, forderte erneut die Abschaffung des Gesundheitsfonds. "Es bleibt Ziel der FDP, den Fonds rückabzuwickeln", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Dafür habe die FDP in ihrem Wahlprogramm geworben "und ein entsprechendes Ergebnis bekommen".

Westerwelle hält sich bedeckt

Dagegen hielt sich Westerwelle vor Journalisten mit konkreten Aussagen zu Kernforderungen seiner Partei zurück. Für die FDP sei klar, dass es einen Neuanfang in der Gesundheitspolitik und ein faires Steuersystem geben müsse. "Für uns als FDP ist völlig klar, dass unser Kompass unser liberales Programm ist", sagte er. "Wir bleiben genau bei dem, was wir vor der Wahl gesagt haben." Im Übrigen werde er nicht vor Beginn der Verhandlungen die Fahnen bereits an einigen Ecken wieder einrollen.

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(Foto: REUTERS)

Auf Nachfragen zu möglichen Kompromissen oder dem Zuschnitt von Ministerien zeigte sich der FDP-Chef kurz angebunden. Er gedenke nicht allein deshalb zu antworten, weil Fragen gestellt würden, sondern erst, wenn diese sich aus seiner Sicht tatsächlich stellten, wies er Journalisten zurecht.

Attacken beim Gesundheitsfonds

Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler erneuerte die Forderung der FDP nach Lockerungen beim Kündigungsschutz und eine Abschaffung der Hartz-IV-Gesetze zugunsten eines Bürgergeldes. Beides stößt bei der Union auf Ablehnung. Als denkbar gelten Einschnitte bei der Solarstromförderung wie sie Energieexperten von FDP und Union erneut forderten.

Westerwelle lehnte auch erneut eine zeitliche Festlegung auf den Abschluss der Verhandlungen ab. "Es wird gut und gründlich verhandelt ... da kommt es auf ein bis zwei Tage gewiss nicht an", sagte er zu dem Wunsch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Verhandlungen bis zum 9. November abzuschließen.

Die Verhandlungen beginnen am Montag in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens in Berlin.

Entlastungen versprochen, Streit um BKA-Gesetz

Ein zentrales Thema der Koalitionsverhandlungen dürften die von Union und FDP versprochenen Steuersenkungen werden. Bei Umsetzung und Ausmaß gibt es allerdings Differenzen - zumal die Haushaltsnot des Bundes für Entlastungen enge Grenzen setzt. Als erster Schritt in Richtung Steuersenkung könnten schon im kommenden Jahr Familien mit Kindern entlastet werden. Sowohl CDU und CSU als auch die FDP wollen den Kinderfreibetrag auf das Niveau des bereits für Erwachsene geltenden Grundfreibetrages von 8004 Euro anheben. Parallel könnte es eine Erhöhung des Kindergeldes geben, um auch Bezieher niedrigerer Einkommen zu berücksichtigen.

Tiefe Gräben trennen Union und FDP in der Innen- und Rechtspolitik, bei kaum einem anderen Thema gibt es so viel Streit. Die Stärkung der Bürgerrechte gehöre für die Liberalen zu den Kernpunkten in einer schwarz-gelben Regierung, hatte FDP-Rechtsexpertin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kurz nach der Wahl klar gemacht. Leutheusser-Schnarrenberger wird als neue Justizministerin gehandelt. Die Liberalen verlangen unter anderem Korrekturen beim neuen BKA-Gesetz, das dem Bundeskriminalamt die heimliche Online-Durchsuchung privater Computer gestattet, und setzen sich für die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung ein.

Vertreter der Internet-Branche fordern die Liberalen auf, ihre Wahlversprechen zu halten. Der Vize-Vorstandschef des Internetverbandes Eco, Oliver Süne, erwartet von der FDP die Abschaffung des Gesetzes über Internetsperren. Die Partei hätte bereits im Gesetzgebungsverfahren und in ihrem Wahlprogramm Widerstand angekündigt. Das müsse jetzt umgesetzt werden.

CSU beansprucht Außenministerium

Auf den Vorstoß des CSU-Europapolitikers Bernd Posselt, der den Posten des Außenministers für seine Partei reklamiert hatte, reagierte Philipp Rösler gelassen. Im Deutschlandfunk sagte der niedersächsische FDP-Wirtschaftsminister: "Die CSU ist nicht einmal halb so groß wie die FDP. Ich hoffe sehr, dass sich dieses Wissen durchsetzen wird." Bislang wird davon ausgegangen, dass Westerwelle das Amt für sich reklamiert.

Quelle: ntv.de, cba/hvo/dpa/rts/AFP

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