Politik

Zwangsarbeiterinnen in KZ-Bordellen Sex als Prämienstufe 3

Die Gedenkstätte in Ravensbrück erinnert an das Frauen-KZ, das sich dort befand.

Die Gedenkstätte in Ravensbrück erinnert an das Frauen-KZ, das sich dort befand.

(Foto: picture alliance / dpa)

Während der NS-Zeit wurden Häftlinge in Konzentrationslagern mit Belohnungen zu besserem Arbeiten motiviert. Ein Prämiensystem sollte vor allem die Produktion von Waffen beschleunigen. Wer besonders gut arbeitete, durfte für 15 Minuten ins KZ-Bordell – zu weiblichen Mithäftlingen. Eine Ausstellung erzählt die Geschichten der Zwangsprostituierten.

Am Anfang ihrer Leidenszeit im Lagerbordell standen Selbstmordgedanken: "Ich war immer am Überlegen, wie geht's am besten, Schluss zu machen", sagt Frau W. Die Köchin aus Mecklenburg war 1943 mit Mitte 20 in das NS-Konzentrationslager Buchenwald deportiert worden. Dort musste sie als Sex-Zwangsarbeiterin Häftlingen zu Diensten sein, denen die SS in einem Prämiensystem Bordellbesuche organisierte.

Die Ausstellung ist derzeit in Berlin zu sehen.

Die Ausstellung ist derzeit in Berlin zu sehen.

(Foto: dpa)

Frau W. nahm sich damals nicht das Leben. Den ersten "Freier" im sogenannten Sonderbau von Buchenwald, Zimmer 13, hatte sie noch mit einer Schere niederstechen wollen – doch am Ende überwältigte sie Resignation.

Von ihrem Leben als Zwangsprostituierte im Konzentrationslager berichtete Frau W. – ihr voller Name wird nicht genannt – kurz vor ihrem Tod 1990. Das Protokoll ist in einer Ausstellung über Lagerbordelle des nationalsozialistischen Terrorsystems nachzulesen, die derzeit im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen ist. Sie basiert auf einer international viel beachteten Sonderschau der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück aus dem Jahr 2007. Die Neufassung wurde um einige Aspekte bereichert und war schon in mehreren Städten zu sehen, unter anderem in Dresden und Rom.

Prämiensystem in der Rüstungsindustrie

Erlaubnisschein zum Bordellbesuch im KZ Dachau.

Erlaubnisschein zum Bordellbesuch im KZ Dachau.

(Foto: dpa)

Die KZ-Bordelle waren jahrzehntelang ein blinder Fleck in der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit. Seit 2009 liegt eine erste Gesamtdarstellung des Kulturwissenschaftlers Robert Sommer ("Das KZ-Bordell – Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern") vor. Sommer ist auch Kurator der Wanderausstellung.

SS-Reichsführer Heinrich Himmler hatte seinerzeit die Anweisung erteilt, ein Prämiensystem für in der Rüstungsproduktion schuftende KZ-Häftlinge zu schaffen. Dazu gehörten als Prämienstufe 3 auch Bordellbesuche. Das erste Lagerbordell entstand 1942 im KZ Mauthausen in Österreich. Neun weitere folgten in anderen großen Lagern, das größte entstand mit 21 Zimmern im Block 24a im Auschwitz-Stammlager.

Das Schicksal von Frau W. teilten mindestens 200 weitere Frauen. Rund 170 von ihnen seien mittlerweile namentlich bekannt, berichtet die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück, Insa Eschenbach. Die meisten von ihnen wurden im Frauenlager Ravensbrück "rekrutiert".

Wahrscheinlich überlebten alle

"Wir haben uns in unser Schicksal gefügt", erzählte eine 1924 geborene Frau B. aus Halle, die die Nazis Anfang 1945 ins KZ-Bordell Mittelbau-Dora in Thüringen steckten. Sieben oder acht Männer musste sie am Tag "bedienen", berichtete sie 1991. Sie hatte nach eigener Schilderung noch Glück, weil sie sich mit dem Lagerkapo angefreundet hatte, der sie mit allerlei Nützlichem versorgte und manchen potenziellen Besucher von ihr fernhielt.

Es sei wahrscheinlich, dass alle Sex-Zwangsarbeiterinnen die Lagerhaft überlebten, heißt es in der berührenden Ausstellung. Den Männern, die sie empfangen musste, bescheinigte Frau B. später ein anständiges Verhalten. "Die waren ja auch schon jahrelang eingesperrt und waren froh, wenn sie mal eine menschliche Begegnung hatten oder Menschen hatten, mit denen sie sich unterhalten konnten. Es ist nicht immer zum Verkehr gekommen. Mitunter bloß zum Unterhalten." 15 Minuten Zeit hatte die SS für derlei menschliche Begegnung vorgesehen.

Die Ausstellung "Lagerbordelle. Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern" ist noch bis zum 2. Mai 2013 im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen (Montag bis Freitag, 9 bis 18 Uhr)

Quelle: ntv.de, Harald Rohde, dpa

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