Grenzen der Macht USA können Gaddafi nicht zähmen
23.02.2011, 11:31 Uhr
Muammar al-Gaddafi gilt bei Diplomaten und Politikern als launisch und exzentrisch.
(Foto: REUTERS)
2003 schließt Washington ein Bündnis mit Gaddafi. Doch die spektakuläre Kehrtwende der US-amerikanischen Außenpolitik hält nicht, was sie verspricht. Bis heute kann die widerspenstige Führung in Libyen nicht gezähmt werden. Im Gegenteil: Das Zweckbündnis mit Gaddafi stellt die USA bloß.
Die Wahl der Kulisse hatte Symbolkraft. Als Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi in einer TV-Rede seinen Gegnern drohte, war im Hintergrund die zerbombte Ruine der Kaserne Bab al-Asisija in Tripolis zu sehen. US-Kampfjets hatten Gaddafis Hauptquartier 1986 bombardiert, der Machthaber hegt die Überreste bis heute als Schrein für den Selbstbehauptungswillen seiner Führung. Die bröselnde Ruine kann aber auch als Sinnbild für die amerikanische Libyen-Politik verstanden werden.
In einer spektakulären Kehrtwende hatten die USA unter Präsident George W. Bush Ende 2003 ein Bündnis mit Gaddafi geschlossen, die Beziehungen normalisiert - und damit jenen Mann salonfähig gemacht, den Ronald Reagan 1986 noch als den "verrückten Hund des Nahen Ostens" geschmäht hatte. Was vor acht Jahren wie ein diplomatischer Geniestreich aussah, wirkt heute wie ein faustischer Pakt. Denn Gaddafi, der alte Quälgeist der Amerikaner, hat sich nie zähmen lassen. Die Kontakte blieben an der Oberfläche, die USA haben wenig Einfluss.
Kein Vorbild für andere Schurkenstaaten
Die Libyen-Expertin Dana Moss vom Institute for Near Eastern Policy in Washington veröffentlichte vor einigen Monaten eine Studie über die neue Zusammenarbeit mit Libyen - und kommt darin zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Erfahrung mit Libyen habe "die Vorstellung getrübt, dass das amerikanisch-libysche Verhältnis als Modell für die Rehabilitierung anderer Schurkenstaaten dienen" könne. "Die Natur des libyschen Regimes hat sich infolge des amerikanischen Engagements nicht geändert", urteilt Moss. "Libyen zeigt die Grenzen des Einflusses der US-Diplomatie in Hardliner-Staaten."
Es war das Hoffen auf beiderseitigen Nutzen, das die USA und den irrlichternden Machthaber in Libyen zu Bündnisgenossen hatte werden lassen. Gaddafi gab auf Drängen der USA sein Programm für Massenvernichtungswaffen auf und kündigte die Unterstützung für Terrorgruppen auf. Die USA revanchierten sich mit einer Neuaufnahme der diplomatischen Beziehungen und mit Handelskontakten. Für Libyen war es das Ende jahrzehntelanger Isolation. Ausländische Investitionen belebten die stagnierende Wirtschaft, Gaddafi wurde diplomatisch aufgewertet.
Kraftakt hinter den Kulissen
Was zunächst als Beispiel für die gelungene Rehabilitierung eines internationalen Parias gefeiert wurde, erwies sich hinter den Kulissen als nervenaufreibender Kraftakt für die US-Diplomatie. Die vertraulichen Depeschen der US-Botschaft in Tripolis, die von der Internetplattform Wikileaks veröffentlicht wurden, illustrieren das Ausmaß der Frustration. US-Botschafter Gene Cretz charakterisierte Gaddafi darin als "launisch und exzentrisch". Immer wieder stellten die Libyer neue Forderungen, verzögerten die Umsetzung von Zusagen und zeigten "eine Vorliebe für dramatisches Auftreten".
Als "bizarr" beschrieb Cretz im September 2009 etwa das Bemühen seines Landes, einen Menschenrechtsdialog mit der libyschen Führung in Gang zu bringen. Nach langem Hinhalten der Libyer hätten die Diplomaten nur aneinander vorbeigeredet: "Die libysche Delegation behauptete schließlich, dass es in Libyen keine Zivilgesellschaft gebe, weil diese unnötig sei", schreibt Cretz. Libyen sei "eine homogene und einheitliche Gesellschaft", hätten Gaddafis Emissäre verkündet. Cretz resümiert frustriert: "Die libysche Seite scheint unsere Auffassung von Zivilgesellschaft nicht zu verstehen."
Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP