
Bauministerin Hubertz krempelt die Ärmel auf, Finanzminister Klingbeil soll das Geld dafür liefern. Die Ankündigungen sind groß - und das seit Jahren.
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Die Mieten steigen und steigen in vielen Städten. Ein wichtiger Grund: Es wird zu wenig gebaut. Nun stellt Ministerin Hubertz den "Bau-Turbo" vor. Er soll vor allem die Planung verkürzen, im Extremfall von fünf Jahren auf zwei Monate.
Seit Jahren ist die Wohnungssuche vor allem für Familien in Großstädten ein Riesenproblem. Seit Jahren verspricht die Politik Lösungen - doch die Mieten stiegen weiter. Es werden nicht genug Wohnungen gebaut, weil die Zinsen zu hoch sind, die Materialien zu teuer sind und zu viele Vorschriften gelten. Nun nimmt die neue Bundesregierung einen neuen Anlauf und will am letzten Punkt ansetzen, den Vorschriften und dem Planungsrecht. "Wir zünden jetzt den Bau-Turbo", verspricht Bauministerin Verena Hubertz. Das klingt erstmal gut für alle, die vom Eigenheim träumen. Aber was steckt dahinter?
Was will die Regierung erreichen?
Der Bau-Turbo soll helfen, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Auch die Planung von Kindergärten, Schulen oder Theatern wird vereinfacht. Konkret sollen Städte und Gemeinden Vorschriften außer Kraft setzen dürfen. Die Maßnahme ist bis 2030 befristet. Das Problem drängt. Schon Olaf Scholz machte 2021 mit dem Versprechen, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, Wahlkampf. Doch dann kamen ihm vor allem der Ukraine-Krieg, die Inflation und die steigenden Zinsen in die Quere.
Es ging nicht einmal in die richtige Richtung. Nur rund 252.000 Wohnungen wurden 2024 fertiggestellt - 14,4 Prozent weniger als im Jahr davor. Der Bau-Turbo soll das Bauen vor allem schneller und billiger machen. "Wir brauchen Tempo, Tempo, Tempo", sagte Hubertz am Mittag bei einem Termin auf einer Baustelle - die Kulisse hatten sie und Finanzminister Lars Klingbeil ausgesucht, um die Pläne vorzustellen.
Wie wird das Bauen schneller?
Tempo ins Bauen bekommen, das will die Ministerin vor allem durch Vereinfachungen schaffen. Das fängt bei den Planungsverfahren an. Wie Hubertz bei ntv sagte, dauert es in deutschen Großstädten im Schnitt fünf Jahre bis ein Bebauungsplan erstellt ist. "Das ändere ich jetzt mit dem Bau-Turbo. Das geht jetzt in zwei Monaten." Städte und Gemeinden sollen den Bebauungsplan ersetzen dürfen. Auch das Schließen von Baulücken und das Aufstocken von Gebäuden, etwa auf Supermärkten, soll einfacher werden. Drohen erhebliche Umweltauswirkungen, geht das alles aber nicht.
Der Bebauungsplan ist aber nur Schritt 1 auf dem Weg von der grünen Wiese zum fertigen Sechs-Familienhaus. Der Bau-Turbo sieht vor, Auflagen außer Kraft zu setzen. "Es geht doch darum", sagte Hubertz bei ntv: "Auf welchen Schickschnack können wir verzichten?" Als Beispiel nannte sie eine Tiefgarage, die bei einem Sechsfamilienhaus bislang obligatorisch sei. Man könne Parkplätze auch im Hof anlegen. Auch der Lärmschutz wird gelockert. Wohngebäude dürfen näher an Gewerbegebiete heranrücken. Wände dürfen dünner als bisher sein. So lasse sich "wahnsinnig viel Geld sparen", sagte Hubertz. "Das merken Sie gar nicht, wenn Sie in der Wohnung sind."
Wie wird das Bauen einfacher?
Hubertz setzt auf zwei Punkte, die schon lange in der Diskussion sind: Serielles Bauen und den Gebäudetyp E. Beim seriellen Bauen werden ganze Wände mit Leitungen und Rohren vorgefertigt angeliefert - eine Methode, die auch bei Fertighäusern eingesetzt wird. Beim seriellen Bauen geht es darum, das gleiche Gebäude mehrfach zu bauen. Bei Fertighäusern ist mehr Individualität möglich. "Ein absolutes Lieblingsthema von mir", sagte Hubertz auf dem Baustellentermin. "Das geht viel fixer am Bau." Da die Möglichkeiten noch nicht so bekannt seien, "müssen wir dafür trommeln".
Das "E" im Gebäudetyp E steht für "einfach" oder "experimentell". Dabei geht es darum, kostenintensive Standards, wie besonders viele Steckdosen oder Schallschutzmaßnahmen, wegzulassen und so Kosten und Zeit zu sparen. Bisher könnte so etwas als Mangel gelten. "Natürlich sollen nicht alle Regeln über die Wupper geworfen werden", sagte Hubertz. Bei Sicherheit und Umweltstandards würden keine Abstriche gemacht.
Wie viel Geld soll gespart werden?
Wer einfacher und schneller baut, spart Personalkosten und Zeit - und damit Geld. Laut Bauministerium sollen Einsparungen von 2,5 Milliarden Euro möglich sein. Das ist durchaus eine nennenswerte Summe. Sie entspricht etwa 15 Prozent der Auftragskosten aller 2024 geplanten Wohnungen - deren Gesamtvolumen lag bei knapp 17 Milliarden Euro. Die Einsparungen ergeben sich vor allem aus sinkenden Verwaltungskosten, aber auch aus Entlastungen für Privatleute und die Bauwirtschaft.
Sind damit alle Probleme gelöst?
Mitnichten. Die Zinsen sind weiterhin hoch und auch der Fachkräftemangel ist damit nicht aus der Welt. Auch Baumaterialen bleiben teuer. Der Mangel an Bauland in begehrten Städten löst sich damit nicht in Luft auf. Ob der Bau-Turbo ein Erfolg wird, hängt auch davon ab, ob die Kommunen die neuen Möglichkeiten überhaupt nutzen werden. Die Bundesregierung plant weitere Maßnahmen, darunter die Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2030, die sonst zum Jahresende ausgelaufen wäre.
Was sagen Wohnungswirtschaft und Mieterbund?
Die Wohnungswirtschaft begrüßte den Gesetzentwurf. "Entscheidend ist aber, dass die geplanten Regelungen auch in der Praxis funktionieren und Anwendung finden", sagte Axel Gedaschko, Präsident des Branchenverbandes GdW. "Der Bau-Turbo ist ein sinnvoller Baustein auf dem Weg zu mehr Tempo im Wohnungsbau - aber eben nur einer." Für einen Durchbruch brauche es deutlich mehr Mut zur Vereinfachung. "Gerade die heute veröffentlichten Zahlen zu den Baugenehmigungen zeigen, dass der dringend notwendige Neustart bislang ausbleibt. Bei den Mehrfamilienhäusern herrscht mit minus 0,1 Prozent eine Stagnation auf niedrigstem Niveau."
Der Deutsche Mieterbund begrüßte die geplante Reform ebenfalls, äußerte aber auch Kritik. "Der vorgesehene Bau-Turbo garantiert jedoch nicht, dass bezahlbare Mietwohnungen entstehen", teilte der Verband bereits vergangene Woche mit. Der Turbo trage im Gegenteil dazu bei, Schutzinstrumente für Mieter in angespannten Wohnungsmärkten auszuhebeln. Der Mieterbund fordert bei Wohnungsverkäufen ein Vorkaufsrecht für Städte und Gemeinden in Milieuschutzgebieten. Gut findet der Mieterbund, dass die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen weiterhin verhindert werden soll.
Quelle: ntv.de