Wieduwilts Woche Nein, Elon Musk ist keine Gefahr für die Demokratie


Bekommt wieder einmal viel Aufmerksamkeit in Deutschland: Elon Musk.
(Foto: picture alliance / abaca)
Scholz ist ein Dummkopf und die AfD die Rettung Deutschlands - sagt der amerikanische Chef von X, kurz bevor Deutschland einen neuen Bundestag wählt. Jetzt soll die EU eingreifen. Ein Fehler!
Der Bundespräsident hat den Bundestag aufgelöst. Auch wenn das eine feierliche, sehr deutsche Angelegenheit ist, hat er es sich nicht nehmen lassen, den amerikanischen Milliardär Elon Musk zumindest indirekt zu erwähnen. Er warnt, Einflussnahme von außen sei "eine Gefahr für die Demokratie", sei sie verdeckt oder offen "wie es derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird".
Kurz vor den Feiertagen hatte Elon Musk tatsächlich für einiges Aufsehen gesorgt. Er warb offen für die AfD, nur diese Partei könne Deutschland retten, schrieb er. Nach dem Anschlag von Magdeburg nannte er den amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz einen Dummkopf ("fool"), der sofort zurücktreten müsse.
Die AfD zeigte sich naturgemäß begeistert. Bei der FDP waren sie dagegen verschnupft, zumal der Vorsitzende Christian Lindner gerade noch geworben hatte, Deutschland müsse etwas "Musk und Milei wagen". "Elon", schrieb Lindner in einem Love-Bombing, "ich habe eine politische Debatte angestoßen mit Ideen von Dir und Milei!" Ob man sich nicht mal treffen wolle?
Privatmann Musk darf das
Ist Musk wirklich gefährlich für "unsere Demokratie"? Für abgesägte EU-Fürsten wie Thierry Breton steht die Sache fest. Für ihn ist Musk "ausländische Einflussnahme", poltert der düpierte Ex-EU-Kommissar auf X. Jetzt müsse Europa eingreifen!
Auch die Union ruft nach dem Staat: Die EU-Kommission müsse die Sichtbarkeit von Musks Beiträgen auf X untersuchen, forderte die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Sie folgt womöglich einem hartnäckigen Gerücht, dass sich Musk nicht blockieren oder stummschalten lasse (beides funktioniert sehr wohl).
Das ist viel Aufmerksamkeit, sogar für Elon. Er ist in den Vereinigten Staaten nur ein sehr reicher, sehr einflussreicher Privatmann. Dass er sich aus irgendeinem Grunde nicht zur deutschen Politik äußern dürfte, wäre mir neu. Deutsche Privatleute sind praktisch nie verlegen um einen abschätzigen Kommentar zu den Vereinigten Staaten im Allgemeinen und Donald Trump im Besonderen. Von der Heerschar passionierter Israelkritiker ohne israelischen Pass wollen wir gar nicht erst anfangen.
Manipulierte Algorithmen?
Viele Kommentatoren besonders aus dem linken Spektrum nehmen es als Tatsache hin, dass Musk ganz selbstverständlich auch die Algorithmen auf X in einer Weise beeinflusst, die rechten Stimmen mehr Auftrieb verleiht. Ob das stimmt, ist nicht leicht zu beantworten.
Einen stichhaltigen Beleg für eine direkte politische Lenkung gibt es bislang nicht, dabei sind Teile des Codes für die Plattform offen einsehbar. Stattdessen scheint es eher so zu sein, dass der Algorithmus bei X ungebremster als zuvor arbeitet, also stärker emotionale und polarisierende Posts bevorteilt als früher.
Plattformen - grundsätzlich alle - nutzen damit menschliche Verhaltensmuster: Was empört, verängstigt und skandalisiert, fesselt die Aufmerksamkeit von Menschen stärker als gut abgewogene neutrale Informationen, das gilt offline für den Boulevard und online für soziale Medien. Unter solchen Bedingungen erhalten rechtsextreme und populistische Stimmen allerdings stärkeren Auftrieb als Parteien der Mitte. "Manipulation" ist das nicht, so tickt die Gesellschaft.
Achse der Autokraten
Richtig ist: Elon Musk unterstützt Trump, ist Teil seines Teams und womöglich irgendwann sogar Teil der Exekutive. Er ist ein Magnet für Neuzugänge aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum - X wandelt sich also, keine Frage. Aus Musk macht das schon ein Mitglied einer neuen Allianz autoritärer Kräfte, zusammengesetzt aus Konzernen, rechtsautoritären Politikern und Regierungen. Wie diese sich gegenseitig stützen und Gegner gemeinsam bekämpfen, hat die Journalistin und Historikerin Anne Applebaum kürzlich ausführlich beschrieben - sie spricht von einer "Achse der Autokraten".
Richtig ist ebenso: Die Gefahr ausländischer Einflussnahme ist durchaus real. In Rumänien hat das Verfassungsgericht den ersten Wahlgang zur Präsidentschaftswahl annulliert, weil der dort siegreiche Kandidat Calin Georgescu wie Kai aus der Kiste sprang: Ein Rechtspopulist, der vor allem durch Tausende Tiktok-Konten und undurchsichtige Finanzierung aus Russland an die Macht gespült wurde.
Wer aber aus Angst vor Russen und Musk nach Staatseingriffen in die Meinungsfreiheit ruft und damit die Meinungsfreiheit zum Wahlkampfthema macht, schenkt der AfD unnötig Stimmen. Die Anhänger dieser Partei gerieren sich schon jetzt als Bastion der Freiheit: Als Alice Weidel in Magdeburg vor einigen Tausend Menschen spricht, schreiben in den Kommentarspalten ihre Fans: "Alice für Deutschland!" Das klingt nicht zufällig nach "Alles für Deutschland", eine strafbare SA-Parole.
Hilft die Kraft von Argumenten nicht mehr?
Gegen ausländische Manipulation hilft, die Augen offenzuhalten. In Rumänien hat der Geheimdienst Informationen über Tausende verdächtig neue oder frisch umbenannte Accounts auf Tiktok bereitgestellt, Finanzströme aufgedeckt und so die Annullierung der Wahl erst ermöglicht. Dazu musste der Staat nicht in digitale Kommunikationsnetze eingreifen.
Ob die Dienste auch in Deutschland dazu in der Lage wären, ist nicht bekannt. Wünschenswert wäre ohnehin, dass diese Aufgabe nicht klandestine Munkelmänner übernehmen, sondern transparente Institutionen. Seit Juni gibt es immerhin im Bundesinnenministerium eine "Projektgruppe" zum Aufbau einer Zentralen Stelle zur Erkennung ausländischer Informationsmanipulation ("ZEAM").
Der Staat kann und sollte gegen das Megaphon des reichen Privatmanns Elon Musk nicht einschreiten, auch wenn er für die AfD trötet. Wir müssen auf die Kraft von Argumenten vertrauen. Wenn wir daran nicht mehr glauben können - was genau ist dann von der Demokratie noch übrig, die wir zu schützen vorgeben?
Quelle: ntv.de