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Baden-WürttembergWegnahme von Kindern eskaliert - Polizist leidet bis heute

01.12.2025, 12:52 Uhr
Mit-Handschellen-wurde-der-Angeklagte-in-den-Gerichtssaal-gefuehrt

Ein Vater wehrt sich heftig gegen die Wegnahme seiner Kinder und greift zum Messer. Nun arbeitet ein Gericht die Tat auf - und ein Beamter berichtet, warum ihn der Tag bis heute verfolgt.

Rosengarten/Heilbronn (dpa/lsw) - Ein Gerichtsvollzieher soll zwei Fünfjährige aus einer Familie herausholen - weil sich die Eltern weigern, unterstützt die Polizei. Dann eskaliert die Situation. Am Ende rückt das SEK an, und auch für einen beteiligten Beamten hat der Vorfall massive Folgen. Nun muss ein Gericht aufarbeiten, was Anfang Juli genau in einer Wohnung in Rosengarten bei Schwäbisch Hall passiert ist.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 35 Jahre alten Vater der Kinder versuchten Totschlag, tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Freiheitsberaubung vor. Die Anklage geht davon aus, dass der Mann sich massiv gegen die Wegnahme seiner Kinder durch einen Gerichtsvollzieher gewehrt habe.

Er soll einen Polizisten, der den Gerichtsvollzieher begleitete, mit einem Brotmesser angegriffen haben. Der Beamte berichtete vor Gericht, dass er zunächst einen Schlag am Oberarm und direkt danach zwei Schläge auf seiner Schutzweste gespürt habe. Erst danach habe er den Arm des Mannes und das Messer gesehen.

Polizist ist bis heute krankgeschrieben

Weil das Messer nicht durch die Schutzweste des Beamten drang, wurde er nicht körperlich verletzt. Dennoch hat der Einsatz bis heute heftige Folgen für den Polizisten. Er sei seit dem Einsatz krankgeschrieben, ihm sei eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden, berichtete er vor Gericht. Er wisse derzeit nicht, wie es weitergehe. Den Tag des Einsatzes vergesse er nicht. "Ich denke jeden Tag an den 1. Juli."

Der Angeklagte räumte den Angriff auf den Beamten zwar ein, betonte aber, dass er niemanden habe verletzen wollen. Er sei in Panik in die Küche gelaufen und habe dort ein Messer geholt. Mit diesem habe er in die Luft seitlich neben dem Beamten gezielt. Eine Berührung habe er nicht gespürt.

Er habe den Polizisten Angst einjagen und sie so zum Rückzug zwingen wollen, sagte der 35-Jährige. Er habe in größter Panik gehandelt und sei entsetzt und erschüttert, dass man ihm einen Tötungsvorwurf mache. Er habe nur erschrecken und nicht töten wollen.

Vater verschanzte sich mit den beiden Kindern

Danach soll sich der Mann mit seinen beiden fünf Jahre alten Kindern in der Wohnung verschanzt haben. Erst nach mehreren Stunden stürmten Spezialeinsatzkräfte der Anklage zufolge die Wohnung, überwältigten den Mann und befreiten die Kinder.

Bei Einsätzen von Gerichtsvollziehern kommt es immer wieder zu teils heftigen Eskalationen. Erst vor knapp einer Woche war im Saarland ein 58-jähriger Gerichtsvollzieher von einem Mann mit einem Messer angegriffen und getötet worden. Er war nach aktuellem Ermittlungsstand "anlässlich einer Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung" in einer Wohnung in Bexbach gewesen.

In Baden-Württemberg erfasste das Justizministerium im laufenden Jahr bislang zwölf "sicherheitsrelevante Vorkommnisse" gegenüber Gerichtsvollziehern. Darunter fallen neben Angriffen auch Beleidigungen und Bedrohungen sowie Selbstverletzungen von Betroffenen. Im vergangenen Jahr waren es demnach 16 Vorkommnisse.

Gerichtsvollzieher-Bund sieht Zunahme bei Übergriffen

Die Erfassung des Ministeriums beruht allerdings auf Meldungen der Gerichtsvollzieher - und die melden nach Einschätzung des Deutschen Gerichtsvollzieher Bundes (DGVB) bei weitem nicht alle Ereignisse. "Die Dunkelziffer ist hoch", sagte Landeschef Manuel Schunger. Seiner Einschätzung nach sind seine Kolleginnen und Kollegen zunehmend Übergriffen ausgesetzt. "Beleidigungen und Bedrohungen haben in den vergangenen Jahren zugenommen."

Die Gefahr einer Eskalation gebe es vor allem dann, wenn es um größeren Zwang gehe, erklärte Schunger. "Wenn wir mit einem normalen Vollstreckungsauftrag draußen sind, schauen wir, dass wir mit dem Schuldner erstmal ins Gespräch kommen und vermitteln. Bei Kindeswegnahmen ist das nicht so einfach, weil hier die Maßnahme auf jeden Fall und zum Wohl des Kindes durchgeführt werden muss." Bei solchen Fällen fordere jeder Kollege Unterstützung durch die Polizei an.

Für den Prozess in Heilbronn hat das Landgericht zunächst sechs Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil gegen den 35 Jahre alten Angeklagten könnte demnach Mitte Dezember fallen.

Quelle: dpa

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