"Alles wirklich exzellent" IOC-Boss findet nur Lob für Putins Spiele
23.02.2014, 17:58 Uhr
Über ein Lobdefizit kann sich Olympia-Gastgeber Sotschi bei IOC-Präsident Thomas Bach ganz sicher nicht beklagen.
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Bei seinen ersten Spielen als IOC-Präsident bekommt Thomas Bach in Sotschi das, was er wollte: gelungene Spiele für die Athleten. Die Chance, durchaus angebrachte Kritik am Olympia-Gastgeber zu äußern, lässt Bach verstreichen. Er findet: Wenn die Sotschi-Spiele Wladimir Putin auch politisch nutzen, ist das legitim.

"Danke, Putin": So lautete auch das Fazit des IOC nach den ersten Olympischen Winterspielen in Russland.
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Als Thomas Bach am Ende seiner ersten Olympischen Spiele als IOC-Präsident Bilanz zog, überschlug er sich fast vor Lob. "Alles hat extrem gut funktioniert, vom Transportwesen über das Thema Sicherheit bis hin zu den Olympischen Dörfern, dem Essen - alles wirklich exzellent", sagte Bach - und schwärmte von der "ausgezeichneten Organisation". Der erste deutsche IOC-Präsident hat bei seiner Feuertaufe das bekommen, was er wollte: Spiele für die Athleten. Für angebrachte Kritik an den Gastgebern fehlte ihm allerdings der Wille - oder der Mut.
Die Aktivistinnen der Punkband Pussy Riot wurden in Sotschi von Sicherheitskräften vor laufenden Kameras geschlagen. Der Umweltaktivist und Sotschi-Kritiker Jewgeni Witischko wurde während der Spiele zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt und ist mittlerweile in einen Hungerstreik getreten. Auch der deutsche Innenminister Thomas de Maizière kritisierte während seines Sotschi-Besuches das Strafmaß als "ziemlich unverhältnismäßig". Bach sagte: nichts. Er ließ seinen Sprecher beide Fälle abhaken, weil sie "nichts mit den Spielen" zu tun hätten.
Im Ergebnis konnte Putin die olympische Bühne unbehelligt zur Selbstdarstellung nutzen und gefährdete durch seine politischen Manöver auch die Autonomie des Sports. Der Ex-Geheimdienstchef gilt bei der Gewalteskalation in der Ukraine als der Strippenzieher im Hintergrund und trat gleichzeitig in Sotschi als großzügiger Gastgeber auf. In dieser Zwickmühle wurde das IOC zum Spielball - und machte dabei in der Öffentlichkeit eine unglückliche Figur.
Abtauchen ins Athletengetümmel
In der zweiten Woche der Spiele trat Bach nur noch wenig in den Vordergrund, sondern eilte von Entscheidung zu Entscheidung. Der Fecht-Olympiasieger blieb dort, wo er sich am wohlsten fühlte: im Kreise der Sportler. "Die Athleten haben die Spiele genossen", sagte er bei seiner letzten Pressekonferenz kurz vor der Abschlussfeier, wertete seine Aussage umgehend als zu schwach und korrigierte sich: Die Athleten hätten die Verhältnisse bei den Spielen "geliebt", er habe "keine einzige Beschwerde" gehört. Kritik im Zusammenhang mit der Sportstätten gab es in der Tat kaum.
Mit der höchst umstrittenen Entscheidung, die norwegischen Ski-Langläuferinnen für das Tragen von Trauerflor zu rügen, brachte das IOC allerdings eine ganze Wintersportnation gegen sich auf und sorgte weltweit für Kopfschütteln. Auch an den Verhältnissen in Russland gab es deutliche Kritik. Skispringerin Daniela Iraschko-Stolz etwa, in Sotschi Zweite hinter Carina Vogt, hatte sich beschwert: öffentlich und eindringlich.
Vergabe an Sotschi "nicht die beste Idee"
Sie rief damit auch Putins Anti-Homosexuellen-Gesetz, die Umweltsünden, die Umsiedlungen und die Zwangsarbeit in Erinnerung. Die Österreicherin ermahnte das IOC, bei der Auswahl des Gastgeberlandes der Olympischen Spiele "mehr auf Menschenrechte und die Gesetzgebung" zu achten.
Die Vergabe der Spiele an Sotschi sei "nicht die beste Idee" gewesen, sagte Iraschko-Stolz, die mit einer Frau verheiratet ist. Den Einfluss von Kreml-Chef Putin auf die Winterspiele in Sotschi schätzte Bach selbst als unproblematisch ein. Auf die Frage, ob er durch die Allianz mit Putin einen Schaden für das IOC und die olympische Bewegung fürchte, antwortete Bach wie so häufig nicht konkret, aber dennoch vielsagend: Bei Großereignissen könnten ein Land und seine politische Führung, "hoffentlich vom Erfolg dieses Ereignisses profitieren."
Dass Politiker derartige Events zur Imagepflege nutzten, sei ein "legitimes Interesse". Bach verurteilte zwar - auch in Putins Anwesenheit - Diskriminierungen jeglicher Art und forderte Politiker auf, ihre Botschaften nicht auf dem Rücken von Athleten auszutragen. Eine konkrete Positionierung des IOC als unabhängige Kraft in moralischen Fragen blieb er schuldig.
Lieber Lob als Kritik
Sogar bei der kritischen Frage zur weiteren Nutzung der riesigen und teuren Olympia-Anlagen zeigte sich Bach unverdrossen optimistisch: "Jetzt wird es wichtig sein, die Nachhaltigkeit dieser Spiele zu sichern. Ein paar Schritte sind bereits eingeleitet, die Formel 1 und die Fußball-WM 2018 werden hier zu Gast sein." Nur: Ein konkretes Nutzungskonzept für Sportanlagen und die Hotelkapazitäten gibt es noch nicht, obwohl es streng genommen ab Montag greifen müsste.
Insgesamt galt: Bach kritisierte Putin nicht, sondern lobte seinen großen Anteil an der Organisation der Spiele. "Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte es hier in Sotschi wohl anders ausgesehen, er war entscheidend beteiligt am großen Erfolg der Spiele." Die gewaltigen Kosten der teuersten Olympischen Spiele der Geschichte - mit allen infrastrukturellen Maßnahmen kosteten sie etwa 40 Milliarden Euro - rechtfertigte Bach in Sotschi mit bemerkenswerter Ausdauer. Die operativen Kosten lägen schließlich im Rahmen derer von Vancouver 2010.
Olympia steht vor Akzeptanzkrise
Seine ersten Spiele hat Bach hinter sich gebracht, nun will er sich an die Umsetzung seiner "Agenda 2020" machen. Unter anderem will er die Vergabekriterien für Olympische Spiele verändern, ein TV-Kanal für olympische Wettbewerbe für die Zeit zwischen den Spielen soll kommen. Erste Entscheidungen werden aber erst im Dezember erwartet, bis dahin kann noch viel passieren - oder eben nichts.
Aber auch wenn er es nicht ausspricht, weiß Bach: Die Akzeptanz bei künftigen Olympia-Bewerbern steht auf dem Spiel. Beim Rennen um die Austragung der Winterspiele 2022 haben München, das schweizerische Graubünden und Stockholm ihre Bemühungen bereits aufgegeben. Von den traditionellen Wintersportländern ist nur noch Norwegen durch Oslo vertreten. Die norwegische Regierung hat die erforderlichen finanziellen Garantien allerdings noch nicht gegeben, die Bevölkerung ist gespalten.
Die jüngste Umfrage des InFac-Instituts, die die lokale Zeitung "Nordlys" veröffentlichte, sprach Bände: 55,9 Prozent der Befragten lehnten Olympia in Oslo ab, nur 34,5 Prozent bekundeten ihre Unterstützung. In der Region um Oslo war die Unterstützung mit 44,8 Prozent etwas stärker, im Norden des Landes sprachen sich allerdings satte 81,7 Prozent dagegen aus.
Bei einem Rückzug Oslos blieben dem IOC nur noch Peking, Krakau, die kasachische Stadt Almaty und Lwiw (Ukraine) als Kandidaten übrig.
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Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa