Zehn Tage für 39 Wohnblöcke Evergrande muss Hochhäuser abreißen
03.01.2022, 11:49 Uhr
Der Konzern ist in mehr als 280 chinesischen Städten aktiv.
(Foto: REUTERS)
Da bleibt wohl nur die Sprengung: Der angeschlagene Wohnungskonzern China Evergrande bekommt nur ein paar Tage Zeit, ein komplettes Neubauprojekt zu beseitigen. Die Führung in Peking will Luft aus der auf Pump finanzierten Immobilienblase lassen.
Der chinesische Immobilienriese Evergrande steckt in gewaltigen Schwierigkeiten - und die Regierung in Peking versucht, eine Implosion des von der Pleite bedrohten Unternehmens zu verhindern. Der neueste Schritt: Evergrande muss lokalen Medienberichten zufolge in der Provinz Hainan 39 leerstehende Wohnblöcke abreißen.
Die Order ging dem Konzern demnach am 30. Dezember zu. Offizielle Begründung: Die Baugenehmigung sei auf illegalem Wege erreicht worden, deshalb werde sie zurückgezogen. Evergrande hat zehn Tage Zeit, die Häuser zu beseitigen. Das Immobilienprojekt erstreckt sich auf einer Gesamtfläche von knapp 435.000 Quadratmetern.
Der Handel mit den Aktien des hoch verschuldeten Konzerns wurde an der Börse in Hongkong ausgesetzt. Zuvor hatte Evergrande Zinsen auf für Ausländer platzierte Anleihen in Höhe von 225 Millionen Dollar nicht bezahlt. Die Zahlung war am vergangenen Dienstag fällig geworden.
Die marktübliche 30-tägige Nachfrist ist noch nicht verstrichen - erst dann kann der offizielle Zahlungsausfall festgestellt werden. Das würde auch andere Anleihen in Mitleidenschaft ziehen und die finanziellen Probleme des Konzerns weiter vergrößern.
Am Freitag hatte Evergrande die Rückzahlungen für ausländische und inländische Anleger zurückgeschraubt, die in Anleihen des Unternehmens investiert haben. Jeder werde in den kommenden drei Monaten lediglich 8000 Yuan (1257 Dollar) monatlich bekommen. Das zeigt, dass sich der Liquiditätsengpass bei dem chinesischen Branchenriesen bereits massiv verschärft hat.
Riesiger Schuldenberg
Evergrande hat durch jahrelange aggressive Expansion einen immensen Schuldenberg in Höhe von umgerechnet knapp 270 Milliarden Dollar angehäuft. Das entspricht fast zwei Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Der Konzern ist in mehr als 280 chinesischen Städten präsent und eins der größten Privatunternehmen in der Volksrepublik. Im vergangenen Jahr war es in Zahlungsverzug gegenüber Banken, Anleihegläubigern sowie Kunden und Mitarbeitern geraten. Seitdem steckt Evergrande in einem Teufelskreis: Das Geschäftsmodell beruht darauf, von den Kunden Vorkasse zu verlangen für Wohnungen, die noch nicht gebaut sind. Mit diesem Geld wird dann die Fertigstellung von Projekten finanziert. Doch angesichts der Schwierigkeiten des Unternehmens halten sich potenzielle Kunden, Geldgeber, Lieferanten und Subunternehmer fern. Auf den Baustellen ruht die Arbeit.
Der Aktienkurs des Immobilienentwicklers war im letzten Jahr um nahezu 90 Prozent eingebrochen. Gleichzeitig gerieten im Zuge der Evergrande-Krise weitere chinesische Immobilienunternehmen in Schieflage. "Bloomberg" zufolge braucht die Branche alleine im Januar 197 Milliarden Dollar, um fällige Zahlungen zu leisten. Zugleich wird es für die Unternehmen immer schwieriger, frisches Geld aufzutreiben.
Das bringt die chinesische Führung in eine Zwangslage. Der Immobiliensektor ist ein großer Teil der chinesischen Wirtschaft - mehr als ein Viertel aller Investitionen entfallen darauf. Finanziert durch günstige Kredite haben zig Millionen Haushalte Geld in Immobilien gesteckt. Peking will Luft aus der auf Pump finanzierten Immobilienblase lassen - zugleich drohen soziale Unruhen, falls Hunderttausende bei einem Kollaps von Evergrande ihre bereits bezahlte Wohnung nicht bekommen oder einen Großteil ihrer Ersparnisse verlieren.
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa