Viele Aufgaben für Berlin OECD kappt Wachstumsprognose für Deutschland
05.02.2024, 19:18 Uhr Artikel anhören
Die deutsche Wirtschaft wird nach Ansicht der OECD in diesem Jahr nur um 0,3 Prozent wachsen.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Deutschland wird beim Wachstum auch in diesem Jahr den großen Wirtschaftsnationen hinterherhinken. Die OECD macht dafür neben den hohen Energiepreisen auch eine Menge hausgemachter Probleme aus. Dazu zählten die Arbeitskosten, die hohe Teilzeitquote bei Frauen und Unsicherheit durch den politischen Streit.
Die deutsche Wirtschaft hinkt nach Prognose der Industriestaaten-Organisation OECD auch in diesem Jahr beim Wachstum international hinterher. Sie halbierte ihre Prognose für den Anstieg des Bruttoinlandsproduktes auf 0,3 Prozent. Den anderen großen Euro-Ländern Frankreich (0,6 Prozent), Italien (0,7 Prozent) und Spanien (1,5 Prozent) wird ein deutlich besseres Abschneiden zugetraut. Auch andere Industrienationen wie die USA (2,6 Prozent) oder Großbritannien (0,7 Prozent) dürften sich besser schlagen, teilte die in Paris ansässige Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit. Nur Argentinien soll merklich schlechter abschneiden (minus 2,3 Prozent). Für Russland, das wegen des Angriffs auf die Ukraine auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, wurde die Wachstumserwartung auf 1,8 Prozent kräftig angehoben.
Für 2025 senkte die OECD ihre Prognose für Deutschland von 1,2 auf 1,1 Prozent, womit sie erneut unter dem Schnitt der Eurozone von 1,3 Prozent bleibt. "Dies liegt vor allem daran, dass die energieintensive Industrie ein größeres Gewicht in der deutschen Wirtschaft hat als in anderen Ländern der Eurozone", erklärte OECD-Expertin Isabell Koske das erwartete schwache Abschneiden von Europas größer Volkswirtschaft.
Hausgemachte Probleme bremsen Wachstum
"Zudem hat die Haushaltskrise die Unsicherheit für die Unternehmen und Haushalte erhöht", nannte Koske auch ein hausgemachtes Problem. Die Bundesregierung ist nach dem Verfassungsgerichtsurteil zur Schuldenbremse auf einen Sparkurs eingeschwenkt. Die Krise habe zum Rückgang der Investitionen im vierten Quartal 2023 geführt und den privaten Konsum trotz gestiegener Reallöhne zurückgehalten. Der Arbeitsmarkt zeigt sich trotz konjunktureller Dauerflaute vergleichsweise robust. "Der Fachkräftemangel ist das größte Problem für viele deutsche Unternehmen", sagte Koske. "Trotz gegenwärtig schlechter Geschäftslage halten deshalb viele Unternehmen an ihren Arbeitskräften fest."
Um die Konjunktur wieder in Schwung zu bekommen, muss nach den Worten von OECD-Experte Robert Grundke vor allem die Finanzierung der geplanten Projekte im Klima- und Transformationsfonds über 2024 hinaus geklärt werden, um für Unternehmen und Haushalte Planungssicherheit zu schaffen. "Um die Energiewende und die Digitalisierung zu beschleunigen, müssen die Infrastrukturplanung und die lokale Verwaltungskapazität verbessert und der Verwaltungsaufwand verringert werden", sagte Grundke.
"Sehr hohe Steuern auf Arbeit verringern zudem das Arbeitsangebot", sagte Grundke. Geringere Steuern und Sozialabgaben für untere und mittlere Einkommen sollten durch eine Streichung von verzerrenden und regressiven Steuervergünstigungen finanziert werden - etwa bei der Erbschaftssteuer oder der Besteuerung von Bestandsimmobilien und dem Wegfall von Dienstwagenprivileg und Dieselsubvention. Zudem arbeite die Hälfte aller Frauen Teilzeit in Stellen, für die sie überqualifiziert seien.
"Die Anreize für das Arbeitsangebot von Frauen im Steuer- und Sozialleistungssystem sollten verbessert werden", sagte Grundke. Gefördert werden könne dies etwa durch die Reform des Ehegattensplittings oder die Abschaffung der Mitversicherung des geringfügig beschäftigten Ehepartners in der Krankenversicherung. Auch sollten ältere Menschen dazu befähigt werden, länger zu arbeiten.
Stärkere internationale Kooperation nötig
Mit Blick auf das weltweite Wirtschaftswachstum geht die OECD insgesamt von einer Abschwächung aus. Der Weltwirtschaft prognostiziert sie in diesem Jahr einen Zuwachs von 2,9 Prozent, nach 3,1 Prozent im Vorjahr. Allerdings liegt die Prognose oberhalb de des Ausblicks vom November. Für 2025 rechnet die Organisation unverändert mit einem Plus von 3,0 Prozent.
Die Folgen angespannter Finanzbedingungen schlügen sich auf den Immobilien- und Kreditmärkten nieder, hieß es. Der globale Handel bleibe gedämpft. Die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer habe Frachtkosten stark steigen lassen und Versandzeiten in die Länge gezogen. Dies erhöhe den Preisdruck und störe Produktionszeitpläne.
Insgesamt sieht die Organisation die starken geopolitischen Spannungen als wesentliches kurzzeitiges Risiko für Konjunktion und Inflation. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Konflikt im Nahen Osten den Energiemarkt stören sollte. Angesichts steigender Schulden und anstehender Ausgaben sieht die OECD den Finanzdruck auf Regierungen steigen. Zudem brauche es stärkere internationale Kooperation, um den globalen Handel wieder aufleben zu lassen, schneller und besser bei der Dekarbonisierung voranzukommen und Schuldenlasten in Staaten mit geringerem Einkommen zu mildern.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/DJ/dpa/AFP