Frage & Antwort

Frage & Antwort Woher kommt das Schmetterlingsgefühl?

Frisch verliebt, das ist, als wäre man auf Droge.

Frisch verliebt, das ist, als wäre man auf Droge.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es ist warm, Bäume blühen, der Spargel wächst, die Erdbeeren schmecken. Was jetzt noch fehlt zum großen Glück: die Liebe. Kommt sie plötzlich um die Ecke, kann sich ein merkwürdiges Flattern im Bauch einstellen. Was geschieht da?

Bei Verliebten ist im Körper einiges los. Botenstoffe und Hormone fluten den Organismus – und zwar lange, bevor die Angebetete oder der Traummann ihren Auftritt haben. Verliebtsein ist ein Zustand, den der Körper quasi vorwegnimmt. Ohne eine bestimmte hormonelle Grundlage bleibt das große Gefühl nämlich aus. "Wenn man sich verliebt", erklärt Prof. Peter Walschburger im Gespräch mit n-tv.de, "sind die Geschlechtshormone schon vorher aktiv. Wir sind verliebt und wissen bloß noch nicht, in wen."

Walschburger ist Biopsychologe an der Freien Universität Berlin. In seiner Forschung hat er sich lange mit den körperlichen Vorgängen beschäftigt, die bestimmte Erlebnisse begleiten. Laut Walschburger laufen im Gehirn von Verliebten ähnliche Prozesse ab wie bei Süchtigen. Sie benehmen sich ungefähr so, als würden sie Kokain konsumieren. Wer verliebt ist, "wird extrem abhängig von einem bestimmten glücksbringenden Objekt", sagt der Wissenschaftler. In Kopf und Bauch dreht sich dann alles um eine einzige Person, ihr allein gilt die gesamte Aufmerksamkeit. Andere, durchaus ebenso wichtige Menschen und Dinge im Leben der Verliebten werden vernachlässigt. "Das ist beinahe psychotisch", kommentiert Walschburger. Oft reicht schon eine geringe Dosis der begehrten Droge, um auf Wolke sieben zu schweben; Kleinigkeiten erhalten eine übermäßige Bedeutung. Eine Textnachricht vom Liebsten? Grund genug, völlig aus dem Häuschen zu sein.

Körper bereitet sich auf Wichtiges vor

Das ist nur natürlich und geht auf das Konto des Botenstoffs Dopamin. Der wirkt stark auf das Belohnungssystem im Gehirn. Daneben haben Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol und Endorphine den größten Anteil am hormonellen Glückscocktail der Verliebten. Sie stellen das vegetative Nervensystem um, die Herz-Kreislauf-Aktivität wird angetrieben, die Pumpleistung des Herzens erhöht sich, die Muskulatur wird stärker durchblutet. "Wenn man dem potenziellen Partner plötzlich begegnet, stellt sich die innere Betriebsorganisation fast reflexhaft um auf die Vorbereitung für eine persönlich wichtige Reaktion", erläutert Walschburger. Manche Menschen spüren das – etwa am ungewohnt starken Herzschlag. Auch Schlaflosigkeit kann sich jetzt breit machen, die Hände schwitzen eher und der Appetit kann verloren gehen. Nicht weiter schlimm, lebt man doch von Luft und Liebe.

So viele biochemische Prozesse des Verliebtseins sich erklären lassen - wenn es konkret um die Schmetterlinge im Bauch geht, dieses Flattern in der Nabelgegend, hat die Wissenschaft keine einfache Erklärung. "Schmetterlinge werden nicht alle Verliebten wahrnehmen", sagt Walschburger. Er meint, dass das vermeintliche Flattern im Bauch mit den genannten Vorgängen im vegetativen Nervensystem und mit einer bestimmten Interpretation der Erlebnisse verknüpft ist – was zusammengenommen zu einer ambivalenten, körperlich wahrnehmbaren Form der Aufgeregtheit führt.

Fast wie eine Prüfung

Ambivalent und aufregend, das sind also die Stichworte, bei denen die Schmetterlinge aktiv werden. Wer heftig flirtet und frisch verliebt ist, fühlt sich hingezogen zum Subjekt der Begierde und lebt womöglich doch stets mit der Befürchtung, beim anderen nicht bestehen zu können und zurückgewiesen zu werden. "Es sind gemischte Gefühle", sagt der Biopsychologe. "Dahinter steht die bedeutsame Erfahrung: Es kann jetzt etwas ganz Großes passieren, aber es kann auch schiefgehen." Und wieder ist da die überhöhte Einordnung der Situation: "Eigentlich handelt es sich ja um einen banalen Flirt", so Walschburger. "Man könnte sich ganz entspannt sagen: Wenn es nichts wird, dann ist es eben so. Dann lassen wir's halt." Aber so sei der Mensch nicht strukturiert. Beim ernst gemeinten Flirt "steht plötzlich alles auf dem Spiel".

Was das bedeutet, leuchtet unmittelbar ein: Es ist riesiger Stress. Ganz ähnlich wie bei einer Prüfung. "Gerade wenn man sich der Zuneigung des anderen noch nicht ganz sicher ist, sind Prüfungsstress und die Nervosität beim Flirten beinahe identisch", sagt der Experte. Auch Prüfungssituationen können sich bekanntlich körperlich bemerkbar machen. Sie können über das vegetative Nervensystem auf den Magen schlagen und ein flaues Gefühl im Bauch hervorrufen. "Was da in Magen und Darm geschieht, wie genau das physiologische Reaktionsmuster abläuft, kann man auch bei Prüfungen nicht sagen", räumt Walschburger ein. "Aber klar ist: Da steht die Versagensangst im Vordergrund."

Es muss spielerisch bleiben

Wäre es beim Flirt tatsächlich genau das Gleiche, ginge er womöglich mit starker Übelkeit einher. Doch anders als Prüfungen sind Flirts eben nicht nur mit Nervosität verbunden, sondern auch mit Euphorie, mit Glücksgefühlen, bester Laune und Erregung. Sie sind eine "positive Belastungsvariante" – wenn sie gut laufen. "Das Flirten kommt am besten als Spielerei in Gang, irgendwie nebenbei, bei der Arbeit etwa oder morgens in der U-Bahn", sagt der Forscher. "Es wird ein Blick getauscht, ein Mann schaut eine Frau interessiert oder vielleicht auch begehrlich an und die Frau entscheidet dann meist, ob sie den Blick so erwidert, dass sich der Mann herausgefordert fühlt, die Sache weiterzutreiben."

Zentral ist dabei, das betont Walschburger immer wieder, das Spielerische. Wird der Flirt etwa von Seiten des Mannes zu sehr forciert, steigt die Frau aus. "Aber sonst", so der FU-Professor, "geht dieser Flirt, wenn er sich wiederholt, bald über in ein Sich-zueinander-hingezogen-Fühlen." Dann mischen Adrenalin, Dopamin und Serotonin mit – und bei vielen Menschen eben auch die Schmetterlinge, die so unerklärlich scheinen.

Übrigens: Da Verliebtsein so stressig ist und auf Dauer viel zu anstrengend wäre für den Körper, verändert sich die Beziehung zum Partner peu à peu. Vertrauen und Verbundenheit rücken in den Vordergrund, der rauschhafte Zustand ist Geschichte. Doch wie sehr man dennoch "auf Droge" ist, kann sich im Fall einer Trennung zeigen. Dann können Körper und Seele Symptome entwickeln, die mit einem einzigen Wort treffend beschrieben sind: Entzugserscheinungen.

Quelle: ntv.de

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