Leben

Der Denglische Patient We have the nose full

Egal, in welcher Sprache, mit der Corona-Müdigkeit ist man wohl kaum allein.

Egal, in welcher Sprache, mit der Corona-Müdigkeit ist man wohl kaum allein.

(Foto: imago images/Westend61)

Do you have a Koller in the Homeoffice, Frust during Lockdown or a heavy Weltschmerz with the Nachrichtenlage? Im nächsten Zoom-Meeting mit den Kollegen zahlt sich Unmissverständlichkeit auf jeden Fall aus.

Als der Langenscheidt-Verlag vor ein paar Wochen wieder einmal die sogenannten "Jugendwörter des Jahres" bekannt gab, war ich trotz meiner kleinen Affinität zur englischen Sprache etwas verblüfft: Denn egal, ob "lost", "wild" oder "cringe" - kein einziges Wort war mehr deutscher Herkunft. Haben die deutschen Jugendlichen die Nase voll von ihrer Muttersprache - are they sick and tired of their mother tongue? Dabei gibt es doch gerade für "cringe" das einzigartige deutsche Fremdschämen!

Ich musste an meine liebe Kollegin Alessa denken - nicht weil sie etwa zu den Menschen zählt, die ständig "lost", "wild" oder gar "cringe" sagen. Ich dachte daran, dass sie mir wenige Wochen zuvor erzählt hatte, dass sie von einem jungen, deutschsprachigen Herrn per Textnachricht gefragt worden war, ob sie vielleicht Lust habe auf "ein Cash and Go". Auf Deutsch: Der Mann wollte Sex gegen Bezahlung - was er aber wahrscheinlich nie so deutlich gesagt hätte.

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Das war einerseits total lost, wild und cringe auf einmal. Und zum anderen war es auch ein gutes Beispiel, wie das deutsch-englische Kauderwelsch in unserem Alltag außer Kontrolle geraten und vollkommen lächerliche Formen annehmen kann. Englisch dient dann als eine Art sprachlicher Tarnanzug, um die wahren Absichten zu verschleiern und zu beschönigen, ganz egal wie dreckig, verlogen und radikal sie sind.

Auf eine gewisse Weise spiegelt sich dasselbe Problem auch in der Sprache von Politikern und Beamten, wenn sie einen "Lockdown" oder gar einen "Shutdown" verhängen, weil "Ausgangssperre" oder "Abriegelung" zu hart klingen würde. Als wäre der "Lockdown" als Maßnahme verträglicher mit unserem Bedürfnis nach "Lifestyle" und "Leisure". Dasselbe gilt in meiner Wahrnehmung übrigens auch für "Home Schooling" und "Physical Distancing". Ganz zu schweigen vom "Homeoffice", das ich hier einmal ohne irgendein Social Media getriebenes Voting als "Erwachsenenwort des Jahres 2020" bezeichnen möchte. Wer spricht seit dem Beginn der Corona-Krise nicht vom "Homeoffice", jener pseudoenglischen Erfindung aus Deutschland? Auf einmal scheint es gar keine Rolle mehr zu spielen, dass das ewige Arbeiten von zu Hause, unrasiert und ungeduscht, in Unterhose und ohne nennenswerte zwischenmenschliche Kontakte am Ende denselben Lagerkoller und dieselbe Frustration auslösen wie ein langweiliger, um nicht zu sagen, besch....ner Hausarrest.

Digitaler Minderheitenschutz

Apropos Lagerkoller und Frustration: Auch dafür sollten wir unbedingt ein paar nice und abgesoftete English words parat haben, schließlich kann es jederzeit erforderlich werden, darüber in einer Weise zu sprechen, die einen weder lost noch wild oder gar cringe erscheinen lässt. Die Rede ist vom nächsten "Call" mit den Kolleginnen und Kollegen in aller Welt - seit diesem Jahr flächendeckend "Zoom Meeting" genannt.

Spätestens an diesem Punkt sind wir gefordert, echtes Englisch zu sprechen, ganz einfach, weil im virtuellen Meeting mindestens ein Mensch kein Deutsch versteht. Die anderen Teilnehmer müssen dann in den Englischbetrieb schalten, ganz egal, in welcher Zwangslage sie sich - mit oder ohne "Cabin Fever" - befinden. Es ist eine Art berechtigter, sprachlicher Minderheitenschutz, den es nicht erst seit diesem Jahr gibt und der dazu geführt hat, dass immer mehr Denglische Patienten quasi zweisprachig arbeiten. Wer diese neue Wirklichkeit ernst nimmt, will es sich nicht mehr leisten, irgendein "English and Go" zu sprechen, das im Zweifel selbst erfunden ist und einen lost, wild und cringe erscheinen lässt. Auf gut Deutsch: verloren, sonderbar und peinlich.

So wie Alessa, mit der ich gerne über die unbegrenzten Möglichkeiten der englischen Sprache spreche. Ihr war aufgefallen, dass man die universelle, für jede persönliche Krise geeignete deutsche Klage "Ich kann nicht mehr" nicht mit dem englischen Satz "I can no more" übersetzen kann.

Einfach aussprechen

Passend zur Großkrise, die wir derzeit alle erleben, habe ich Alessa versprochen, hier einmal alle garantiert verständlichen, krisenfesten englischen Varianten ihres Satzes aufzuschreiben. Schließlich kann er dazu dienen, all unseren Frust und Weltschmerz zusammenzufassen. Ich bin mir deshalb sicher, dass auch viele andere Leser in Zukunft noch davon Gebrauch machen können:

  • I can't deal with ... anymore/any longer.
  • I can't be dealing with ... anymore.
  • I can no longer walk, talk, stand, sit, drink, have a Zoom meeting et cetera
  • I can't take it anymore.
  • I can no longer listen to ...
  • I just can't anymore - with ...
  • I am too tired.
  • I am done (with ...)
  • I am exhausted
  • I am knackered.
  • I am cream-crackered. (reimt sich auf knackered: Cockney Rhyming Slang)

Wollen Sie darüber hinaus über einen gewissen Grad der Alkoholisierung sprechen, gibt es unzählige Arten, davon Zeugnis abzulegen. Fangen Sie am besten mit diesem Link an - und schreiben Sie mir, wenn Sie nach Übersetzungen für andere Krisensätze suchen.

Quelle: ntv.de

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