Wenn die Wucht bleibt Woran man eine anhaltende Trauerstörung erkennt
28.02.2023, 18:27 Uhr
Einige meiden Friedhöfe komplett, andere verbringen dort viel Zeit: Eine anhaltende Trauerstörung kann sich ganz unterschiedlich äußern.
(Foto: picture alliance / dpa-tmn)
Trauer ist eine normale Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen und damit keine Krankheit. Sie kann sich aber zu einer entwickeln. Doch ab wann spricht man von einer anhaltenden Trauerstörung?
Ganz geht die Trauer nie, wenn man einen geliebten Menschen verloren hat. Aber mit der Zeit schiebt sie sich mehr und mehr in den Hintergrund. Und schafft damit Platz für den Alltag, für Freude, für Neues. Normal ist aber auch, dass der Schmerz, auch Jahre später, in einigen Momenten wieder aufflackert. Zum Beispiel am Todestag, an Geburtstagen, vielleicht aber auch einem gewöhnlichen Mittwochnachmittag.
Bei einem Teil der Trauernden behält die Trauer jedoch ihre Wucht. Dann kann es sein, dass sich eine anhaltende Trauerstörung entwickelt hat. Die Grenze zwischen einer normalen Trauerreaktion und dieser Erkrankung verläuft dabei fließend.
Die Trauer schränkt den Alltag ein
"Eine anhaltende Trauerstörung besteht aus Symptomen, wie sie bei einer sehr akuten Trauer vorkommen, die aber über die Zeit nicht besser werden. Wir sprechen hier von sechs bis zwölf Monaten", so Prof. Rita Rosner von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische und Biologische Psychologie forscht zur anhaltenden Trauerstörung.
Ein Anzeichen dafür kann laut Rosner sein, dass die Trauer auch nach dieser Zeit Betroffene in ihrem Alltag stark einschränkt, sie zum Beispiel nicht arbeiten oder zur Schule gehen können. Die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, ist erhöht, wenn der Verlust plötzlich und unerwartet kam. Und wenn es enge Bezugspersonen wie Partner oder Kind waren. Außerdem könne mangelnde soziale Unterstützung nach dem Verlust ein verstärkender Faktor sein, so die Psychotherapeutin.
Als Krankheit anerkannt
Die Weltgesundheitsorganisation hat 2019 beschlossen, die anhaltende Trauerstörung als Krankheit anzuerkennen, sie also in den internationalen Katalog klassifizierter Krankheiten (ICD) aufzunehmen. Demnach ist ein intensiver emotionaler Schmerz ein wichtiges Merkmal. Er kann verschiedene Formen annehmen: Traurigkeit, Wut, Schuldgefühle, extreme Sehnsucht oder auch emotionale Taubheit. "Es kann aber auch sein, dass Trauernde andere Störungen entwickeln, wie zum Beispiel eine Depression oder Angststörung", so Rosner.
Wer diese Anzeichen bei sich bemerkt, dem rät Rosner dazu, einen Psychologischen Psychotherapeuten oder eine -therapeutin aufzusuchen. "Da die Wartezeiten in Deutschland derzeit bei mehr als fünf Monaten liegen, kann es auch sinnvoll sein, bis zum Termin Selbsthilfegruppen zu besuchen oder spezielle Beratungsangebote anzunehmen."
Dass die Trauerstörung mittlerweile als Krankheit eingestuft ist, hat laut Roser den Vorteil, dass Betroffene früher und besser Hilfe bekommen können. Denn viele Menschen mit einer anhaltenden Trauerstörung wurden früher falsch diagnostiziert. "So kam es häufig vor, dass sie mit Antidepressiva oder verschiedenen Beruhigungsmitteln behandelt wurden. Heute wissen wir, dass so eine pharmakologische Behandlung selten hilfreich ist."
Quelle: ntv.de, Ricarda Dieckmann, dpa