Panorama

"Die Keller anderer Leute" Als der Fall Fritzl die Welt schockierte

Josef Fritzl während des Prozesses 2009.

Josef Fritzl während des Prozesses 2009.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

24 Jahre sperrt Josef Fritzl seine Tochter Elisabeth in einem Kellerverlies weg, vergewaltigt sie immer wieder. Sieben Kinder bringt die Frau in dieser Zeit zur Welt. Vor zehn Jahren wurde der Fall bekannt, der bis heute nichts von seinem Schrecken verloren hat.

Als vor zehn Jahren eine junge Frau ins Krankenhaus der österreichischen Kleinstadt Amstetten eingeliefert wird, sind die Ärzte ratlos. Die Patientin leidet unter Atembeschwerden, hat sehr schlechte Zähne und ist auch sonst in besorgniserregender gesundheitlicher Verfassung. Auf ihrer Suche nach einer Diagnose wenden sich die Mediziner an die Familie der 19-jährigen Kerstin. Sie erhoffen sich vor allem von der Mutter der jungen Frau, Elisabeth, Auskünfte. Doch die soll sich schon vor Jahren zu einer Sekte abgesetzt haben. Also starten sie einen öffentlichen Aufruf und bitten Elisabeth Fritzl, sich zu melden.

Noch ahnt niemand, welche ungeheuerliche Geschichte sich hinter diesem seltsamen Krankheitsfall tatsächlich verbirgt. Wenige Tage später kennen Menschen weltweit Amstetten und den Namen Josef Fritzl. Zehn Jahre liegen diese Ereignisse nun zurück und haben nichts von ihrem Schrecken verloren.

Denn es stellt sich heraus: Die junge Frau ist gleichzeitig die Tochter und die Enkelin des auf den ersten Blick jovial wirkenden älteren Herrn, der sie ins Krankenhaus bringt. Und selbst das ist nur ein winziger Teil einer ungeheuerlichen Geschichte. Fritzl hatte 24 Jahre zuvor seine Tochter Elisabeth in ein Kellerverlies gelockt und seitdem dort gefangen gehalten. Die rätselhafte Patientin war eines von insgesamt sieben Kindern, die Elisabeth in dieser Zeit zur Welt brachte. Ein Kind starb kurz nach der Geburt und wurde von Fritzl in der Heizungsanlage des Hauses verbrannt. Drei Kinder - Kerstin, Stefan und Felix - wuchsen gemeinsam mit ihrer Mutter im Keller auf, drei - Lisa, Monika und Alexander - nahm Fritzl in seine eigene Familie auf. Seiner Frau Rosemarie erzählte er, Elisabeth sei weggelaufen und habe sich einer Sekte angeschlossen. Die Neugeborenen hatte sie ihren Eltern angeblich auf die Türschwelle gelegt.

Schreckliche Gefangenschaft

Erst als Tochter Kerstin lebensbedrohlich erkrankt, kann Elisabeth ihren Vater überzeugen, sie ärztlich versorgen zu lassen. Während die Tochter behandelt wird, bettelt Elisabeth darum, auch selbst gemeinsam mit den anderen Kindern freigelassen zu werden. Schließlich gibt Fritzl nach und die inzwischen 42-Jährige kann den Ärzten die unfassbare Geschichte ihrer Gefangenschaft erzählen.

Reporter Mark Perry hatte schon 1984 in der österreichischen "Kronenzeitung" über den angeblichen Vermisstenfall berichtet und kannte Josef Fritzl, der ihm damals als besorgter Familienvater gegenübertrat. Weder die Polizisten noch der Reporter hätten das Gefühl gehabt, dass irgendetwas nicht stimmte, sagte er später. Der als Familientyrann und Despot bekannte Elektrotechniker lebte seine Machtgelüste zu diesem Zeitpunkt längst auf einem unvorstellbaren Niveau aus.

Tatsächlich vergewaltigte Fritzl seine Tochter in all den Jahren immer wieder, insgesamt mindestens 3000 Mal. Das etwa 60 Quadratmeter große fensterlose Kellergefängnis mit zwei Zimmern war mit insgesamt acht bis zu 500 Kilogramm schweren Türen gesichert und schalldicht isoliert. Bei Lärmtests, die die Polizei später dort vornahm, drang nicht der geringste Laut nach draußen. Fritzls Ehefrau soll in all den Jahren keine Ahnung von den Vorgängen im Keller gehabt haben. Sie ließ sich später von ihm scheiden.

"Vom Vater ausgesucht"

Elisabeth und alle ihre Kinder leben heute unter neuen Namen an einem unbekannten Ort in Österreich. Einheimischen Medien zufolge hat Elisabeth, die von ihrem 18. bis zu ihrem 42. Lebensjahr in einem gerade mal 1,70 Meter hohen Raum leben musste, ein von Zäunen und Überwachungskameras gesichertes Haus. Es habe besonders große Fenster und keinen Keller. Inzwischen habe sie geheiratet und wie ihre Kinder etwas aus ihrem Leben gemacht. Sie hat niemals mit der Presse über ihren Fall gesprochen. "Ich weiß nicht, warum es so war", sagte Elisabeth nach ihrer Befreiung lediglich der Polizei. "Mein Vater hat mich einfach für sich selbst ausgesucht."

Von einem Wunsch nach einer "Zweitfamilie" berichtete Fritzls Verteidiger im Prozess gegen das "Inzest-Monster von Amstetten". Josef Fritzl wurde wegen Mord durch Unterlassen, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, schwerer Nötigung, Sklaverei und Blutschande zu lebenslanger Haft verurteilt, die er noch immer im Hochsicherheitsgefängnis Krems-Stein verbüßt.

Er hat sich in Josef Mayrhoff umbenannt, um den Angriffen anderer Häftlinge zu entgehen. Inzwischen ist er 83 Jahre alt und leidet österreichischen Medien zufolge an zunehmender Demenz. Mayrhoff-Fritzl sei fest davon überzeugt, dass er zu Unrecht eingesperrt wurde und wundere sich, dass ihn weder seine Tochter Elisabeth noch Ex-Frau Rosemarie besuchten. Reporter Perry erinnert sich, dass Fritzl nach Bekanntwerden des Falles immer wieder sagte: "Schau einfach in die Keller anderer Leute, da könntest du andere Familien und andere Mädchen finden."

Quelle: ntv.de

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