Warum hat's gebrannt?Experten versuchen Brandspuren zu lesen

Ein Brand richtet erhebliche Zerstörungen an, auch die Löscharbeiten hinterlassen Chaos, überall sind Pfützen. In dieser Spurenlage müssen Brandexperten die Ursache für das Feuer finden. Sie sind nicht immer erfolgreich.
Sie bewegen sich in nur noch halb intakten Ruinen, einsturzgefährdeten Hallen, manchmal zwischen komplett niedergebrannten Grundmauern oder dem verkokelten Mobiliar eines Zimmers. Auch als im Januar ein Hubschrauber und ein Sportflugzeug bei Karlsruhe in der Luft zusammenstoßen und abstürzen, sind sie da. Die Einsätze sind immer anders, vorangegangen ist ihnen eines: Feuer.
Dann treten Kriminaltechniker wie Jochen Reister auf den Plan, ziehen brandhemmende Klamotten an, darüber einen Brandschutzanzug, spezielle Schuhe, Atemschutzmaske gegen giftige Dämpfe, einen Helm - und los geht's: Spuren sichern, Brandursachen ermitteln. "Meist ist es matschig vom Löschwasser, wir wühlen im Dreck, graben den Boden schichtweise ab, suchen nach der Stecknadel im Heuhaufen", erklärt Reister. Der Brandort stinkt und schweigt. Reister und Kollegen bringen ihn zum Reden.
Ihre Werkzeuge: Schaufel, Rechen, die eigenen Hände und ein sehr aufmerksames Auge. "Es gilt, die Brandspuren richtig zu lesen", sagt Reister, Kriminaltechniker beim Polizeipräsidium Karlsruhe. Dazu gehört etwa, den sogenannten Brandtrichter zu erkennen. Das ist der Ort, wo das Feuer seinen Ursprung hatte - und eine schwarze, nach oben hin breiter werdende trichterförmige Spur an Wänden oder Mauern hinterlassen hat.
Auch die Beschaffenheit von Glas am Brandort gibt Aufschlüsse: über Hitzentwicklung oder eine vorangegangene Explosion. Ein erster Blick Reisters wandert immer zum Sicherungskasten: Kurzschluss? Elektrischer Defekt irgendwo? Er sammelt geschmolzene Leitungen auf, birgt den verschmorten Toaster. Verschiedene Brandtrichter ohne sogenannte Brandbrücken dazwischen lassen auf Brandstiftung schließen. "Dann hat jemand an verschiedenen Stellen Feuer gelegt", erläutert Reister. Sein Kollege, Kriminalhauptkommissar Marcus Muck, befragt Zeugen und ermittelt jenseits des "objektiven Tatbefunds".
Manchmal ein Tatort
Auch technische Geräte gehören an den Brandort, der nicht selten auch ein Tatort ist: Wenn Brandstifter am Werk waren, wenn es sogar Tote gab, ist besonders akribische Spurenarbeit unabdingbar. Reister zückt ein handliches Gerät namens Photoionisationsdetektor (PID) und hält es zur Anschauung mithilfe einer Art Schlauch an einen Filzstift. Das Gerät saugt die Ausdünstungen an und schlägt sofort an. Wo immer ein Brandbeschleuniger die Ursache für das Feuer war, ein PID kann kleinste Mengen erkennen. Was genau es dann war - Benzin, Terpentin oder Spiritus -, wird später geklärt. Reister packt zunächst Schutt oder Kleiderreste, bei denen sein PID-Gerät reagierte, in einen Plastiksack, schweißt den Fund ein und schickt ihn zum Kriminaltechnischen Institut nach Stuttgart, Fachgruppe Brandursachen. Mit sieben Sachverständigen ist sie eine der größten bundesweit.
Jetzt sind Experten wie Helmut Hüls dran. Er ist kein Polizeibeamter, sondern Elektroingenieur und Leiter der Fachgruppe. Im Gas-Chromatographen bestimmen er und seine Kollegen zum Beispiel, welche Flüssigkeit in den verkohlten Resten versickerte. Oder er sucht unter dem Mikroskop Kurzschlussspuren in Leitungen, Geräten und Anschlüssen. "Ganz oft ist falsche Elektroinstallation schuld an fatalen Bränden", sagt er.
Laut Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung (IFS/Stuttgart), das jährlich etwa 1500 Brandermittlungen im Auftrag von Versicherern durchführt, ist für ein Drittel der dort untersuchten Brände ein Schaden an der Elektrik verantwortlich. Zweithäufigste Brandursache ist mit 19 Prozent menschliches Fehlverhalten, etwa eine unbeaufsichtigt brennende Kerze oder vergessene Einkäufe auf der eingeschalteten Herdplatte, erläutert eine Sprecherin. Überhitzung und Brandstiftung schlagen mit knapp 10 Prozent zu Buche. In immerhin 22 Prozent der Fälle bleibt die Ursache für die Gutachter unbekannt.
Dem Kriminaltechniker Reister gab vor fünf Jahren ein Brand in einem Kamelhof im Kreis Calw Rätsel auf: An die 90 Tiere starben, das Gebäude brannte nieder. Die Ermittler arbeiteten wie immer nach dem Eliminationsprinzip und schlossen eine Ursache nach der anderen aus. Übrig blieb letztlich noch eine Eistruhe, die auch ans Landeskriminalamt ins Labor geschickt wurde. Deren Elektrik war durch die hohen Temperaturen am Brandort aber so zerstört, dass auch hier nichts mehr nachzuweisen war. Fahrlässige oder gar vorsätzliche Brandstiftung konnten die Beamten ebenfalls nicht ausschließen. So etwas sei unbefriedigend, sagt Muck.
Unter 50 Prozent Aufklärungsquote
In Deutschland brenne es Jahr für Jahr rund 190.000 Mal, sagt eine Sprecherin des Deutschen Feuerwehrverbandes. Im Jahr 2016 zählte die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) gut 19.000 Fälle von Brandstiftung. Darunter waren etwa 12.000 Fälle von "vorsätzlicher Brandstiftung bzw. Herbeiführen einer Brandgefahr". Die Aufklärungsquote liegt bei unter 50 Prozent. Zu voreilig dürfe man am Brandort nicht sein, erzählt Hüls. "Manchmal irrt man sich total mit der Brandursache. Wind, Feuerwehr und Löscharbeiten verändern ja auch das Brandspurenbild. Dann kann man zu ganz falschen Ergebnissen kommen." Rund 100 Mal pro Jahr ist er nach Bränden vor Ort; rund 300 chemische Untersuchungen erledigen er und seine Leute; gut 80 Asservate werden jährlich untersucht. Auch Spürhunde halfen Hüls und Reister schon. Sobald die Tiere eine verdächtige Chemikalie am Brandort erschnüffeln, legen sie sich an genau der Stelle ab.
"Manchmal finden wir nie heraus, was es war", sagt Reister. Die Einsätze der Ermittler enden aber oft nicht so uneindeutig. Einmal fand Reister im Müll einer ausgebrannten Wohnung ein Kupferstäbchen. Zunächst konnte er sich keinen Reim darauf machen. Bis er unter dem Kopfkissen des verkokelten Kinderbetts noch eines fand. Da dämmerte es ihm: Es waren Reste einer Wunderkerze.