Zurückgelassene wieder an Bord Gestrandete Passagierin hat nach Kreuzfahrt-Debakel genug
03.04.2024, 13:10 Uhr Artikel anhören
Das Ende der Kreuzfahrt ist für den 10. April in Barcelona geplant. (Symbolbild)
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Acht Passagiere werden auf einer afrikanischen Insel zurückgelassen, als sie die Abfahrtszeit ihres Kreuzfahrtschiffes verpassen. Damit beginnt für sie ein Wettlauf gegen die Zeit quer durch Westafrika. Nach sechs Tagen sind die Gestrandeten wieder an Bord - und kritisieren die Besatzung scharf.
Die acht Passagiere, die von der "Norwegian Dawn" auf São Tomé zurückgelassen wurden, sind nach sechs Tagen wieder an Bord des Kreuzfahrtschiffes. Das bestätigte die Reederei dem "Business Insider". Kurz bevor sie wieder auf das Schiff gingen, kritisierten zwei zurückgelassene Passagiere die Besatzung scharf und spielten sogar mit dem Gedanken, die Reise abzubrechen und nicht wieder an Bord zu gehen. Dies teilte Jill Campbell während eines Interviews mit der "Today-Show" am Dienstagmorgen mit. Nach den Strapazen der vergangenen Tage und ihren Erlebnissen mit der Reederei sowie der Besatzung des Schiffes fühle sie sich bei dem Gedanken nicht wohl, ihre Kreuzfahrt fortzusetzen, erklärte sie in einem Hotelzimmer im westafrikanischen Senegal, wo die "Norwegian Dawn" kurz nach dem Interview anlegte.
Was war passiert? Gemeinsam mit vier anderen US-Amerikanern sowie zwei Australiern strandeten die Eheleute Jill und Jay Campbell am vergangenen Mittwoch auf der afrikanischen Insel São Tomé, nachdem das Kreuzfahrtschiff, auf dem sie eigentlich Passagiere waren, ohne sie abgefahren war. Grund dafür war die Verspätung der acht - sie hatten verschiedene geführte Touren auf der Insel unternommen und schafften es nicht rechtzeitig zur vereinbarten Abfahrtszeit zum Hafen.
Als sie diesen schließlich erreichten, konnten sie das Schiff eigenen Angaben zufolge zwar noch sehen, der Kapitän des Kreuzfahrtschiffes weigerte sich allerdings, die Gruppe wieder auf das Schiff zu lassen, weil der Aufruf "Alle an Bord" bereits stattgefunden habe, wie "ABC15 News" berichtete. Bevor das Schiff auslief, hatte die Besatzung die Pässe der Passagiere an die örtlichen Behörden übergeben. Kleidung, Kreditkarten und Medikamente blieben jedoch auf dem Kreuzfahrtschiff.
80-Jährige mit Schlaganfall alleingelassen?
Zu jenen, die auf der Insel zurückgelassen wurden, gehörte auch die 80-jährige Julia L. Sie hatte während der Kreuzfahrt einen Schlaganfall erlitten, sodass die Besatzung es für das Beste hielt, sie von Bord zu nehmen, damit sie im örtlichen Krankenhaus in São Tomé weiter untersucht und behandelt wird. Als sie 24 Stunden später entlassen wurde, war sie ihrer Familie zufolge auf sich allein gestellt. "Norwegian Cruise Line" erklärte hingegen, dass nach der Ausschiffung von L. "sofort ein Care-Team aktiviert wurde, um den Gast zu betreuen". Man habe versucht, die 80-Jährige zu erreichen, hätte dabei jedoch keinen Erfolg gehabt.
Ihre Mutter hatte Glück, auf der kleinen Insel auf die Campbells sowie die weiteren gestrandeten Touristen getroffen zu sein, sagte Lana L. in der "Today-Show". Demnach half das Ehepaar der 80-Jährigen, ihre Kinder in Kalifornien zu kontaktieren, die sie schließlich zurück in die USA holten, wo sie weiter medizinisch versorgt wird. "Sie haben ihr das Leben gerettet", erklärte Lana L. Obwohl mit der Kreuzfahrt ein großer Traum für die 80-Jährige in Erfüllung ging, wie ihre Tochter weiter berichtete, wird sie nicht wieder auf das Schiff zurückkehren.
Sieben Länder in 48 Stunden
Für die anderen zurückgelassenen Passagiere begann mit dem Auslaufen der "Norwegian Dawn" aus São Tomé ein Wettlauf gegen die Zeit. Bei ihrem Versuch, wieder an Bord zu gelangen, hetzten sie quer durch Westafrika. "Wir waren innerhalb von 48 Stunden in sieben Ländern", sagte Jill Campbell in dem Interview.
Besonders herausfordernd war, dass die Gruppe außer der Kleidung, die sie am Körper trugen, und ihren Pässen kaum etwas bei sich hatten. Lediglich die Campbells hatten eine Visakarte bei sich - alle anderen Kreditkarten, sowie Kleidung und medizinische Versorgung befinden sich noch immer auf dem Schiff. "Es war nicht leicht, in jedem Land jemanden zu finden, der US-Dollar annimmt und in die lokale Währung tauscht", sagte Jay Campbell. Hinzu kämen Verständigungsschwierigkeiten.
Ein erster Versuch, wieder auf das Schiff zu kommen, schlug am vergangenen Montag in Gambia bereits fehl. Dort kam die Gruppe zwar pünktlich an, allerdings konnte das Kreuzfahrtschiff den dort geplanten Halt wegen Niedrigwasser nicht wahrnehmen. Weiter ging es anschließend mit dem Van ins benachbarte Senegal. In der Hauptstadt Dakar legte das Schiff am Dienstag wie geplant an. Die acht Passagiere - inklusive der Campbells - gingen an Bord und befinden sich damit nun wieder auf See. Dabei bleibt ihnen noch eine Woche der Reise: Die insgesamt 21-tägige Kreuzfahrt endet am 10. April in Barcelona.
"Überlegen, nicht wieder an Bord zu gehen"
Im Interview mit "Today-Show" am Dienstagmorgen, also kurz bevor sie schlussendlich an Bord ging, ließ Jill Campbell ihre Zweifel durchblicken, ob sie die Tour wie geplant fortsetzen möchte. In ihrem Hotelzimmer in Senegal sagte sie: "Wir überlegen, nicht wieder an Bord zu gehen." Sie hätte dabei kein gutes Gefühl. Die Besatzung habe die Regeln und Richtlinien "zu starr" befolgt, fügte sie hinzu. "Ich habe wirklich das Gefühl, dass sie vergessen haben, dass sie im Gastgewerbe arbeiten und dass die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Kunden oberste Priorität haben sollten." Die Besatzung des Schiffes habe eine "grundlegende Sorgfaltspflicht", so Campbell, "und die hat sie vergessen."
Gegenüber der "New York Post" sagte ein Sprecher der Reederei, dass es sich um eine "sehr unglückliche Situation" handele. Zuvor hatte "Norwegian Cruise Line" in einer Erklärung auf die Eigenverantwortlichkeit der Passagiere gepocht, rechtzeitig am Hafen zu sein. Die Besatzung habe sich in jedem Moment "gemäß dem regulären Protokoll" verhalten. Man stehe in engem Kontakt mit den Passagieren. "Trotz der Reihe unglücklicher Ereignisse, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, werden wir diesen Gästen ihre Reisekosten von Banjur, Gambia, nach Dakar, Senegal, erstatten", fügte der Sprecher hinzu.
Quelle: ntv.de, spl