Panorama

Beisetzung in MálagaJulens Tod folgen die Fragen

27.01.2019, 16:59 Uhr
imageVon Marcel Grzanna, Málaga
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Für die Eltern des kleinen Julen (Mitte9 endet ein fast zweiwöchiges Martyrium. (Foto: imago/ZUMA Press)

Rund 2000 Menschen geben dem kleinen Julen das letzte Geleit. Vor genau zwei Wochen stürzt der Zweijährige in ein Bohrloch und wird nach einer aufwendigen Suchaktion nur tot geborgen. Viele Fragen bleiben - etwa, wer die Verantwortung für das Unglück trägt.

Es war ein trauriger Tag, den die Stadt Málaga am Sonntag erlebte. Während sich die Touristenscharen bei strahlendem Sonnenschein durch das historische Zentrum der Provinzhauptstadt drängelten, fand nur wenige Kilometer weiter, im Stadtteil El Palo, der zweijährige Julen seine letzte Ruhe. Vor 14 Tagen war das Kind am Ortsrand des nahe gelegenen Bergdörfchens Totalán in illegales Bohrloch gestürzt und erst in der Nacht zum Samstag tot geborgen worden. Seine letzte Ruhestätte befindet sich genau über der Mauergruft seines Bruders, der vor zwei Jahren gestorben war.

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Beisetzung des verunglückten Julen in Málaga. (Foto: imago/Agencia EFE)

Die Anteilnahme an dem Schicksal des Kindes und seiner Familie war so groß am Sonntagmittag, dass Beamte der Nationalpolizei und der Guardia Civil den Zugang zum städtischen Friedhof regulieren mussten. Rund 2000 Menschen, so schätzten die Beamten, waren gekommen, um die Familie zu unterstützen. Viele hatten Blumen dabei. Auch die Feuerwehrleute, die Vertreter des Zivilschutzes und des Psychologenteams, die entweder an der Bergung des Jungen oder der Betreuung der Eltern in den vergangenen zwei Wochen beteiligt waren, trauerten um Julen. Schon am Vortag hatte es vor dem Rathaus in Málaga eine öffentliche Gedenkfeier und Schweigeminute gegeben.

Das Resultat der Obduktion war noch am Samstag, zügig nach der Arbeit der Gerichtsmediziner, veröffentlicht worden. Die Beschaffenheit der Leiche ließ darauf schließen, dass Julen "im freien Fall", wie es hieß, 71 Meter in die Tiefe gestürzt war. Offenbar war das Loch bis zu dieser Tiefe bereits wieder aufgeschüttet. Dabei soll sich Gestein gelöst haben, das auf den Junge herabfiel und tödliche Kopfverletzungen verursachte. Julen fiel mit den Füßen voran in die Tiefe.

Suchaktion kostet fast eine Million

Für die Eltern war die Beisetzung der vorläufige Abschluss eines Martyriums, dem aber möglicherweise noch ein juristisches Nachspiel folgen wird. Mit dem Tod des Kindes rückt jetzt nämlich die Frage in den Mittelpunkt, wer für die Kosten des enormen Einsatzes verantwortlich zeichnen muss. 300 Helfer waren im Einsatz. Kräne, Bagger und Planierraupen waren zum Unglückshügel geschafft worden, ebenso zwei Hubschrauber.

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Beamte der Nationalpolizei und der Guardia Civil regulieren den Zugang zum städtischen Friedhof. (Foto: imago/CordonPress)

Über 80.000 Kubikmeter Erde, Sand und Gestein waren nach offiziellen Informationen auf dem Berg bewegt worden, eine Arbeit, die nach Angaben der Einsatzleiter unter anderen Bedingungen Wochen, wenn nicht sogar Monate in Anspruch genommen hätte. Zwar hatten die Bewohner des Dorfes vielen Helfern Übernachtungsmöglichkeiten in ihren Privathäusern eingerichtet und die Helfer zum Teil auch mit Essen versorgt. Dennoch werden die Kosten des Einsatzes auf etwa 800.000 Euro geschätzt.

Eine Anwaltskanzlei hat angekündigt, am diesem Montag beim Gericht Nummer 9 in Málaga einen Antrag einzureichen, der verhindern soll, dass die Spuren der Bergungsarbeiten umgehend beseitigt werden. Schon am Samstag war damit begonnen worden, dass schwere Gerät abzuziehen. Auch die Zelte für die Helfer am Berg waren schnell verschwunden. Die Juristen verlangen aber eine unabhängige Untersuchung durch die Guardia Civil.

Der Architekt Jesus Flores Vila aus Marbella hat mit acht Mitarbeitern im Auftrag dieser Kanzlei während der laufenden Bergung Daten und Fakten zusammengetragen, mit denen die Spezialisten vor Gericht beweisen wollen, dass der betriebene Aufwand ungerechtfertigt war. "Die Kosten sollten deshalb nicht komplett auf die Schuldigen abgewälzt werden, die den Unfall verursacht haben. Man darf sie nicht für die Inkompetenz der verantwortlichen Ingenieure zur Kasse bitten", sagte Vila.

Gericht müssen nun entscheiden

Kern der Kritik ist die Ernennung von Ingenieuren mit mangelnder praktischer Erfahrung, der Einsatz falscher Geräte und Fehlentscheidungen bei der Vorgehensweise. Wer für die Ausgaben im welchem Umfang in Regress genommen wird, müssen erst noch Gerichte klären. Die Eltern stehen in der Verantwortung, weil sie den Sturz des Jungen nicht verhindert hatten, ebenso wie der Besitzer des Grundstücks, auf dem das Loch entstanden ist, und auch die Firma, die ohne Genehmigung den 107 Meter tiefen Schacht in das Gelände gebohrt hat, wird sich Fragen gefallen lassen müssen. Der Unternehmer ist allerdings nicht der Einzige in Spanien, der ohne die entsprechenden Papiere solche Löcher hinterlässt.

Schätzungen von Umweltorganisationen belaufen sich auf mehr als einer Million illegaler Bohrungen nach Wasserquellen. Die Auftraggeber stammen meistens aus der Landwirtschaft und benötigen das Wasser für die Produktion von Oliven, Avocados, Mangos oder Rotfrüchten. Aber auch Investoren in den Tourismus sind auf der Suche nach Wasser, wenn die Behörden die nötigen Lizenzen für legale Bohrungen nicht ausstellen. Besonders das Feuchtgebiet Doñana, an der Atlantikküste im Norden Andalusiens.

Das Problem mit dem Entzug des Grundwassers im Land ist so groß, dass die Europäische Union Spanien in der vergangenen Woche vor dem EU-Gerichtshof verklagt hat. Laut europäischer Wasserrahmenrichtlinie müssen die Mitgliedsstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers ergreifen. Eine Aufgabe, die Spanien nicht konsequent genug verfolgt.

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