Sexuelle Übergriffe toleriert?#MeToo-Vorwürfe belasten SWR

Eine Mitarbeiterin des Südwestdeutschen Rundfunks wirft einer ehemaligen Führungskraft vor, sie sexuell belästigt zu haben. Statt den Mann zur Rechenschaft zu ziehen, soll das mutmaßliche Opfer intern benachteiligt worden sein. Der Sender bestreitet das.
Der Südwestdeutsche Rundfunk (SWR) muss sich derzeit mit einem 15 Jahre zurückliegenden Vorwurf sexueller Belästigung auseinandersetzen. Wie der "Spiegel" berichtete, soll eine Mitarbeiterin des Senders im Jahr 2006 von einer Führungskraft in ein Restaurant eingeladen worden sein, um über ihre Karriere zu sprechen. Vorher soll der Mann sie jedoch unter einem Vorwand in seine Wohnung gebeten, ihr seine Zunge in den Mund gesteckt und ihr an die Scheide gefasst haben. So steht es in einem Erlebnisbericht, der dem Magazin vorlag.
Die Mitarbeiterin habe sich gegen den mutmaßlichen Übergriff gewehrt, sei anschließend auf Drängen des Mannes jedoch mit ins Restaurant gegangen. Später am selben Abend soll die Führungskraft erneut versucht haben, sie zu küssen, und ihr an die Brust gegriffen haben. Im Anschluss habe sie mehrere Menschen angerufen und ihnen von den Übergriffen erzählt, zwei der Zeugen bestätigen die Anrufe. Der Mann, der heute nicht mehr für den SWR arbeitet, bestreitet die Vorwürfe.
Die Belästigungsvorwürfe wurden nicht vor Gericht gebracht, berühren jedoch zwei Arbeitsprozesse, die die Mitarbeiterin und ihr ehemaliger Lebenspartner, ein bekannter Regisseur, gegen die Rundfunkanstalt führen. Beide seien nach der Meldung des Übergriffs in dem Sender benachteiligt und in ihrer Karriere behindert worden. Unter anderem hätte man ihnen Posten und Aufträge in Aussicht gestellt, die später nicht realisiert wurden.
Dokumente, Indizien und Zeugenaussagen, die dem "Spiegel" vorliegen, legen nahe, dass der SWR den #MeToo-Fall nicht ausreichend aufgeklärt hat. Die Rundfunkanstalt bestreitet das. Man habe "mehrfach und nachweislich angeboten", die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden einzuschalten, habe aber erst durch die Anfrage des Magazins "konkrete Details" erfahren, die eine "dezidierte Konfrontation" des Beschuldigten ermöglichen würden.
Auch in einem jüngeren Fall hat der SWR offenbar eine mögliche sexuelle Belästigung im eigenen Haus unauffällig abgewickelt. Ein Produktionsleiter sei dafür bekannt gewesen, jungen Mitarbeiterinnen nachzusteigen. Erst nach einer externen Beschwerde verschwand der Mann 2017 aus seiner Redaktion. Der SWR will sich zu dem Fall "aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes" nicht äußern. Gleichzeitig versichert er, jeden angezeigten Fall "nach bestem Wissen und Gewissen" aufzuarbeiten und "interne Maßnahmen" einzuleiten.