Panorama

70 Jahre Guinness World Records Streit über Wildvögel zündete die Rekorde-Jagd

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Die Ausgabe 2025 des Guinness-Buchs verzeichnet erstmals über 53 000 Rekorde und präsentiert sich als multimediales Phänomen.

Die Ausgabe 2025 des Guinness-Buchs verzeichnet erstmals über 53 000 Rekorde und präsentiert sich als multimediales Phänomen.

(Foto: ADOBE FOTO STOCK)

Mit über 150 Millionen verkauften Exemplaren in 21 Sprachen ist das "Guinness-Buch der Rekorde" mittlerweile das meistverkaufte Jahrbuch der Welt - und hält damit selbst einen Rekord. Vor 70 Jahren erschien die erste Ausgabe. Was bei einer Vogeljagd seinen Anfang nahm, ist mittlerweile ein Millionen-Unternehmen.

Alles begann mit einigen verfehlten Schüssen im November 1951: Guinness-Geschäftsführer Hugh Beaver war mit einer Jagdgesellschaft in Irland unterwegs, doch sämtliche Goldregenpfeifer-Vögel entkamen. Die frustrierten Jäger diskutierten hitzig, ob sie es wohl mit dem schnellsten Wildvogel Europas zu tun hatten. In Nachschlagewerken fand sich darauf keine Antwort. Beaver erkannte das Potenzial: Ähnliche Diskussionen mussten sich allabendlich auch in den über 80.000 Pubs in Großbritannien und Irland abspielen. Die Idee für das Buch der Rekorde war geboren.

Die Idee reifte heran und wurde schließlich 1954 vom Aufsichtsrat der Brauerei als Werbemaßnahme abgesegnet. Den Zuschlag zur Umsetzung bekamen Norris und Ross McWhirter, Inhaber einer Londoner Agentur. Nach mehr als dreizehn Arbeitswochen erblickte am 27. August 1955 die erste, 198 Seiten umfassende Ausgabe des "Guinness Book of Records" das schummrige Licht der Kneipen im Königreich. Und der Erfolg übertraf alle Erwartungen - noch vor Weihnachten 1955 eroberte das Buch die Spitze der britischen Bestsellerliste. Was als Marketing-Gag begann, entwickelte sich zu einem kulturellen Phänomen.

Rekord muss "von öffentlichem Interesse" sein

Heute umfasst die Datenbank von Guinness World Records über 53.000 aktuelle Rekorde - ein gewaltiger Sprung von den ursprünglich 4.000 Einträgen im Jahr 1955. Die Bandbreite ist schier unendlich: von wissenschaftlichen Phänomenen und sportlichen Höchstleistungen über skurrile Gruppenrekorde bis hin zu imposanten Bauwerken und Kuriositäten aus der Popkultur. Über 50.000 Bewerber stellen sich Jahr für Jahr der Herausforderung. Dabei gilt: Ein Rekord muss messbar, vergleichbar - und "von öffentlichem Interesse" sein.

Eine Folge des Erfolges: Immer mehr Menschen gehen auf Rekordjagd. Was in den ersten Jahren noch harmlose Kuriositäten waren, steigerte sich über die Jahrzehnte zu immer spektakuläreren und teils gefährlichen Aktionen. Der Fantasie waren keine Grenzen mehr gesetzt - Hauptsache Rekord.

So stellte Ashrita Furman 1979 seinen ersten Rekord mit 27.000 Hampelmännern auf - der Beginn einer bis heute andauernden Rekordserie von "Mr. Versatility", der bislang über 600 Guinness-Weltrekorde sammelte. 1986 endete das "Balloonfest" in Cleveland mit 1,4 Millionen gleichzeitig gestarteten Luftballons allerdings tragisch: Zwei Menschen starben, als die zurückkehrenden Ballons eine Rettungsaktion der Küstenwache behinderten. Auch im TV wurden fleißig Rekorde geknackt: 2009 kletterte der damals 12-jährige Maiko Kiesewetter bei "Wetten, dass...?" spektakulär an selbst geworfenen Dartpfeilen fünf Meter hoch.

Nicht wenige Rekorde waren allerdings haarige Angelegenheiten: 2012 formten Friseure in Austin einen 91 Kilogramm schweren Ball aus Hundehaaren von 8.126 gebürsteten Tieren. Und Graham Barker sammelte über 26 Jahre hinweg akribisch 22,1 Gramm Bauchnabelfusseln in vier Glasdosen. Und die Faszination für Superlative kennt nach wie vor keine Grenzen. Ende August will bei der Guinnes-Show auf SAT.1 Sina Ruppenthal zehn Männer in unter 39,5 Sekunden hochheben und werfen, während Thomas Weigel Baumarten durch Lecken der Rinde bestimmen möchte.

Neue Geschäftsstrategie setzt auf maßgeschneiderte Rekordkampagnen

Doch wo Ruhm lockt, lauern auch Gefahren. Immer wieder mussten Kategorien gestrichen werden. Sogar der harmlos klingende "längste Kuss" wurde 2013 abgeschafft, nachdem Teilnehmer aufgrund von Schlafentzug hospitalisiert werden mussten. Rekorde im unterirdischen Verweilen oder beim Verzehr ungenießbarer Gegenstände wurden aus Sicherheitsgründen ebenfalls verbannt.

Dem Erfolg haben solche Negativ-Meldungen keinen Abbruch getan. So hat sich das Guinness-Buch längst vom reinen Buchverlag zu einem digitalen Medienkonzern gewandelt. Mit TV-Programmen erreicht die Organisation über 750 Millionen Zuschauer jährlich. Der YouTube-Kanal verzeichnet laut Angaben des Verlages über 481 Millionen Aufrufe pro Jahr, auf Facebook folgen 29 Millionen Menschen, auf TikTok weitere 18,3 Millionen.

Seit 2008 gehört das Unternehmen der Jim Pattison Group, die auch "Ripley's Believe It or Not!" besitzt. Mit einer neuen Geschäftsstrategie setzt man dort jetzt verstärkt auf maßgeschneiderte Rekordkampagnen für Unternehmen und Staaten, die bis zu einer halben Million Euro kosten können. Von den Millionen Fans wird diese Entwicklung kritisch beäugt - sie sehen die Echtheit der Rekorde gefährdet.

Quelle: ntv.de, ija

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