"Viel Scheiße auf dem Tisch""Tagesspiegel" äußert sich zu Belästigung

Bei der Berliner Tageszeitung "Tagesspiegel" kommen immer mehr Details zu einem internen Belästigungsfall ans Licht. Mehrere Jahre soll ein Reporter Kolleginnen sexuell belästigt haben. Eine Mitarbeiterin äußert sich nun zu den Vorwürfen - und findet klare Worte.
Beim Berliner "Tagesspiegel" soll ein Reporter mehrere Kolleginnen sexuell belästigt haben. Nach Recherchen des Nachrichtenportal "Buzzfeed" sei das "grenzüberschreitende Verhalten" des Mannes im Haus bekannt gewesen. Der "Tagesspiegel" hatte sich daraufhin selbst zu den Vorwürfen geäußert und den Kollegen mit sofortiger Wirkung freigestellt. "Wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst", heißt es in einer Stellungnahme der Berliner Tageszeitung.
In dem "Tagesspiegel"-Newsletter "Checkpoint" wendet sich nun eine Kollegin direkt an die Leser: "Man kann das jetzt alles so stehen lassen. Man kann als junge Frau, die seit 2,5 Jahren im Haus arbeitet, aber auch was dazu sagen. Und das mache ich an dieser Stelle", beginnt die ehemalige Volontärin Ann-Katrin Hipp den Newsletter. Manche Dinge, die "Buzzfeed" recherchiert hatte, seien unter den Frauen bereits bekannt gewesen, manche habe sie erst durch den Artikel erfahren und bei einigen wurde ihr "kotzübel".
Schaute die Chefredaktion weg?
In den vergangenen Tagen sei viel geredet worden - zum Teil unter den Frauen der Redaktion, zum Teil mit Chefredakteur Lorenz Maroldt. "Verdammt viel Scheiße ist da auf dem Tisch gelandet", schreibt Hipp weiter. Das sei schockierend und schlimm, aber auch verdammt gut. "Weil jetzt müssen wir uns durch die Scheiße wühlen". Eine Kollegin von ihr soll gesagt haben: "In Zeiten von MeToo haben wir überall Probleme aufgedeckt und recherchiert, was schiefläuft - nur nicht bei uns selbst."
Richtig und wichtig sei deshalb, schreibt Hipp, dass das jetzt nachgeholt werde. #MeToo sei keine Geschichte der Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sondern jetzt auch eine "Tagesspiegel"-Geschichte. Die Geschichte werde überall dort geschrieben, wo "Frauen in irgendeiner Weise belästigt, benachteiligt oder schlecht behandelt werden", schreibt die Journalistin weiter. All das müsse man aufarbeiten und jetzt Lösungen finden.
Chefredakteur Maroldt erklärte gegenüber "Buzzfeed", dass er erst durch die Recherche von den Vorwürfen erfahren habe. Der betreffende Journalist ist inzwischen freigestellt. Auch eine Ombudsfrau wurde bereits eingeschaltet.