Epidemiologe im ntv-InterviewUlrichs: Impfpflicht auch später noch sinnvoll

Die Omikron-Welle ist da und die Schulen öffnen wieder. Epidemiologe Ulrichs rät da zu besonderer Vorsicht. Eine Impfpflicht kann in der akuten Situation nicht mehr helfen, sagt er bei ntv. Dennoch ist er dafür, sie in denen kommenden Monaten umzusetzen.
Die Omikron-Welle ist da und die Schulen öffnen wieder. Epidemiologe Timo Ulrichs rät da zu besonderer Vorsicht. Eine Impfpflicht kann in der akuten Situation nicht mehr helfen, sagt er bei ntv. Dennoch ist er dafür, sie in denen kommenden Monaten umzusetzen.
ntv: In acht Bundesländern startet heute wieder die Schule. Was erwarten Sie mit Blick auf Omikron?
Timo Ulrichs: Schule bedeutet ja, dass sich die Kinder und Jugendlichen wieder in ihren gewohnten Umgebungen bewegen. Wenn das Hygiene-Konzept der Schulen gut greift, könnte das dazu führen, dass es schon nicht zu einer so starken weiteren Ausbreitung kommt. Allerdings sind es jetzt wieder neue Kontakte, wenn die Weihnachtsferien zu Ende gehen. Deswegen muss man da natürlich besonders vorsichtig sein. Aber das ist natürlich kein Argument dafür, die Schulen länger geschlossen zu halten oder gar wieder zu Homeschooling überzugehen.
Einige Bundesländer haben eine erweiterte Masken- und Testpflicht angeordnet. Reicht das denn aus, um die Schüler zu schützen?
Das ist ein Teil der jeweiligen Hygiene-Konzepte der Schulen, das ist nicht schlecht. Die Summe aller Maßnahmen ist dann zielführend.
Müssen sich Eltern und Schüler generell darauf einstellen, dass die Schulen wieder geschlossen werden?
In den Schulen kann schon eine Situation entstehen, wo man Angst haben kann, dass die Omikron-Variante sich verbreiten könnte. Korrekter muss man sagen: Es gibt die Gefahr, dass Omikron in die Schulen einbricht. Wenn wir da sehr vorsichtig sind, gerade bei den Erwachsenen, kann man das sicherlich mit den bestehenden Maßnahmen ganz gut abwenden, sodass die Schulen offen bleiben können - auch die gesamte Welle hindurch.
Wirken die Schnelltests bei der Omikron-Variante gut genug?
Das ist in der Tat eine ganz große Frage. Da gibt es ja nicht nur für die Omikron-Variante Unsicherheiten. Es sind sehr viele käuflich zu erwerbende Testungen auf dem Markt und da können das Paul-Ehrlich-Institut und andere nur ganz eingeschränkt sagen, wie es denn wirklich damit bestellt ist. Deswegen ist der Vorschlag von Herrn Lauterbach sehr gut, dass man nochmal ganz genau nachguckt, wie die Tests sind, gerade auch gegen die Omikron-Variante, und dann möglichst schnell eine Positivliste erstellt, sodass dann die anderen so langsam vom Markt verschwinden.
Bund und Länder haben sich auf eine verkürzte Quarantänezeit geeinigt, auch für Schüler und Lehrer. Ist das Ihrer Meinung nach ratsam?
Ich bin da ein bisschen skeptisch, aber es ist ja so beschlossen worden. Jetzt sind wir zwar im steilen Anstieg, aber immer noch am Anfang. Da hätte man die klassische Quarantänezeit beibehalten können und dann erst umstellen, wenn die Personalnot um sich greift. Das könnte man ja auch kurzfristiger machen. Aber sinnvoll ist es natürlich schon, weil wir auf diese Weise sicherer Schulen und andere Strukturen offenhalten können.
Finden Sie eine generelle Impfpflicht sinnvoll?
Ja, nach wie vor. Auch wenn sie jetzt etwas später kommen sollte, ist das immer noch rechtzeitig, dass wir so langsam im Jahr 2022 aus der pandemischen Phase in die endemische eintreten können. Das komplette Durchimpfen der Bevölkerung und das Generieren einer Grundimmunität ist nach wie vor sinnvoll. Die Omikron-Welle wird jetzt über uns drübergehen und jeder, der sich impfen lässt, trägt dazu bei, dass diese Welle nicht allzu schlimm verläuft. Danach ist es aber noch nicht vorbei. Dann werden die Zahlen heruntergehen. Im Frühling und Sommer wird sich das Ganze sehr entspannen und wenn wir nicht wieder die ganze Sache haben wollen wie in diesem Herbst und Winter, ist es sinnvoll, dass wir mit dem Impfen aus der Pandemie herauskommen. Dann ist das Virus zwar nicht weg, aber es ist in Deutschland nicht mehr zu befürchten, dass wir hier in so eine schlimme Lage kommen, dass die Kapazitäten ausgeschöpft werden. Das muss ja nicht sein und das kriegen wir mit einer Impfpflicht ganz gut hin.
Was halten Sie von einer Impfpflicht ab 50 Jahren?
Das wäre schon ein Kompromiss, nämlich dass wir dann damit die Risikogruppe der Älteren sicherer machen. Es ist aber nicht zielführend für die Beendigung der Pandemie. Dafür bräuchten wir schon eine Impfung sämtlicher Altersgruppen, um die besagte Grundimmunität in die Bevölkerung zu bekommen.
Auf welche Maßnahmen könnte man noch zurückgreifen?
Es gibt ja schon einige Maßnahmen, die in Richtung Lockdown gehen. Einzelne Bereiche sind ja schon geschlossen - Diskotheken und Clubs etwa. Andere Bereiche könnten da noch folgen, einfach um die Kontakte zu reduzieren. Und das geht am ehesten, wenn diese Möglichkeiten zeitweise nicht bestehen, um diese Welle über uns abzuwettern. Das heißt, dass wir mit möglichst wenigen Kollateralschäden durchkommen. Da gibt es noch eine ganze Menge, wo man bestimmte Bereiche noch herunterfahren könnte - und nach der Welle dann schnell wieder hoch.
Mit Timo Ulrichs sprach Tamara Bilić