Tausende warten an der Grenze Afghanen verlassen Pakistan aus Angst vor Massenabschiebung
01.11.2023, 11:34 Uhr Artikel anhören
50 Lastwagen voller Menschen warteten nach Angaben eines Grenzbeamten in Torkham.
(Foto: dpa)
In Pakistan leben rund 1,7 Millionen geflüchtete Afghanen. Aus Angst vor islamistischen Anschlägen droht die Regierung in Islamabad mit Massenabschiebung und setzt ein Ultimatum für die freiwillige Ausreise. Dabei droht vielen Flüchtlingen in Afghanistan Verfolgung durch die Taliban.
Unter dem Druck einer angedrohten Massenabschiebung haben Tausende afghanische Flüchtlinge Pakistan in Richtung ihrer Heimat verlassen. "Mehr als 10.000 Afghanen haben gestern die Grenze überquert und wir erwarten, dass weitere 25.000 heute folgen werden", sagte ein Vertreter der pakistanischen Flüchtlingsbehörde.
50 Lastwagen voller Menschen warteten nach Angaben eines Grenzbeamten in Torkham, wo sich einer der wichtigsten Grenzübergänge zwischen den beiden Ländern befindet, um die Grenze zu passieren. An gewöhnlichen Tagen passieren Behördenangaben zufolge bis zu 5000 Menschen den Grenzübergang in Torkham, allerdings in beide Richtungen.
Die in Afghanistan regierenden Taliban forderten angesichts der geplanten Massenabschiebungen mehr Zeit für die Ausreise Geflüchteter: "Wir fordern Sie erneut auf, Afghanen nicht ohne Vorbereitung zwangsweise abzuschieben, sondern ihnen genügend Zeit zu geben", hieß es in einer von der autoritären Taliban-Regierung veröffentlichten Erklärung.
Die pakistanische Regierung hatte vor 28 Tagen angekündigt, Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus abzuschieben, wenn sie nicht bis Ende Oktober freiwillig das Land verlassen haben. Die Maßnahme zielt offensichtlich auf Menschen aus dem von den islamistischen Taliban beherrschten Nachbarland Afghanistan ab, die in Pakistan den größten Anteil irregulärer Migranten ausmachen. Nach Regierungsangaben leben etwa 4,4 Millionen afghanische Geflüchtete im Land, 1,7 Millionen davon ohne gültige Papiere. Seit Beginn der Ankündigung haben nach Angaben von Behörden mehr als 100.000 Afghanen bereits das Land verlassen.
Druck auf Taliban-Regierung wächst
Die pakistanische Regierung begründet das Vorgehen damit, dass mehr als die Hälfte der 28 Selbstmordattentate in diesem Jahr von Afghanen verübt worden seien. Der Druck auf die Taliban-Regierung mündete bereits darin, dass Kabul seinen Kämpfern per Dekret verbietet, sich an Angriffen in Pakistan zu beteiligen.
"Wir haben angefangen, illegale Migranten zu verhaften", sagte ein Polizeisprecher aus Karachi im Süden Pakistans. In verschiedenen Teilen des Landes wurden Abschiebezentren eingerichtet, wo Flüchtlinge ohne Aufenthaltsgenehmigung vor der Abschiebung untergebracht werden sollen, wie Innenminister Sarfraz Bugti zum Ablauf der Frist sagte.
In Pakistan gibt es keine Asylgesetze. Viele der dorthin geflohenen Afghanen sind Angehörige der von den Taliban gestürzten Regierung und der früheren Streitkräfte. Bei einer Rückkehr müssten sie Verfolgung durch die Terrorgruppe fürchten.
Human Rights Watch hatte am Dienstag den Umgang der Behörden mit afghanischen Geflüchteten ohne Aufenthaltsstatus kritisiert. Diese würden durch Drohungen, Missbrauch und Verhaftungen dazu gedrängt, nach Afghanistan zurückzukehren. Die Menschenrechtsorganisation wies darauf hin, dass von diesem Mittwoch an nun auch Afghanen die Abschiebung droht, die in Pakistan auf eine Weiterreise in die USA, Großbritannien, Deutschland oder Kanada warteten. Großbritannien hatte vor Ablauf der Frist nach pakistanischen Behördenangaben Afghanen mit Aufnahmezusage aus dem Land ausgeflogen.
Quelle: ntv.de, mba/dpa