Autopsie behauptet "Krankheit" Amini soll nicht an Schlägen gestorben sein
07.10.2022, 14:27 Uhr
Mahsa Amini wurde von der Sittenpolizei festgenommen: Auf der Polizeiwache brach sie zusammen, bevor sie drei Tage später starb.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Der Iran weist eine Mitschuld an dem Tod von Mahsa Amini von Anfang an von sich. Nun veröffentlicht das Mullah-Regime die Ergebnisse der Gerichtsmedizin: Gewalt soll keine Rolle gespielt haben, Amini sei krank gewesen. Die Familie bezweifelt die staatliche Version und verweist auf Verletzungen.
Der Iran hat das Ergebnis einer offiziellen medizinischen Untersuchung zur Todesursache der Kurdin Mahsa Amini veröffentlicht: Demnach soll die 22-Jährige infolge einer Krankheit und nicht an den Folgen von Schlägen gestorben sein. Das meldete das iranische Staatsfernsehen mit Verweis auf den Bericht der rechtsmedizinischen Organisation des Iran (IMO). Die Autopsie und pathologische Untersuchungen hätten ergeben, dass Aminis Tod nicht infolge von Schlägen gegen den Kopf und lebenswichtige Organe eingetreten sei. Vielmehr hänge er mit einem chirurgischen Eingriff zusammen, der bei ihr im Alter von acht Jahren wegen eines Hirntumors vorgenommen worden sei.
Der Vater der jungen Frau hatte zuvor mehrfach öffentlich erklärt, seine Tochter habe Prellungen an den Beinen erlitten. Er machte die Polizei für ihren Tod verantwortlich. Sie sei zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung völlig gesund gewesen. Die angebliche Krankheit sei eine Lüge.
Europaparlament spricht von "Mord"
Die junge Kurdin war am 16. September gestorben, nachdem sie drei Tage zuvor in Teheran von der Sittenpolizei wegen des Vorwurfs festgenommen wurde, ihr Kopftuch nicht den Vorschriften entsprechend getragen zu haben. Ihr Tod löste eine Welle des Protests gegen die Unterdrückung von Frauen im Iran aus. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden beim gewaltsamen Vorgehen der Behörden gegen die Demonstranten seither rund 90 Menschen im Iran getötet.
Das Europaparlament hatte zuvor die iranischen Sicherheitskräfte für den Tod Aminis verantwortlich gemacht und Strafen für die "Mörder" der 22-Jährigen gefordert. Das Parlament spricht von Misshandlung während der Haft. Im Resolutionsentwurf hieß es, Augenzeugen hätten gesehen, wie Amini von der Polizei geschlagen worden sei. Auch Sicherheitskräfte, die an Gewalt gegen Demonstrationen beteiligt gewesen seien, sollten bestraft werden. Die Abgeordneten forderten zudem, eine unparteiische Untersuchung des Todes von Amini und der Vorwürfe von Folter und Misshandlung durch eine unabhängige Stelle zuzulassen.
Auch andere junge Frauen mutmaßlich erschlagen
Die 22-Jährige ist inzwischen zur Leitfigur der Protestbewegung im Iran geworden. Unter den toten Demonstranten sind weitere junge Frauen, bei denen das Regime ebenfalls einen Zusammenhang zwischen ihren Verletzungen und den Übergriffen der Sicherheitskräfte leugnet. So starb die 16-jährige Youtuberin Sarina Esmailzadeh nach Angaben von Amnesty International, nachdem Sicherheitskräfte ihr mit Schlagstöcken auf den Kopf geschlagen hatten. Ihr Tod wurde erst gemeldet, als die Behörden die Leiche freigaben. Zuvor hatte ihre Familie zehn Tage lang nach ihr gesucht.
Auch die 17-jährige Nika Shakarami war während einer Protestkundgebung in der Hauptstadt Teheran am 20. September plötzlich verschwunden. Sie wurde seitdem von ihrer Familie vermisst. Kurz vor ihrem Tod soll sie noch mit einem Freund telefoniert haben. Sie sagte, sie sei "auf der Flucht vor den Sicherheitsbeamten", meldete BBC Farsi mit Verweis auf ihre Familie. Als das Mädchen in einer Leichenhalle identifiziert wurde, hatte sie einen Schädelbruch und eine zertrümmerte Nase. Als offizielle Todesursache wurde laut BBC Farsi ein Sturz aus großer Höhe angegeben. Die Angehörigen glaubten auch hier die offizielle Version nicht.
Hinweis der Redaktion: Die ursprüngliche Version des Artikels haben wir nach kritischen Rückfragen unserer Leser zur Fragwürdigkeit der offiziellen iranischen Version ergänzt.
Quelle: ntv.de, vmi/mau/AFP