Politik

Großbritanniens Premier in Nöten Auf Cameron warten Tretminen

David Cameron muss seine schottischen Parteifreunde aufmuntern. Kein Wunder, denn sie sind im nördlichen Landesteil schwach.

David Cameron muss seine schottischen Parteifreunde aufmuntern. Kein Wunder, denn sie sind im nördlichen Landesteil schwach.

(Foto: imago/i Images)

Nervosität in Number 10 Downing Street: Der britische Premierminister David Cameron schlägt sich mit schlechten Umfragewerten herum. Bei der Europawahl droht seinen Konservativen ein Desaster. Wenige Monate später stimmen die Schotten über die Unabhängigkeit ab.

Die Rivalität zwischen Großbritannien und Deutschland ist legendär. Damit sind nicht nur die beiden Weltkriege gemeint, bei denen die Briten auf der Sieger- und die Deutschen auf der Verliererseite standen. Fußballspiele werden im Vorfeld von der gnadenlosen Inselpresse zu Schlachten hochstilisiert. Insgesamt sind die "Krauts" in den Augen vieler Briten mit zahlreichen Fehlern behaftet.

Angela Merkel spricht in London Klartext.

Angela Merkel spricht in London Klartext.

(Foto: picture alliance / dpa)

Da verwundert es schon, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel einer Umfrage des Londoner Instituts YouGov zufolge im Vereinigten Königreich ein höheres Ansehen genießt als der eigene Premierminister: 41 Prozent der befragten Briten sind der Meinung, dass die Deutsche die bessere Politikerin sei. Ihr Londoner Amtskollege David Cameron kommt gerade einmal auf schlappe 10 Prozent. Kürzlich wurde Merkel in Westminster sogar ein roter Teppich ausgelegt. Aber aller Höflichkeit zum Trotz: Die Dame aus Berlin lässt Cameron - freundlich, aber bestimmt - abblitzen und erteilt einer grundlegenden Reform der EU-Verträge eine Absage. Der Premier, der europapolitisch in arger Bedrängnis ist, steht wie ein begossener Pudel da. Merkels Botschaft "war so unbiegsam wie eine rissige Lederhose", ätzt die "Daily Mail".

Tories mit schlechten Umfragewerten

Dabei hätte der konservative Premier internationale Unterstützung dringend nötig. Zwar zeigt auf der Insel der Konjunkturpfeil nach oben - im vergangenen Jahr wuchs die britische Wirtschaft mit 1,9 Prozent so kräftig wie seit sechs Jahren nicht mehr. Camerons konservativ-liberale Koalitionsregierung profitiert aber davon nicht. Würde jetzt gewählt, dann würden Camerons Tories auf knapp über 30 und die Liberaldemokraten auf gerade einmal 8 Prozent kommen, die oppositionelle Labour Party weist 36 bis 39 Prozent auf. Im Vergleich zu den Unterhauswahlen 2010 bedeutete dies für beide Regierungsparteien zusammen ein Minus von 19 Prozentpunkten - ein Desaster. Das neue Parlament wird 2015 gewählt.

Nigel Farage macht den Konservativen Wähler abspenstig.

Nigel Farage macht den Konservativen Wähler abspenstig.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Großbritannien gibt es viele offene Baustelle n. Zahlreiche politische Tretminen, auf die der Premier tapsen könnte, liegen bereit. Da wäre das Verhältnis Großbritanniens zur Europäischen Union - ein Dauerbrenner. Cameron bereitet die Europawahl Ende Mai große Bauchschmerzen, denn die EU-skeptische United Kingdom Independence Party (Ukip) von Nigel Farage fischt im konservativen Teich. Läuft es für Cameron ganz schlecht, dann kommen die Tories hinter Ukip und Labour nur auf den dritten Platz. Enteilt die Ukip, verringert sich für die Regierung der europapolitische Spielraum rapide, zumal der rechte Flügel in der eigenen Partei Cameron das Leben zusätzlich schwer macht. Der Premier ist in der Zwickmühle: Er will zwar bei dem für 2017 geplanten Referendum für einen Verbleib Großbritanniens in der EU werben, allerdings stellt er dafür Forderungen: strengere Einwanderungsregelungen, größere Zurückhaltung am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Abkehr von Ziel "mehr Europa" und, und, und. Merkel hat es bereits deutlich gemacht: Cameron hat bei der Durchsetzung der Forderungen nicht die besten Karten. So droht ihm bei jeder Unterhaus-Abstimmung zu europäischen Fragen eine Revolte der eigenen Leute. Bei einer anderen Gelegenheit, bei der es um eine Beteiligung am Militäreinsatz gegen das syrische Regime ging, haben sie ihrem Premier bereits die Zähne gezeigt.

Will die Unabhängigkeit Schottlands: Alex Salmond.

Will die Unabhängigkeit Schottlands: Alex Salmond.

(Foto: REUTERS)

Aber nicht nur der Rechtspopulist Farage und die Tory -Rechten bereiten Cameron schlaflose Nächte. Ein weiterer Mann macht ihm das Leben schwer: Alex Salmond. Der schottische Ministerpräsident nimmt Anlauf auf die Unabhängigkeit seines Landesteils von Großbritannien. Trotz aller Bemühungen konnte Cameron das Referendum, das am 14. September stattfindet, nicht verhindern. Ein Lichtblick für die Londoner Regierung: Bei den Schotten gibt es für die Loslösung vom Vereinigten Königreich derzeit keine Mehrheit. Cameron - er ist in dieser Frage der Mann der leiseren Töne - zieht in dieser Frage auch alle politischen Register. Der Premier bereist den nördlichen Landesteil, lässt in Schottland Kabinettssitzungen abhalten. Die Rolle des "Bad Boys" schanzt Cameron seinem Schatzkanzler George Osborne zu, der dem aufmüpfigen Salmond mit gravierenden Konsequenzen droht. Osbornes wichtigste Waffe: das Pfund. Schottland müsste sich im Fall seiner Unabhängigkeit von der britischen Währung verabschieden, so der Herr der Londoner Kassen. Hilfe bekommen Cameron und Osborne ausgerechnet von der EU-Kommission. Deren Chef José Manuel Barroso macht den Schotten wenig Hoffnung auf einen Verbleib in der Union, sollten sie sich von Großbritannien abspalten.

Hätscheln der Finanzwirtschaft

Cameron hat neben Europa und Schottland eine weitere Großbaustelle: den britischen Haushalt. Kurz nach der Unterhauswahl ist sein Kabinett gezwungen, ein rigides Sparprogramm mit einem Volumen von mehr als 80 Milliarden Pfund für vier Jahre aufzulegen. Ein Programm, das sogar Camerons politisches Vorbild Margaret Thatcher in den Schatten stellt. Schatzkanzler Osborne streicht die Etats vieler Ministerien zusammen, auch der soziale Bereich muss leiden. Großbritannien entrichtet seinen Tribut an die Finanzkrise. Zudem benötigt die Regierung Geld für Konjunkturprogramme, die - die Daten verdeutlichen es - zum Konjunkturaufschwung beitragen. Die Sparschritte sind auch aus einem anderen Grund dringend notwendig. 1,5 Billionen Pfund beträgt 2013 die britische Staatsverschuldung, das entspricht 88,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zehn Jahren zuvor hatte die Verschuldung noch 440 Milliarden Pfund (38,7 Prozent) betragen. Der britische Steuerzahler blutet seit Jahren für die Bankenrettung und wird dies auch im Wahljahr 2015 tun. Osborne spricht von 25 Milliarden Pfund. Seinen Angaben zufolge ist es wahrscheinlich, dass die Sozialausgaben am stärksten betroffen sein werden.

Ehrliche Worte bereits Monate vor der Unterhauswahl. Aber die soziale Unausgewogenheit beim Sparen ist es, die der Cameron-Regierung, die nach wie vor die Finanzwirtschaft hätschelt und die Londoner City vor festländischen Regulierungsforderungen schützt, auf die Füße fällt. Der britische Wähler straft dabei vor allem den liberaldemokratischen Koalitionspartner von Vizepremier Nick Clegg ab, der im Wahlkampf 2010 noch zahlreiche Wohltaten versprochen hatte. Nach derzeitigem Stand verschwinden die europafreundlichen Gelben in der parlamentarischen Versenkung.

So muss Cameron auf einen Meinungsumschwung der Briten hoffen. Ein persönliches Erfolgserlebnis kann er aber für sich verbuchen: Nach langer Zeit hat die Queen mal wieder den Chequers, den Landsitz des britischen Premierministers, besucht. Bislang wurde diese Ehre nur den Konservativen Edward Heath 1970 und John Major 1996 zuteil. Allerdings nutzt die Visite der Dauer-Königin Cameron politisch wenig, denn Elizabeth II. hält am Prinzip der politischen Neutralität fest und geht nicht wählen.

Quelle: ntv.de

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