Politik

Ein Offizier und Gentleman Benny Gantz hat eine historische Chance

"Nicht perfekt, aber eine erträgliche Alternative zu Netanjahu": Benny Gantz.

"Nicht perfekt, aber eine erträgliche Alternative zu Netanjahu": Benny Gantz.

(Foto: REUTERS)

Nach einem Jahrzehnt konservativer Politik unter Premier Netanjahu sehnt sich die israelische Opposition nach einem Wandel. In Ex-General Benny Gantz glaubt sie ihren Retter gefunden zu haben.

Seitdem der ehemalige israelische Generalstabschef Benny Gantz vor einigen Monaten die politische Bühne betrat, ist er zum Heilsbringer für die Opposition des jüdischen Staates geworden. Er soll nicht nur den seit einem Jahrzehnt regierenden Premierminister Benjamin Netanjahu stürzen, sondern auch den festgefahrenen Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wiederbeleben.

Der "Offizier und Gentleman", wie ihn der Regierungschef immer nannte, hatte die israelischen Streitkräfte (IDF) bereits vor vier Jahren verlassen. Mehrfach deutete er seither an, seine Zukunft in der Politik suchen zu wollen. Experten rechnen ihm durchaus Chancen aus, den Premier bei den Parlamentswahlen am 9. April zu beerben.

Gantz und Lapid (r.) haben vereinbart, die Macht nach einem Wahlsieg zu teilen: In den ersten zweieinhalb Jahren soll zunächst Gantz als Regierungschef und Lapid als Außenminister fungieren. Danach würden sie die Stühle für die restlichen 18 Monate bis zur nächsten Wahl tauschen.

Gantz und Lapid (r.) haben vereinbart, die Macht nach einem Wahlsieg zu teilen: In den ersten zweieinhalb Jahren soll zunächst Gantz als Regierungschef und Lapid als Außenminister fungieren. Danach würden sie die Stühle für die restlichen 18 Monate bis zur nächsten Wahl tauschen.

(Foto: imago/UPI Photo)

Durch den Zusammenschluss mit einem weiteren Rivalen Netanjahus ist diese Aussicht noch ein bisschen wahrscheinlicher geworden. Der jüngsten Umfrage zufolge könnte das neu formierte blau-weiße Bündnis - bestehend aus den Parteien "Widerstandskraft für Israel" unter Gantz' Führung und "Es gibt eine Zukunft" des Fernsehjournalisten Yair Lapid - Netanjahus Likud mit 35 zu 29 Sitzen in der Knesset überholen. Eine Mehrheit ist das freilich noch nicht, die liegt im israelischen Parlament bei 61 Sitzen. Um das Bündnis zu stärken, haben Lapid und Gantz weitere bekannte Größen aus Politik, Medien und Militär an ihre Seite geholt, darunter zwei ehemalige Stabschefs der IDF.

Die Antwort Netanjahus ließ nicht lange auf sich warten. "Diese Wahl werden entweder die Linken, angeführt von Lapid und Gantz, mit Unterstützung der arabischen Parteien gewinnen. Oder es gibt wieder eine rechts-konservative Regierung mit mir an der Spitze."

Solche Parolen ziehen möglicherweise nicht mehr. "Viele aus dem rechten Lager laufen derzeit zu Gantz über, weil sie mit der Führung des Premiers unzufrieden sind", sagte der frühere israelische Justizminister Jossi Beilin kürzlich der Zeitung "Haaretz". Beilin gehört zum linken Lager und gilt als Architekt des 1993 mit den Palästinensern geschlossenen Osloer Friedensabkommens. "Gantz ist eine Art schwarze Taube", so Beilin weiter. "Nicht perfekt, aber eine erträgliche Alternative zu Netanjahu. Vieles, was er sagt, ist aus meiner Sicht in Ordnung."

"Israel zuerst"

Der Ex-General, den Netanjahu einen "Linken" nennt, startete seinen Wahlkampf mit dem Slogan "Israel zuerst". Nicht nur darin erinnert er den Politologen Reuven Hazan von der Hebräischen Universität in Jerusalem an US-Präsident Donald Trump. "Auch Gantz war bis vor kurzem nicht politisch aktiv und tauchte ähnlich wie Trump außerhalb des politischen Systems auf, um an die Macht zu kommen." Ein vollständiges Parteiprogramm hat das blau-weiße Bündnis noch nicht, doch Gantz erklärte vorab, dass Israel "nicht über ein anderes Volk herrschen" sollte. Auch das umstrittene Nationalstaatsgesetz will er korrigieren.

"Ein Großteil der Wählerschaft im jüdischen Staat besteht heute hauptsächlich aus einem rechtskonservativen Flügel, der den Status quo erhalten und das besetzte Land annektieren will", sagt Hazan. "Doch es gibt auch eine breite Mitte in der Gesellschaft, die einen Wechsel in der israelischen Politik herbeisehnt und vor allem den Friedensprozess mit den Palästinensern wiederbeleben möchte. Aber auch linke Parteien wissen inzwischen, dass man allein mit Themen wie der Zweistaatenlösung keinen Wahlkampf in Israel gewinnt."

Auch wenn die politische Bühne für den größten Rivalen Netanjahus noch Neuland ist, so ist er für die Öffentlichkeit kein Unbekannter. Der 1959 geborene Gantz ist Sohn einer ungarischen Jüdin, die den Holocaust im Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebte. Mit 18 meldete er sich freiwillig bei den Fallschirmjägern der IDF und nahm an vielen verdeckten Operationen hinter feindlichen Linien teil. Er war auch verantwortlich für die "Operation Salomon", bei der 14.000 äthiopische Juden in kürzester Zeit von Addis Abeba nach Israel gebracht wurden. Mit 41 Jahren wurde Gantz der jüngste Offizier im israelischen Generalstab. Ein paar Jahre später ging er als Militärattaché in die USA, bevor er zum Generalstabschef aufstieg und die israelischen Streitkräfte während der letzten zwei Gaza-Kriege führte.

"Das gute alte Israel" gegen "Großisrael"

"Gantz hat das Glück, zum richtigen Zeitpunkt die politische Bühne betreten zu haben", urteilt der Politikwissenschaftler Yaacov Yadgar. "Viele Israelis haben die Herrschaft von Netanjahu satt, dem jetzt sogar eine Klage wegen Korruptionsverdachts droht. Die Menschen, die all die Jahre frustriert waren, dass dem Premier schon lange kein politischer Rivale mehr das Wasser reichen konnte, setzen ihre Hoffnungen jetzt auf den Ex-General, der für sie irgendwie auch das gute alte Israel repräsentiert."

Doch um die Parlamentswahlen zu gewinnen, wird es für Gantz nicht reichen, nur die meisten Stimmen zu bekommen. Obwohl vieles für ihn spricht, braucht er zum Regieren einen Block aus dem linken Spektrum wie Sozialdemokraten und die Meretz-Partei. Dies könnte ein ausschlaggebender Punkt sein, denn da die israelische Linke schon seit Jahren schwächelt, muss er hoffen, dass ein paar Parteien des rechtskonservativen Bündnisses die 3,25-Prozent-Hürde nicht schaffen.

"Hinter Netanjahu steht ein in seiner Ideologie vereintes Lager, das weiterhin von Großisrael träumt", sagt Reuven Hazan. Gantz könnte eine fünfte Amtszeit des Premiers verhindern, wenn er rechte Wähler überzeugt, selbst kein "schwacher Linker" zu sein. "Sollte ein Teil des rechten Blocks es nicht in die Knesset schaffen, Netanjahu zudem tatsächlich wegen Korruptionsverdachts angeklagt werden, sowie die linken Parteien eine Art Renaissance erleben, dann hätte der Offizier und Gentleman die historische Gelegenheit, die Regierung umzuwälzen." Derzeit sieht es so aus, aus würden Gantz' Chancen immer besser. Am Donnerstag teilte Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit mit, er wolle in drei Fälle Anklage gegen den Ministerpräsidenten erheben.

Quelle: ntv.de

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