Rummel bei Pressekonferenz in Berlin Chodorkowski wägt jedes Wort ab
22.12.2013, 14:31 Uhr
(Foto: dpa)
Die internationale Presse will hören, was Michail Chodorkowski von seiner Lagerhaft und seinen Zukunftsplänen erzählt. Der 36 Stunden zuvor entlassene Häftling bleibt nüchtern: keine Politik, keine Ambitionen in der Wirtschaft. Wichtiger ist jedoch all das, was er nicht sagt.
Der begnadigte Ex-Ölmilliardär und Putin-Gegner Michail Chodorkowski ist bei einer Presse-Konferenz in Berlin zum ersten Mal öffentlich aufgetreten. Seine wichtigsten Botschaften waren die, dass er weder politisch aktiv werden, noch in die Wirtschaft zurückkehren will. Der Andrang war größer, als das kleine Mauermuseum am Berliner Checkpoint Charlie fassen konnte. Er betonte bei fast allen Fragen, die ihm aus einer dichtgedrängten Menge von Journalisten gestellt wurden, dass er gerade erst 36 Stunden in Freiheit sei. Dementsprechend äußerte er sich bei vielen Fragen sehr vage.
Sein wichtigstes Ziel sei es, für die Bemühungen derjenigen zu danken, die sich für seine Freilassung eingesetzt haben. Chodorkowski richtete seinen Dank unter anderem an Ex-Außenminister Guido Westerwelle und dessen Vorgänger aus den 80er Jahren, Hans-Dietrich Genscher, sowie an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Genscher hatte sich offenbar bereits zweieinhalb Jahre um eine Freilassung des russischen Geschäftsmannes bemüht, der sich bis zum vergangenen Freitag zehn Jahre lang in Lagerhaft befunden hatte.
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin danke Chodorkowski nicht für dessen Gnadenakt. Im Verlauf der Pressekonferenz war der Kreml-Kritiker und Ex-Ölmilliardär jedoch darauf bedacht, keine direkten Kommentare zur Person Putins abzugeben. Eine Anspielung leistete er sich nur bei der Frage, welche Ratschläge er westlichen Politikern im Umgang mit Putin geben könne: "Es wäre vermessen, erfahrenen westlichen Politikern Ratschläge zu geben, wie sie sich mit einem so schwierigen Menschen wie Putin verhalten sollen. Ich hoffe aber, dass sie immer daran denken werden, dass ich nicht der letzte politische Gefangene gewesen bin."
Keine Einzelheiten aus der Lagerhaft
Auf die Frage, wie lange er in Deutschland bleiben wolle, antwortete Chodorkowski: "Ich kann noch nichts s agen, ich hatte noch gar keine Möglichkeit, mich mit meinen Angehörigen zu beraten." Er verwies jedoch darauf, dass er ein Visum für ein Jahr erhalten habe. Ob er sich de facto im Exil befinde, antwortete Chodorkowski ausweichend. Er habe keine Wahl gehabt bei seinem "Reiseziel". Die russischen Behörden hätten zwar gesagt, er könne jederzeit nach Russland zurückkehren. Wegen verschiedener anhängiger Verfahren geht er jedoch davon aus, dass er kein zweites Mal würde ausreisen können.
Einzelheiten aus seiner Zeit im Straflager wollte der 50 Jahre alte Chodorkowski nicht erzählen. Die vergangenen zehn Jahre hat er in mehreren verschiedenen solcher Lager verbracht. Körperlich wirkte er kaum angeschlagen, die kurzgeschorenen Haare sind jedoch noch ein deutliches Zeichen seines Daseins als Häftling. Es gebe noch zu viele andere politische Gefangene, auch Freunde von ihm, denen er nicht schaden wolle, sagte Chodorkowski entschuldigend, daher wolle er nicht auf Einzelheiten eingehen. Er legte Wert darauf, nicht als Symbol für einen freigelassenen politischen Häftling wahrgenommen zu werden. Seine Freilassung zeige aber, dass es sich lohne, wenn sich die Zivilgesellschaft für politische Gefangene einsetze. Mithilfe der Medien könne ein gehöriger Druck erreicht werden.
Sotschi besser nicht boykottieren
In diesem Zusammenhang sprach sich Chodorkowski auch gegen einen Boykott der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi im Februar aus. "Man sollte dieses Fest nicht verderben, man sollte es auch nicht gerade zu einem persönlichen Fest für Präsident Putin machen", sagt er mit Blick auf Kritik an der Menschenrechtslage in Russland.
Bundeskanzlerin Merkel hat offenbar noch keine Pläne für eine Reise nach Sotschi. Daran habe sich nichts geändert, sagte eine Sprecherin des Bundespresseamtes. Eine endgültige Entscheidung gebe es nicht. Das Nachrichtenmagazin "Focus" hatte unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, Merkel fahre nicht nach Sotschi. Die Teilnahme des für den Sport zuständigen Innenministers Thomas de Maizière müsse reichen.
Chodorkowski hat noch genug Vermögen
Zu seiner persönlichen Zukunft sagte der frisch entlassene Lagerhäftling, dass er erst einmal mit seinen Angehörigen sprechen wolle. Er ließ auch offen, ob er in die Schweiz zieht, wo seine Ehefrau und die Kinder inzwischen leben. Seine Frau hatte er offenbar zum Zeitpunkt der Pressekonferenz noch nicht persönlich wiedergetroffen; sie war auf dem Weg nach Berlin. "Bitte haben Sie Verständnis. Ich war zehn Jahre nicht bei meiner Familie. Ich war zehn Jahre im Gefängnis. Gönnen Sie mir ein klein wenig Privatsphäre. Wo wir leben werden, das werde ich mit meiner Frau besprechen. Das kann ich jetzt nicht allein entscheiden." Anwesend waren aber die Eltern Chodorkowskis.
In die Wirtschaft will Chodorkowski demnach nicht zurückkehren. "Ich habe in meiner Karriere alles erreicht, was ich erreichen konnte. Ich war Chef einer großen Firma und mit ihr erfolgreich. Meine finanzielle Situation erfordert es nicht, dass ich arbeite, um Geld zu verdienen", sagte Chodorkowski. Er wolle auch nicht politisch aktiv werden oder politisch Aktive wie etwa russische Oppositionelle finanziell unterstützen. "Die Macht ist nicht meine Sache", sagte er.
Chodorkowski hatte es mit seinem inzwischen zerschlagenen Unternehmen Yukos zu einem Vermögen von geschätzten neun Milliarden Euro gebracht und war damit der reichste Mann im postkommunistischen Russland. Von diesem Vermögen könnte nach Schätzungen noch ein dreistelliger Millionenbetrag übrig sein, über den er frei verfügen kann.
Quelle: ntv.de, nsc