
Donald J. Trump, 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
(Foto: REUTERS)
Wie schlimm ist der Wahlsieg Donald Trumps? Sehr schlimm. Dabei geht es nicht um das, was er politisch ändern oder umsetzen will. Es geht um Trumps Haltung. Sie kennt nur eines: Verachtung.
Er wolle die Obama-Präsidentschaft ausradieren, erklärte Donald Trump im Wahlkampf. Wenn es so kommt, dann werden das die Amerikaner, die Europäer, die ganze Welt mit Fassung tragen müssen. Es ist vielleicht schade, wenn "Obamacare", die Gesundheitsreform, nun teilweise eingemottet wird. Aber davon gehen die USA nicht unter, viele Amerikaner finden das sogar gut - und Europa kann es egal sein.
Keine Muslime mehr ins Land lassen? Selbst das wird die Welt verkraften, und nach vier Jahren können es die Amerikaner ja einfach rückgängig machen. Die Mauer zu Mexiko, hierzulande zum Sinnbild der Trumpschen Kaltherzigkeit geworden, dürfte außer Latinos, die illegal über die Grenze wollen, Wenige interessieren. Steuersenkung für Unternehmen, privaten Waffenbesitz ausweiten, Abtreibung verbieten, sich international zurückziehen? Muss man nicht gut finden, aber die Welt ins Wanken bringen wird das alles voraussichtlich nicht. Vor Trumps Politik müssen wir uns nicht fürchten, Dämonisierungen und apokalyptische Szenarien sind fehl am Platz. Also alles halb so schlimm? Mit Sicherheit.
Oder viel schlimmer. Denn es sind nicht die Ziele Trumps, die so schockieren. Es ist nicht der vorgeschlagene Weg, um diese Ziele zu erreichen.
Verachtung, Verachtung, Verachtung

In Los Angeles gingen auch am Samstag Tausende Menschen gegen Donald Trump auf die Straße. "Not my president", stand auf vielen Schildern.
(Foto: imago/UPI Photo)
Viel gewichtiger als all die doch eher unausgegorenen politischen Gedanken ist Trumps Haltung: Verachtung. Verachtung gegenüber allem, was unsere westliche Welt, unser Zusammenleben ausmacht. Es ist eine narzisstisch-aggressive Haltung, die davon geprägt ist, alles, was nicht dem eigenen Ich entsprungen ist - Menschen, Regierungen, Religionen, Ideen und Institutionen - mit Geringschätzung und Respektlosigkeit zu überziehen, basierend auf der Überzeugung von deren Unwert.
Donald Trump verachtet die Demokratie. Er, der Anti-Politiker, der keinerlei politische Erfahrung hat und darauf stolz ist, verachtet den politischen Diskurs, der geprägt sein sollte vom gegenseitigen Zuhören und vom Respekt vor der Meinung des Anderen. Und das hat nichts mit political correctness zu tun. Viel aber mit der Frage, ob es noch gilt: das bessere Argument, der Widerstreit der Konzepte, ein Abwägen- und Entscheiden-Müssen.
Donald Trump verachtet den Kompromiss. Dieses elementare Instrument einer antiautoritären Gesellschaft, das seit Jahren in Misskredit gebracht wird, dem inzwischen unausgesprochen immer schon die Attribute "faul" und "weich" hinzugefügt werden, ist eines der wesentlichen Garanten für Interessensausgleich, Gerechtigkeit, für ein friedliches Zusammenleben. Auf gesellschaftlicher, auf politischer Ebene, national wie international.
Donald Trump verachtet die Eliten. Denn er ist ein Macher. Ein Entertainer, dem akademische Kreise suspekt sind. Die Eliten sind Trump zu kompliziert, diese Mischung aus Bildung, Engagement und kultiviertem Benehmen. Diese ständigen Verweise auf die Geschichte und die politische Theorie und die Gepflogenheiten. Ja, es mag sein, dass die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten in den letzten Jahrzehnten Bodenhaftung verloren haben und ihre Debatten über eine grenzüberschreitende Weltordnung, über einen weltumspannenden Handel, über Sprachgrenzen überschreitende Ideen zu exklusiv geführt wurden. Aber statt nach Brücken und Dialog zu suchen, wird ein Eliten-Bashing hofiert, wird den Eliten pauschal Egoismus unterstellt und ihnen der "besorgte Bürger" entgegengestellt. Dabei sind es im besten Falle die Eliten, die eine Gesellschaft voranbringen - zum Nutzen aller.
Donald Trump verachtet die politischen Institutionen. Das fängt beim US-Kongress an und hört bei Nato und UN auf, die er für überteuerte Relikte alter Tage hält, für ineffektive Palaverrunden. Und es stimmt: Es gibt wirklich vieles zu kritisieren, manches müsste neu aufgesetzt werden. Aber Trumps Gestus ist rein destruktiv. Er will nichts reformieren oder durch neue Ordnungen ablösen. Die Welt ist ihm scheißegal. "America first" lautet die Devise. Danach kommt aber nichts mehr. Die USA sind die Verlängerung seines Egos. Trump setzt daher maximal auf den Dialog mit Gleichgesinnten wie Wladimir Putin. Nach dem Motto: Wenn die Starken die Richtung vorgeben und jeder an sich selber denkt, dann ist doch an alle gedacht, oder?
Donald Trump verachtet den Rechtsstaat. Er wisse nicht, ob er eine Niederlage anerkennen werde, erklärte er vor der Wahl. Und er könne jemanden auf offener Straße erschießen, kein Wähler würde sich von ihm abwenden. Womit er vermutlich richtig lag. Trump denkt über die Möglichkeit von Folter nach und bei der Eliminierung von Staatsfeinden sollten die Familien vielleicht gleich mit getötet werden. Hillary Clinton wollte er besser heute als morgen ins Gefängnis stecken. Das alles ist für Trump kein Problem. Weil er den Rechtsstaat verachtet, ist für ihn die Grenze das eigene Handeln. "Aber ich habe doch recht", lautet der Einwand stets.
Donald Trump verachtet Minderheiten, er verachtet das Schwache und er verachtet die Pluralität. Paradox, dass gerade die vom Abstieg Bedrohten der amerikanischen Gesellschaft - sofern sie keinen Minderheiten angehören - auf Donald Trump setzen. Sie hoffen, ein wenig seiner Stärke möge auf sie abfärben und der Tritt gegen die noch Schwächeren der Gesellschaft - Latinos, Illegale, Muslime - katapultiere sie auf die Gewinner-Seite. Unsere westlichen Demokratien sind jahrzehntelang stolz darauf gewesen, das Andere anzuerkennen und teilhaben zu lassen. Für Trump aber gibt es nur die Mehrheit. Minderheiten dürfen Danke sagen dafür, dass sie toleriert werden. Oder sich, noch besser, vollständig assimilieren.
Donald Trump verachtet den Dialog, verachtet den Respekt. Für ihn gibt es nur Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Seine Sprache ist rau, hetzend und verletzend. Er setzt auf das Recht des Stärkeren, nicht auf den Verstand. Er feiert die Emotionen, ruft aufgebracht nach Rache. Und zieht damit einen Haufen anständiger Leute auf seine Seite, die ernst genommen werden wollen und nicht als gefühlsduselige Ahnungslose diffamiert werden sollten.
Bürokraten, Minderheiten, Ausländer
Darum ist Trumps Wahlsieg so schlimm. Er gibt Allen Auftrieb, die in Europa und auf der ganzen Welt das komplizierte Geflecht von Teilhabe, Meinungsvielfalt und Kompromisssuche beerdigen wollen. Er gibt all jenen Auftrieb, die der Vielschichtigkeit das Eindimensionale entgegensetzen, die dem mühsamen Geschäft des friedvollen Miteinanders Hass und Wut entgegenstellen und offenbar vergessen haben, dass der 70 Jahre währende Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist. Er gibt Jenen Auftrieb, die sich auf den Nationalstaat besinnen wollen, denen schon der Nachbar zu weit weg ist, die zwar im Sommer um die halbe Welt fliegen und bei Amazon bestellen, die die Internationalisierung aber - ja, zum Teil zu recht - als Bedrohungsszenario empfinden. All Jenen, die das Ressentiment kultivieren, gegen die da oben, gegen die Bürokraten in Brüssel, Washington, New York oder wo auch immer. Die das Ressentiment kultivieren gegen Minderheiten, Ausländer, das Andere. Jenen, die das Vulgäre und Direkte Trumps nun als Folie eines neuen Volksvertreter-Typs feiern, der endlich mal ohne Rücksicht sagt, was gesagt werden muss. Jenen, die im Schutze der Dunkelheit "Merkel muss weg" auf brandenburgische Straßen sprühen und auf Demonstrationen Plakate mit einem Vizekanzler am Galgen hochhalten. Und das ganz normal finden.
Trumps Amerika setzt sich nun an die Spitze dieser Bewegung. Eine Nation, die einmal mit einem moralischen Anspruch totalitäre Regime auf den rechten Weg bringen wollte, die stolz darauf war, den Schurkenstaaten der Welt etwas entgegensetzen zu können: Rationalität, Liberalität, Freiheit.
Es ist kurios. Aber der Regierung des mächtigsten Landes der Welt steht mit Donald Trump nun ein Präsident vor, der das Regieren, wie es die USA und Europa nicht erst seit dem Zweiten Weltkrieg geformt haben, in höchstem Maße verachtet.
Quelle: ntv.de