Politik

Macht des Präsidenten wächstErdogan ist wieder AKP-Chef

21.05.2017, 17:11 Uhr
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Der türkische Präsident beim Sonderparteitag der AKP in Ankara. (Foto: REUTERS)

Der türkische Präsident ist auch wieder Chef der Regierungspartei AKP. Dass Erdogan beide Ämter ausübt, wird durch die Verfassungsänderung möglich. Kritiker erwarten, dass kritische Stimmen in der Partei zunehmend verstummen werden.

Nach dreijähriger Unterbrechung ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an die Spitze der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zurückgekehrt. Die AKP wählte Erdogan bei einem Sonderparteitag in Ankara mit überwältigender Mehrheit zu ihrem Parteivorsitzenden. Als einziger Kandidat kam Erdogan auf mehr als 96 Prozent der Delegiertenstimmen, wie die AKP mitteilte. Das Amt des Parteichefs darf das Staatsoberhaupt erst durch die Verfassungsänderung wahrnehmen. Sie erlaubt es dem Präsidenten künftig wieder, einer Partei anzugehören. Bisher hatte Ministerpräsident Binali Yildirim den AKP-Vorsitz inne.

Der Posten des AKP-Chefs gibt Erdogan eine gestaltende Rolle in der Tagespolitik. Er kann maßgeblich die Entscheidungsprozesse der Partei bestimmen, Personalentscheidungen treffen und die strategische Ausrichtung der Partei vor der nächsten Wahl im Jahr 2019 festlegen.

Erdogan hatte die AKP 2002 mitbegründet, die Partei aber verlassen müssen, als er im August 2014 an die Staatsspitze gewählt wurde, da die Verfassung den Präsidenten zur Neutralität verpflichtete. Das Staatsoberhaupt sollte über den politischen Parteien stehen. Dieser Grundsatz wurde durch das Referendum im April aufgegeben. Dabei hatten die Türken mit knapper Mehrheit für die Verfassungsänderung gestimmt, die dem Präsidenten eine große Machtfülle gibt und unter anderem das Amt des Ministerpräsidenten abschafft. Die Verfassungsreform, mit der der Präsident auch Chef der Exekutive wird, soll erst nach der nächsten Wahl im November 2019 vollständig in Kraft treten.

Vor der Abstimmung hatte Erdogan auf dem AKP-Kongress angekündigt, den Kampf gegen die Feinde im In- und Ausland fortzusetzen. "Wir werden weiterhin gegen alle terroristischen Organisationen kämpfen", sagte der Präsident vor Tausenden jubelnden Anhängern. Außerdem sagte Erdogan, der nach dem Putschversuch im Juli 2016 verhängte Ausnahmezustand werde aufrechterhalten, bis die Türkei einen Frieden im Kampf gegen kurdische und islamistische Extremisten erzielt habe.

Erdogan deutet Kabinettsumbildung an

Von dem Parteitag der AKP gehe das Signal für einen "Neustart" in der Türkei aus, sagte Erdogan. Er deutete einen baldigen Umbau der Regierung an: "Bis zum Jahresende werden alle unsere Institutionen eine ernsthafte Erneuerung durchlaufen." Darüber hinaus will Erdogan Medienberichten zufolge eine ganze Reihe von Parteifunktionären entlassen, die nicht seinen Erwartungen gerecht geworden waren. Als seine Prioritäten für die kommenden Monate nannte er "den Anti-Terror-Kampf, die Wirtschaft und die Ausweitung von Rechten und Freiheiten".

Zudem übte Erdogan Kritik an der EU, bekräftigte aber seinen Willen, den Beitrittsprozess fortzusetzen. Dieser Prozess sei "wegen der heuchlerischen Haltung der Europäischen Union in einer Sackgasse gelandet", sagte er. "Dass man uns Bedingungen aufzwingt, die von keinem einzigen Kandidatenland gefordert wurden, und dass man für uns Regeln eingeführt hat, die für kein Kandidatenland angewandt wurden, zeigt offen die eigentliche Absicht."

Der Präsident fügte hinzu: "Trotz allem ziehen wir es vor, unseren Weg gemeinsam mit der Europäischen Union zu beschreiten." Von einem von ihm zuvor mehrfach ins Spiel gebrachten Referendum über einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen sprach Erdogan nicht. Er betonte aber, es gebe für die Türkei Alternativen zur EU.

Präsident kann Macht ausbauen

Der türkische Politikexperte Aykan Erdemir sagte, der Parteivorsitz erlaube Erdogan, nun auch formal wieder die Führung der Partei zu übernehmen, die er de facto nie abgegeben habe. "Sobald er wieder der Parteiführer ist, wird er die formale Autorität haben, über die AKP-Wahllisten zu bestimmen", sagte Erdemir.

Damit könne er sowohl die Parteiführung als auch die Fraktion mit seinen Getreuen besetzen. So wie Erdogan seine Macht konsolidiere, werde der letzte verbleibende Raum für abweichende Meinungen in der Partei verschwinden, warnte der frühere Parlamentsabgeordnete, der heute für die Foundation for the Defence of Democracy arbeitet.

Vor allem werde Erdogan durch die Übernahme des Parteivorsitzes die Abgeordneten unter seine Kontrolle bringen, die eigentlich dazu da seien, die Exekutive zu kontrollieren, sagte Erdemir. So könne er auch jeden Versuch, ihn als Präsidenten abzusetzen, blockieren.

Quelle: hul/dpa/rts/AFP

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