Politik

Libyen verkündet WaffenstillstandGaddafi: "Wir werden siegen"

22.03.2011, 23:50 Uhr
1300832202-jpg2976536746328903315
Kampfbereit: Das libysche Fernsehen zeigte den kurzen Auftritt Gaddafis. (Foto: AP)

Widersprüchlicher könnten die Meldungen kaum sein: Während UN-Generalsekretär Ban erklärt, Libyen habe erneut eine Waffenruhe verkündet, gibt sich Diktator Gaddafi bei einem Auftritt im Staatsfernsehen kampfbereit. "Wir werden nicht aufgeben", sagt er. Aus mehreren Städten Libyens werden heftige Kämpfe gemeldet, es soll dutzende Tote geben.

Nach schweren Luftangriffen der internationalen Koalition auf Ziele in Libyen hat die Führung in Tripolis erneut einen Waffenstillstand angekündigt. Der libysche Ministerpräsident Al Baghdadi Ali al-Mahmoudi informierte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon über den Schritt. Wie Ban ausführte, hatte ihn Al-Mahmoudi persönlich angerufen und darüber informiert.

1300805066-jpg2504711649333533257
Libyer begutachten das Wrack der F15, die bei Bengasi abgestürzt ist. (Foto: AP)

Ob die Ankündigung Auswirkungen auf die Kämpfe in Libyen hatte, ist bislang nicht bekannt. Auch konnte die Aufrichtigkeit des Angebots noch nicht überprüft werden. Tripolis hatte schon am vergangenen Freitag, wenige Stunden nach Verabschiedung der UN-Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen, eine sofortige Feuerpause angekündigt, diese aber nicht eingehalten. Gleich galt für eine am Sonntag erklärte Waffenruhe. Aus mehreren Städten wurden auch am Dienstag wieder heftige Kämpfe gemeldet.

1300804583-jpg8902841146865320791
Ein Libyer mit dem Rest einer Rakete: Die beiden Piloten überlebten offenbar. (Foto: AP)

Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi zeigte sich jedenfalls bei einem Auftritt im Staatsfernsehen trotz der Luftangriffe ungebrochen kampfbereit. "Wir werden nicht aufgeben", sagte er in einer kurzen Ansprache. "Wir werden letztendlich siegen." Libyen habe die beste Luftabwehr. Er fürchte den Sturm nicht und bleibe dort. Den an der Militäraktion beteiligten Staaten, die er als Faschisten bezeichnete, warf Gaddafi vor, mit den Angriffen die UN-Charta verletzt zu haben. Zugleich forderte er die islamischen Staaten auf, sich dem Kampf anzuschließen. "Alle muslimischen Armeen müssen sich an der Schlacht gegen die Kreuzfahrer beteiligen." Dabei würden sie von vielen Menschen unterstützt. "Überall auf der Welt gibt es Proteste, um Euch zu unterstützen, in Asien, Afrika, Amerika und Europa", sagte Gaddafi.

NATO greift ein

Von NATO-Truppen werden jetzt Schiffe auf dem Weg in libysche Häfen kontrolliert, sofern sie verdächtig sind, Waffen oder Söldner in das nordafrikanische Land zu bringen. Als Reaktion auf das Eingreifen der NATO wurden zwei Fregatten und zwei Boote der deutschen Bundesmarine mit insgesamt 550 Soldaten wieder unter nationale Führung gestellt. Etwa 60 bis 70 deutsche Soldaten, die bisher an einer Aufklärungsmission mit Awacs-Flugzeugen im Mittelmeerraum teilgenommen haben, würden abgezogen.

Deutschland beteiligt sich nicht direkt an der Militäraktion. Zur Entlastung der Bündnispartner in Libyen will die Bundesregierung aber bis zu 300 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken. Sie sollen sich dort an Awacs-Aufklärungsflügen beteiligen.

Nach Angaben von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen stimmten die Regierungen der 28 Mitgliedstaaten auch einem heftig umstrittenen Operationsplan für die Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen zu. Der Operationsplan muss aber noch in die Tat umgesetzt werden. US-Präsident Barack Obama und sein französischer Kollege Nicolas Sarkozy einigten sich am Abend auf eine Einbindung der NATO in die Operation. Nach französischen Medienangaben verständigten sich die Staatschefs "über die Modalitäten der Nutzung der NATO-Kommandostruktur zur Unterstützung der Koalition".

Wer führt Einsatz weiter?

Obama kündigte eine baldige Übergabe der Führung des Libyen-Einsatzes an. Er gehe davon aus, dass europäische und arabische Länder in Kürze das Kommando übernehmen werden, sagte er in Chiles Hauptstadt Santiago. Zugleich bekräftige Obama seine Forderung nach einem Machtwechsel in Libyen: "Gaddafi muss gehen."

2011-03-22T143002Z-01-PDH100-RTRMDNP-3-LIBYA-JPG7459801846652556654
Die NATO will das Embargo gegen Libyen mit Schiffen vor der Küste durchsetzen. (Foto: REUTERS)

Wer nach den USA die Führung des Einsatzes übernehmen soll, ist bislang unklar. Die NATO ist sich darüber nicht einig. Frankreich will seine zentrale Rolle in der "Koalition der Willigen" offenbar nicht aufgeben. In gut einem Jahr muss der französische Präsident Nicolas Sarkozy sich zur Wahl stellen. Auch die Türkei lehnt ein Engagement der NATO ab. Nach französischen Angaben haben auch die arabischen Staaten Bedenken. Die Arabische Liga wolle nicht, dass der Einsatz in der Verantwortung der NATO liege, sagte Außenminister Alain Juppé. Er forderte die Bildung eines Führungsgremiums, das die Einsätze und das weitere Vorgehen gegen Libyen koordinieren soll. Daran sollten neben der Arabischen Liga auch alle anderen Beteiligten an der Anti-Gaddafi-Koalition teilnehmen.

Bei einem Treffen mit US-Verteidigungsminister Robert Gates bot Russlands Präsident Dmitri Medwedew die Vermittlung Moskaus im Libyen-Konflikt an. Moskau stehe für den Versuch bereit, den Streit möglichst friedlich beizulegen. Gates kündigte eine baldige Reduzierung der Luftangriffe auf Ziele in Libyen an.

Kontakt zu Rebellen

Die Vereinten Nationen nahmen am Dienstag erstmals Kontakt zu den Aufständischen im Osten Libyens auf. In Tobruk kam UN-Sonderbeauftragter Abdul Ilah Chatib mit Mustafa Abdul Dschalil und anderen Vertretern der Rebellen zusammen, wie in Kairo aus dem UN-Büro verlautete. Dschalil ist Vorsitzender des Nationalrats, wie die Übergangsregierung der Rebellen heißt.

1300815731-jpg2184612793349914108
Inmitten von Trümmern steht ein Mann mit einem Gaddafi-Bild in Tripolis. (Foto: AP)

Wie US-Marinekommandant Samuel Locklear sagte, habe Gaddafi aber nicht auf den vom Bündnis geforderten Abzug aller Truppen aus einigen Städten reagiert. Jetzt werde geprüft, wie Gaddafi zum Rückzug seiner Truppen bewegt werden könne. Die Truppen des Diktators hätten sich bisher nicht aus den Städten Misurata, Al-Sawija und Al-Abschdabija zurückgezogen. "Sie greifen Zivilisten in Misurata an und verletzen die Resolution des UN-Sicherheitsrates."

Der Einsatz des Bündnisses konzentrierte sich in der Nacht zum Dienstag vor allem auf Militärflughäfen und Stützpunkte der libyschen Marine. Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums wurden die Truppen Gaddafis bei ihrem Versuch, die Rebellen-Hochburg Bengasi einzunehmen, gestoppt. Die Operation zeige einen "echten Effekt".

USA verlieren Kampfjet

Über die Angriffe in der Nacht zum Dienstag sagte ein Sprecher der libyschen Regierung, die Bomben und Raketen der westlichen Koalition hätten Ziele in den Städten Tripolis, Al-Sawija, Misurata, Sirte und Sebha getroffen. "Es gab zahlreiche Opfer, darunter auch Zivilisten, vor allem auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Kardabija in Sirte."

1300811298-jpg1792994878334285726
Offensive bleibt aus: Die Rebellen sind offenbar nur schlecht bewaffnet. (Foto: AP)

Erstmals seit Beginn ihres Militäreinsatzes in Libyen verlor das internationale Bündnis dabei einen Kampfjet: Eine US-Maschine vom Typ F-15E Strike Eagle stürzte wegen eines technischen Defekts im Nordosten des Landes ab, wie das US-Afrikakommando in Stuttgart mitteilte. Beide Piloten hätten sich mit dem Schleudersitz retten können und seien in Sicherheit. Daneben kam es am Dienstag zu einem ersten direkten Luftkampf, in dessen Verlauf nach Angaben des Senders Al-Dschasira ein libyscher Jet bei Bengasi abgeschossen wurde.

Kämpfe gehen weiter

Doch auch die Truppen Gaddafis gehen nach wie vor brutal gegen die Rebellen im Osten des Landes vor. Bei Gefechten in der Stadt Misrata sollen in den vergangenen Tagen 40 Menschen getötet worden sein. Die libyschen Regierungssoldaten sollen zudem in der Stadt Al-Sintan mit schwerer Artillerie die Rebellen beschossen haben. Bewohner flüchteten aus dem Stadtzentrum und brachten sich in den Bergen in Sicherheit. Mindestens zehn Menschen sollen getötet worden sein.

"In Misrata ist ein Massaker im Gange", beschrieb ein Sprecher der Aufständischen die Lage in der seit Wochen eingeschlossenen Stadt. Das Zentrum liege im Feuer von Gaddafis Panzern. Auch Scharfschützen nähmen an den Kämpfen teil. Vier Kinder seien beim Angriff auf ein Auto getötet worden: "Das Älteste war gerade 13 Jahre alt." Ärzte berichteten, Verwundete mit Schuss- und Splitterverletzungen würden auf Krankenhausfluren operiert.

Deutschland in der Defensive

Die Bundesregierung will noch in dieser Woche ein Öl- und Gasembargo gegen Libyen in der EU durchsetzen. "Es kann nicht sein, dass einerseits militärische Aktionen geflogen werden, andererseits aber immer noch nicht ausgeschlossen ist, dass noch Öl- und Gasgeschäfte mit dem System Gaddafi stattfinden", sagte Außenminister Guido Westerwelle. "Es muss ausgeschlossen sein, dass der Diktator an frisches Geld kommt."

Westerwelle verteidigte erneut die Entscheidung, die Bundeswehr aus Kampfhandlungen gegen Libyen herauszuhalten. Vorwürfe, Deutschland isoliere sich mit dieser Haltung, wies er zurück. "Wir stehen, was den militärischen Einsatz angeht, unverändert mit unserer Skepsis weder international noch in Europa alleine." Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer nannte die Stimmenthaltung Deutschlands zur UN-Resolution in der "Süddeutschen Zeitung" einen "skandalösen Fehler". Deutschland habe damit keine Chancen mehr auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat.

Quelle: AFP/dpa/rts