Politik

"Schande, Schande!" Italien gönnt Arbeitern nicht mal neun Euro die Stunde

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Die ultrarechte italienische Regierung um Giorgia Meloni will keine "Zahl definieren".

Die ultrarechte italienische Regierung um Giorgia Meloni will keine "Zahl definieren".

(Foto: REUTERS)

Es ist noch nicht allzu lange her, dass in Deutschland Menschen für deutlich weniger als zehn Euro die Stunde gearbeitet haben, wovon der Lebensunterhalt kaum zu bestreiten ist. Mittlerweile liegt der Mindestlohn immerhin bei zwölf Euro. Dass es auch anders geht, zeigt sich in Rom.

In Italien hat die Regierungsmehrheit der ultrarechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ein Gesetz gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns verabschiedet. Mit 153 zu 118 Stimmen votierte die Abgeordnetenkammer in Rom für einen Gesetzentwurf, der dem Kabinett Melonis sechs Monate einräumt, um für auskömmliche Löhne zu sorgen - ohne eine gesetzliche Lohnuntergrenze. Italien bleibt somit bis auf Weiteres einer von nur fünf EU-Mitgliedstaaten, in denen es keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt.

Vertreter der italienischen Opposition reagierten auf die Abstimmung empört, mehrere von ihnen hielten im Parlament Transparente und riefen "Schande, Schande!" Die Chefin des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), Elly Schlein, sprach von einem "traurigen Tag für die Republik". Die Regierung Meloni habe "den Ausgebeuteten eine Ohrfeige verpasst".

Der nun von den Abgeordneten verabschiedete Gesetzestext war auf ungewöhnliche Weise zustande gekommen. Ursprünglich hatten fast alle Parteien der Mitte-Links-Opposition im italienischen Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem ein gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von neun Euro pro Stunde eingeführt werden sollte.

Die Regierungsmehrheit verwies den Text zurück in den zuständigen Ausschuss. Dort wurde er weitgehend umgeschrieben: Statt der Einführung eines Mindestlohns beinhaltet er nun den Auftrag an die Regierung, den Arbeitnehmern im Land "angemessene" und "ausreichende" Gehälter zu gewährleisten. Dieser Anspruch ist in der italienischen Verfassung verankert.

Mehrheit der Bevölkerung fordert Mindestlohn

Die Meloni-Regierung lehnt die Einführung eines Mindestlohns mit Verweis auf die nationalen Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ab. Statt eine "genaue Zahl zu definieren", werde sich die Regierung um das "Niveau der Abdeckung" der Tarifverträge kümmern, sagte Arbeitsministerin Marina Elvira Calderone.

Allerdings liegt der Brutto-Stundenlohn bei mehreren italienischen Tarifverträgen deutlich unter den neun Euro, welche die Mitte-Links-Opposition gefordert hatte: im Reinigungsgewerbe etwa bei 6,52 Euro pro Stunde, in Tourismusbetrieben bei 7,48 Euro.

Umfragen zufolge sprechen sich rund 70 Prozent der Italiener für die Einführung eines Mindestlohns aus, auch unter den Wählern der rechten Parteien gibt es hierfür eine Mehrheit. Neben Italien gibt es derzeit innerhalb der EU nur in Dänemark, Finnland, Österreich und Schweden keinen gesetzlichen Mindestlohn.

Quelle: ntv.de, rog/AFP

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