Bundeskanzler im Interview "Kanzlerkandidat der SPD?" - "Ja, so ist es"
19.11.2024, 20:41 Uhr Artikel anhören
Während der Bundeskanzler Olaf Scholz in Brasilien beim G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs weilt, läuft in der SPD die Debatte über den richtigen Kanzlerkandidaten. Teile der Sozialdemokraten wollen lieber mit Verteidigungsminister Boris Pistorius in die Wahl im Februar ziehen. Der Amtsinhaber bekräftigt aber seinen Plan, erneut anzutreten.
ntv.de: Wie sicher sind Sie eigentlich, dass, wenn Sie in Berlin aussteigen, eigentlich immer noch als der Kanzlerkandidat Ihrer Partei gelten? Oder ob da längst schon was anderes entschieden ist?
Bundeskanzler Olaf Scholz: Die SPD und ich gehen in diese Wahl hinein, um sie zu gewinnen. Das haben wir uns fest vorgenommen. Und das ist auch wichtig, wenn man bedenkt, um was es bei der kommenden Bundestagswahl geht. Aus meiner Sicht müssen wir sehr viel mehr für unsere Sicherheit tun. Wir haben jetzt das erste Mal zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung aufgewandt für die Bundeswehr, für die Verteidigung nach den NATO-Kriterien.
Wir werden das weiter tun müssen. Wir unterstützen umfassend die Ukraine solange wie das nötig ist. Und das können wir kaum ermessen, wann das nicht mehr der Fall sein wird, dass wir militärische Unterstützung leisten müssen. Und deshalb wird die Bundestagswahl sich auch mit der Frage beschäftigen müssen, ob wir, um das tun zu können, den Zusammenhalt in unserem Land gefährden. Ob wir das nur möglich machen, indem es Einschränkungen gibt bei Rente, Gesundheit, Pflege, bei der Modernisierung unserer Infrastruktur, bei der Modernisierung unseres Landes insgesamt. Und meine Überzeugung ist: Das darf nicht der Fall sein. Es muss uns gelingen, mehr für Sicherheit zu tun, aber nicht, indem die normalen Bürgerinnen und Bürger und unser Land um ihre Zukunftsperspektiven gebracht werden.
In der SPD gibt es aber inzwischen nicht nur Gegrummel, sondern lautstarke Stimmen, die sagen, wir hätten eigentlich lieber Verteidigungsminister Boris Pistorius. Sind Sie denn der bessere Kandidat? Wollen Sie noch Kanzlerkandidat werden für die SPD?
Ich finde, wir haben eine große Strecke miteinander erfolgreich bewältigt. Und es war eine Entscheidung, die ich bewusst getroffen habe, jetzt den Weg für Neuwahlen möglich zu machen, indem ich den Bundesminister der Finanzen entlassen habe und angekündigt habe, im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Das soll jetzt aber auch die Grundlage dafür bieten, dass wir das, was uns da auch geschehen ist, mit wenig Bereitschaft zu Kompromiss und Kooperation in der Regierung hinter uns lassen und sagen: Es gibt eine klare Perspektive, die mit uns verbunden ist, mit sozialdemokratischer Politik, mit einem sozialdemokratischen Kanzler. Und genau in dem Kurs und mit dem Kurs, den ich eingeschlagen habe, zusammen mit meiner Partei.
Also heißt der Kanzlerkandidat der SPD Olaf Scholz?
Ich finde, dass die Diskussionen, die da jetzt geführt werden, völlig okay sind. Aber wir wollen gemeinsam gewinnen. Ja, so ist es.
Was macht Sie denn eigentlich so sicher, dass Sie den Abstand, den Sie zur CDU/CSU haben, aufholen können in diesem Wahlkampf?
Wir haben alle gemeinsam Erfahrungen gemacht, dass es gelingt, Abstände zu überwinden. Und in der Wahl ist es ja dann doch so, dass die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, nicht die Leute, die in irgendwelchen Hinterzimmern eigenwillige Strategien sich zurechtlegen, wie wir ja von der FDP gehört haben, was die da alles geplant hatten. Und auch nicht diejenigen, die meinen, sie könnten alles sicher vorhersagen aus irgendwelchen Umfragen. Denn tatsächlich ist die Wahl der Vorgang, wo die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Und die müssen und werden entscheiden darüber, ob es tatsächlich so ist, dass wir das eine, die notwendige Sicherheit auf Kosten des anderen tun, was für unsere Zukunft und unseren Zusammenhalt wichtig ist. Und das ist dann auch das, was der SPD den Rückhalt geben wird, den sie braucht, um erfolgreich zu sein bei Wahlen.
Die letzte Bundestagswahl haben Sie aber auch vor allem deshalb gewonnen, weil die SPD super geschlossen aufgetreten ist und weil die SPD hinter ihnen stand und weil man eben nicht genau diese Personaldebatten vorher geführt hat. Die haben nämlich CDU und CSU vorher geführt - und die haben die Wahl verloren. Also wie soll in einer solchen Situation, wo der Partei die Geschlossenheit fehlt, dieses Wunder geschehen?
Ich schlage vor, ein bisschen auf dem Boden zu bleiben. Ich habe die Vertrauensfrage noch gar nicht gestellt im Deutschen Bundestag. Alle wissen, ich werde es tun, auch wann ich es machen werde. Und damit werde ich möglich machen, dass der Bundestag neu gewählt werden kann. Wenn das dann alles so kommt, wie man das erwarten kann. Und darum geht jetzt die Diskussion los. Aber sie wird ja nicht bis zum Wahltag anhalten, sondern das ist jetzt, was in so einer Situation ganz normal ist. Ich habe da keine Kritik daran, sondern ich glaube, dass es nur darum geht, dass man sich rechtzeitig unterhakt und sagt: "Gemeinsam können wir gewinnen". Wir haben in den letzten Jahren hohe Geschlossenheit gehabt. Die werden wir auch in Zukunft haben.
Es wird jetzt gerade immer ganz viel über Personen und Personaltableaus gesprochen. Was ist für Sie das ganz entscheidende Thema, mit dem die SPD in diesen Wahlkampf ziehen muss?
Zwei große Themen werden bei der kommenden Bundestagswahl im Mittelpunkt stehen. Das eine ist: Wie können wir Frieden und Sicherheit in Europa gewährleisten? Bleibt es dabei, dass man alles tut, damit die Sicherheit gestärkt werden kann? Indem wir mehr für Verteidigung ausgeben? Indem wir die Bundeswehr stärken, indem wir auch die innere Sicherheit stärken und auch zum Beispiel ein angegriffenes Land wie die Ukraine nicht alleine lassen. Aber das in einer Weise machen, dass das nicht auf Kosten der Zukunft des Landes und des Zusammenhalts und des Miteinanders geht. Und da bin ich fest von überzeugt, wird die eine entscheidende Frage liegen, die zu entscheiden sein wird. Wie wollen wir die Zukunft in Deutschland gewinnen? Miteinander oder in dem einige die Rechnung bezahlen? Und das ist nicht richtig.
Und das Zweite ist natürlich die Frage: Wie können wir in einer so gefährlichen Lage Sicherheit und Frieden in Europa bewahren? Da braucht man einen klaren Kompass, und den kann man wirksam werden lassen, indem man die SPD wählt.
Mit Bundeskanzler Olaf Scholz sprach Nadine to Roxel
Quelle: ntv.de