Erklärung zur Silvesternacht Kraft wehrt sich gegen Vertuschungsvorwürfe
27.05.2016, 15:53 Uhr
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Kraft versichert, dass sie von dem Ausmaß der sexuellen Übergriffe erst am 4. Januar erfahren habe.
(Foto: dpa)
Es dauerte mehrere Tage, bis ganz Deutschland wusste, was an Silvester in Köln passiert war. Es gibt Behauptungen, die NRW-Landesregierung habe das schon früher gewusst. Dazu gibt Ministerpräsidentin Kraft nun eine eidesstattliche Erklärung ab.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will bei der Aufklärung des Silvester-Debakels in Köln aus der Defensive kommen. Dafür geht die 54-jährige SPD-Politikerin jetzt einen ungewöhnlichen Weg. In einer im Internet veröffentlichten eidesstattlichen Erklärung hat sie versichert, dass sie vor dem 4. Januar mittags keinen Kontakt mit dem Innenminister und ihrer Hausspitze wegen der massenhaften Übergriffe hatte.

Die Erklärung ist auf der Internetseite der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu finden.
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Fünf weitere gleichlautende Erklärungen sind auf der Seite der Staatskanzlei veröffentlicht: von Innenminister Ralf Jäger und seinem Staatssekretär, dem Staatskanzleichef und seiner Staatssekretärin sowie dem Regierungssprecher.
"Es wurde nichts vertuscht"
Auf ihrer Internetseite veröffentlichte die Landesregierung zudem eine ausführliche Erklärung und Dokumentation dazu, wer wann von den Ereignissen in der Silvesternacht erfahren habe. "Es wurde nichts vertuscht", steht darin.
Die erste Meldung des polizeilichen Lagezentrums an die Staatskanzlei dazu wurde demnach an Neujahr um 14.36 Uhr verschickt. Darin war unter anderem von Vergewaltigung und Diebstahl durch eine "größere ausländische Personengruppe" die Rede. Konkret wird in dem Bericht eine 40 bis 50 köpfige Personengruppe genannt.
Laut der Landesregierung war zu diesem Zeitpunkt das tatsächliche Ausmaß der Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof noch nicht zu erkennen. Das gleiche habe auch für spätere Berichte gegolten, die bei der Staatskanzlei per E-Mail eingingen. Sämtliche Meldungen des polizeilichen Lagezentrums über "wichtige Ereignisse" sind in der Erklärung der Landesregierung abgebildet.
Kraft als Zeugin
Erst durch die anwachsende Berichterstattung über die massenhaften sexuellen Übergriffe, die bisherigen Ermittlungen zufolge überwiegend Marokkaner und Algerier verübt haben sollen, habe die Dimension in der Folge deutlich gemacht, hieß es weiter. Dies sei im Laufe des 4. Januars der Fall gewesen. Hier werden unter anderem Presseberichte des "Kölner-Stadt-Anzeigers" aufgeführt. Zuvor habe niemand es für wichtig gehalten, die Ministerpräsidentin zu informieren, "da die Notwendigkeit zu handeln nicht erkennbar war".
Kraft soll selbst als Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages aussagen. Ein Termin steht noch nicht fest. Der "Untersuchungsausschuss Silvesternacht" des Düsseldorfer Landtags prüft seit 100 Tagen unter anderem, ob Kraft und Jäger schon früher über die Dimension Bescheid gewusst und zu spät reagiert haben. Jäger hatte zuletzt bei seiner Vernehmung durch den Ausschuss am 9. Mai bekräftigt, dass der Umfang der sexuellen Übergriffe und der Raubdelikte aus der Silvesternacht erst am 4. Januar bekannt geworden sei.
Kraft weigert sich aber, dem Ausschuss Daten über sämtliche von ihr und ihrer Hausspitze bis zum 15. Januar geführten Telefonate vorzulegen. Das geht aus einem Brief an den Ausschussvorsitzenden Peter Biesenbach hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf vorliegt.
Verwunderung über Krafts Erklärung
Die Amtschefin der Staatskanzlei, Anja Surmann, lehnt die Forderung von CDU und FDP in einem Schreiben aus mehreren Gründen ab. Da die Inhalte nicht aus den Verbindungsnachweisen hervorgingen, wären sie letztlich nur in persönlichen Befragungen zu ermitteln, argumentiert sie. Außerdem würde ein solcher Schritt in das informationelle Selbstbestimmungsrecht eingreifen, hieß es weiter von der Staatskanzlei. Zudem sei der Kernbereich des Regierungshandelns geschützt.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Peter Biesenbach, zeigte sich verwundert über Krafts eidesstattliche Versicherung. Für ihn sei dies "eine neue Form der Kommunikation mit einem Untersuchungsausschuss", sagte der CDU-Mann der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf vom Samstag laut einer Vorabmeldung. Er könne sich "nicht erklären, was damit bezweckt werden soll".
Nun liege es an den Mitgliedern des Ausschusses zu entscheiden, ob sich damit die Zeugenanhörung Krafts und ihres Beraterkreises erledigt habe. "Ich selbst erwarte es aber nicht", sagte Biesenbach.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP