Ohne Pomp und Ankündigung Lukaschenko lässt sich erneut vereidigen
23.09.2020, 11:43 Uhr
Alexander Lukaschenko sieht sich bisher nie dagewesenen Protesten gegenüber.
(Foto: dpa)
Alexander Lukaschenko sieht sich nach der Wahl im August als legitimen Staatschef von Belarus. Nun lässt sich der Autokrat zum bereits sechsten Mal als Präsident des Landes inthronisieren. Dass er dabei auf eine große Zeremonie verzichtet, dürfte ein Zeichen der Schwäche sein.
Der umstrittene Staatschef Alexander Lukaschenko hat sich in Belarus zum sechsten Mal ins Präsidentenamt einführen lassen. Der 66-Jährige legte den Eid am Morgen überraschend ab. Lukaschenko legte die rechte Hand auf die Verfassung und schwor den Eid in belarussischer Sprache, wie Staatsmedien in Minsk meldeten. Danach überreichte ihm die Chefin der Wahlkommission, Lidija Jermoschina, die Amtsurkunde.
"Das ist unser gemeinsamer Sieg", sagte er vor Hunderten Gästen im Unabhängigkeitspalast der Hauptstadt Minsk. "Wir haben nicht nur einen Präsidenten des Landes gewählt. Wir haben unsere Werte verteidigt, unser friedliches Leben, die Souveränität und die Unabhängigkeit."
Am Rande der Zeremonie gab es erneut Proteste gegen den 66-Jährigen, der seit 26 Jahren an der Macht ist. 2020 werde in die Geschichte als "sehr emotionales Jahr" eingehen, sagte Lukaschenko, nachdem er den Amtseid abgelegt hatte. Die Versuche, das Land zu vernichten, seien gescheitert. "Wir sind im Kreis der wenigen - wir sind vielleicht sogar die einzigen -, wo die 'farbige Revolution' keinen Erfolg hatte", sagte er. Es habe einen "teuflischen Druck" auf das Land von außen gegeben.
Normalerweise wird die Amtseinführungszeremonie als bedeutender Staatsakt Tage vorher bekannt gegeben. Dass die Amtseinführung als Geheimoperation angesetzt wurde, zeige einmal mehr, dass der Machtapparat Angst habe vor Protesten der Bevölkerung, die den Wahlsieg vom 9. August nicht anerkenne, sagte der Politologe Waleri Karbelewitsch.
Vor der Amtseinführung hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Lukaschenko das Recht auf das Präsidentenamt klar abgesprochen. Es handele sich um eine "Pseudo-Amtseinführung", schrieb Borrell in einem Blogeintrag. "Herr Lukaschenko hat jede Legitimität verloren", meinte er. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es gebe "keine Legitimierung" für die Amtseinführung.
EU erkennt Wahlsieg nicht an
Nach der Verfassung musste die Amtseinführung innerhalb von zwei Monaten nach der Präsidentenwahl - also spätestens bis zum 9. Oktober - erfolgen. Einen Termin hatte die Präsidialverwaltung bis zuletzt nicht genannt.
Die EU hatte die Wahl vom 9. August nicht anerkannt. Sie unterstützt die Demokratiebewegung mit der früheren Kandidatin Swetlana Tichanowskaja an der Spitze. Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen - nach 26 Jahren an der Macht. Russland hatte ihm zum Sieg gratuliert.
Auch die Bundesregierung bekräftigte, dass sie Lukaschenkos Wahl nicht anerkennt. Sie sei weder fair noch frei verlaufen und habe damit "den Mindestanforderungen demokratischer Wahlen in keiner Weise genügt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: "Dass diese Zeremonie heimlich vorbereitet und unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt wurde, ist ja schon sehr bezeichnend." Die Wahl Lukaschenkos wird wegen massiver Fälschungsvorwürfe von keinem EU-Staat anerkannt.
Seit der Wahl kommt es zu historischen Massenprotesten in Belarus gegen Lukaschenko. Die Demokratiebewegung fordert seinen Rücktritt und eine Neuwahl ohne seine Teilnahme. Lukaschenko hatte einen Rücktritt abgelehnt und damit gedroht, die Armee einzusetzen, um sich die Macht zu sichern.
Quelle: ntv.de, jog/lwe/dpa