Politik

Wahlkampf mit Handbremse Merkel gegen Steinmeier

RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel befragt Bundeskanzlerin Angela Merkel im Café am Neuen See in Berlin.

RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel befragt Bundeskanzlerin Angela Merkel im Café am Neuen See in Berlin.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Mit einem Chat-Interview beim Fernsehsender RTL hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Urlaub zurückgemeldet. Nur Stunden zuvor hatte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bei einem Auftritt in der Bundespressekonferenz die Union attackiert. Beide, Merkel und Steinmeier, hielten sich jedoch mit persönlichen Attacken auffällig zurück.

Steinmeier sagte, die Wähler wollten in der Krise "keine Casting-Show (...), sondern ernst genommen werden". Merkel sagte, es gehe im Wahlkampf nicht um das "Unterscheiden um jeden Preis".

Selbst Merkels Kritik am Verhalten von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in der sogenannten Dienstwagenaffäre fiel gemäßigt aus. Steinmeier hatte zuvor erneut ein Ende der Debatte gefordert.

"Wort des Bedauerns"

Der Bundesrechnungshof habe den Gebrauch des Dienstwagens im Spanien-Urlaub zwar geprüft und nicht beanstandet, sagte Merkel. "Ich glaube, dass die Wahrnehmung der Menschen eine war, wo ein Wort des Bedauerns etwas früher vielleicht hilfreich gewesen wäre", so Merkel. Politiker müssten immer aufpassen, dass ihre Wahrnehmung mit der Lebenswirklichkeit der Bürger nicht zu weit auseinanderfalle. Dies sei bei Schmidt aber offenbar der Fall gewesen.

"Ehrgeizige Ziele"

Ein paar Attacken gab es aber doch. Steinmeier warf der Union und Merkel vor, sich vor einem inhaltlichen Wahlkampf zu drücken und die Wähler "einzulullen". Merkel wiederum wies Steinmeiers Deutschland-Plan zurück.

Als Seitenhieb auf Steinmeiers Ziel der Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2020 verwies Merkel auf die schlechten Erfahrungen ihre Vorgängers Gerhard Schröder mit Arbeitsplatzversprechen. Schröder habe seinerzeit die Marke von 3,5 Millionen Arbeitslosen als Ziel ausgegeben und sei bei fünf Millionen gelandet. Politiker sollten nach Merkels Worten sehr wohl ehrgeizige Ziele haben. "Aber wir sollten auch nichts versprechen, was wir gar nicht versprechen können und was wir gar nicht überblicken können", sagte sie.

Steinmeier rechtfertigte seinen Deutschland-Plan: "Ich will keinen Wahlkampf um die bescheidensten Ziele in diesem Land, ich will ehrgeizige Ziele." Bis 2020 will die SPD vier Millionen Arbeitsplätze schaffen. "Natürlich geht das nur, wenn die Wirtschaft selbst anpackt, nach vorne schaut, aber auch wenn Politik die Rahmenbedingungen setzt."

"Arbeit für alle" und Elektroautos

Ansonsten gab es viele Übereinstimmungen. Das gemeinsame Ziel sei "Arbeit für alle", sagte Merkel. Als weiteres Beispiel nannte sie Elektroautos. Die CDU wolle aber etwa im Gegensatz zur SPD keinen einheitlichen Mindestlohn. Eine Fortsetzung der Großen Koalition lehnte sie ab

Wie stehts, Herr Steinmeier? Der SPD-Kanzlerkandidat erklärte vor der Bundespressekonferenz, wie er derzeit seine Lage sieht.

Wie stehts, Herr Steinmeier? Der SPD-Kanzlerkandidat erklärte vor der Bundespressekonferenz, wie er derzeit seine Lage sieht.

(Foto: REUTERS)

Einmütig warnten Merkel und Steinmeier davor, die tiefe Wirtschafts- und Finanzkrise bereits für beendet zu halten. Angesichts der für kommenden Donnerstag erwarteten neuen Wirtschaftszahlen, wonach Deutschland im zweiten Quartal die Rezession nach einem Jahr verlassen haben könnte, warnte Steinmeier vor zu großen Erwartungen an eine rasche Erholung, selbst wenn die Talsohle erreicht sei. "Die gegenwärtigen Exportziffern liegen weit unter den Exportziffern des Jahres 2008", sagte Steinmeier. Manches an Fehlverhalten und Unvernunft, das in die Krise geführt habe, sei nicht beendet.

Merkel für Kernkraft

Die CDU-Vorsitzende machte sich trotz jüngster Pannen für die Atomkraft stark. "Die deutschen Kernkraftwerke auch trotz der bedauerlichen und zum Teil auch nicht entschuldbaren Vorfälle, die da passiert sind zum Beispiel in Krümmel, sind immer noch die sichersten auf der Welt", sagte sie.

In Krümmel bei Hamburg hatte sich der Reaktor nach einem Kurzschluss abgeschaltet. Merkel machte sich dafür stark, die gestoppte Erkundung des Atommüll- Endlagers Gorleben wieder aufzunehmen.

Steinmeier von Umfragen enttäuscht

Steinmeier zeigte sich enttäuscht von den anhaltend schlechten Umfragewerten für die SPD. "Bessere Umfragen fände ich auch schöner", sagte der Außenminister. "Wir werden daran arbeiten, dass sie besser werden." Er verwies darauf, dass 60 Prozent der Wähler noch unentschlossen seien. Und selbst hier stimmt Merkel mit ihrem Vizekanzler überein: Auch sie betonte, die Wahl sei "selbstverständlich noch nicht gelaufen".

Gemeinsames Werben um die FDP

Die CDU-Chefin zeigte sich angesichts der Attacken der CSU auf den Wunsch-Koalitionspartner FDP gelassen und sprach von "Geplänkel". "Vor allen Dingen kämpfen wir erst einmal um eine starke Union." Sie kämpfe für eine Koalition mit der FDP, weil die Ziele von mehr Wachstum und Arbeitsplätzen mit ihr am besten umzusetzen seien. Die Union fordert eine klare Koalitionsaussage von der FDP.

Zu der Frage einer möglichen Ampelkoalition mit Grünen und FDP sagte Steinmeier lediglich: Ziel bleibe, mit einer "möglichst starken SPD" den Kanzler stellen zu können. "So stark wie möglich, das finde ich eine starke Formulierung. Dabei bleibt es." Auch auf ein genaues Koalitionsmodell legte sich Steinmeier nicht fest. "Wer da zu meinen Lieblingspartnern gehört, habe ich öffentlich gesagt", sagte er mit Blick auf die Grünen. "Und dann muss man sehen, ob es zur Regierungsbildung weiterer Partner bedarf." Ein rot-rotes Bündnis schloss er strikt aus. Steinmeier räumte ein, dass es nach den Landtagswahlen im Saarland am 30. August eine neue Debatte über den Umgang mit der Linkspartei geben werde. Ziel der SPD sei es, "die Linke so klein wie möglich zu halten".

Am 13. September, zwei Wochen vor der Wahl, werden sich Kanzlerin und Herausforderer zu ihrem "Fernsehduell" treffen. Die 90-minütige Debatte wird von RTL, ARD, ZDF und Sat.1 übertragen.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/rts/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen