Politik

Griechen fürchten "Gnadenschuss" Merkel hofft auf Sparpaket

Was bei Ablehnung des Sparpakets durch das griechische Parlament passiert, weiß auch Merkel nicht.

Was bei Ablehnung des Sparpakets durch das griechische Parlament passiert, weiß auch Merkel nicht.

(Foto: REUTERS)

Die EU lässt Griechenland angesichts der drohenden Staatspleite nicht im Stich - allerdings müssen die Griechen ihr Land umbauen: "strukturell, befindlichkeitsmäßig, seriositätsmäßig und ordnungspolitisch". Die erste Hürde muss das Parlament in der kommenden Woche mit dem Sparpaket nehmen. Doch bislang verweigert sich die Opposition und viele Griechen wollen streiken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist optimistisch, dass die griechische Schuldenkrise und die Belastungen für den Euro überwunden werden können. "Wir werden aus der Krise die richtigen Lehren ziehen", verkündete sie zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel, der neue Milliardenhilfen für Griechenland angeschoben hat.

Merkel und Papandreou in Brüssel.

Merkel und Papandreou in Brüssel.

(Foto: REUTERS)

Die EU-Staats- und Regierungschefs legten einen konkreten Fahrplan zur Lösung der Schuldenkrise vor, die die Finanzstabilität ganz Europas bedroht. Die Griechen müssen als Vorbedingung aber das neue Spar- und Privatisierungsprogramm von Ministerpräsident Giorgos Papandreou akzeptieren - und in die Tat umsetzen.  Dazu sei eine "nationale Einheit" der Griechen notwendig, verlangten die EU-Chefs in ihrer Gipfelerklärung. Merkel zeigte sich zuversichtlich, dass das griechische Parlament in der kommenden Woche diese umfassenden Maßnahmen verabschieden wird. Doch sie blieb Antworten auf die Frage, was passiert, wenn das heiß umstrittene Paket bei den Abgeordneten durchfällt, schuldig. Darüber gebe sie "keine Spekulationen" ab, sagte sie.

Nach dem Fahrplan des Gipfels werden die Euro-Finanzminister in gut einer Woche am 3. Juli über neue Hilfen entscheiden. Es geht dabei um das neue Hilfspaket, das bis zu 120 Milliarden Euro ausmachen könnte. Zudem muss auch die Auszahlung der Juli-Tranche von 12 Milliarden Euro aus dem alten Hilfsprogramm gebilligt werden. Falls diese Kredite nicht fließen, ist Athen direkt pleite. Merkel begrüßte es, dass sich Griechenland nun mit dem IWF und der EU auf die Bedingungen für die Ratenzahlung geeinigt hat.

Keine Zahlen zur möglichen Bankbeteiligung

Merkel hat auch keinen Plan B für Griechenland.

Merkel hat auch keinen Plan B für Griechenland.

(Foto: REUTERS)

Die Kanzlerin wiederholte auch ihre Forderung nach Beteiligung privater Gläubiger an der Entlastung Griechenlands. Um die Kosten nicht nur dem Steuerzahler aufzuerlegen, wollen die Euro-Länder auch Banken und Versicherungen daran beteiligen. Darauf drängt besonders Deutschland. Nach den Plänen sollen Banken und Versicherungen freiwillig neue griechische Staatsanleihen kaufen, wenn alte auslaufen. Details wollen die Euro-Finanzminister bei einem Treffen am 3. Juli ausarbeiten. Merkel wollte sich jetzt in Brüssel aber nicht zu Gesprächen mit den Banken äußern. Wie substantiell dieser Beitrag sein könne, werde "sich erweisen". Zahlen könne man noch nicht nennen.

Nach Angaben von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy sind französische Banken zu einer freiwilligen Beteiligung an der Rettung Griechenlands bereit. "Die generelle Antwort lautet: Ja", sagte Sarkozy beim EU-Gipfel. "Aber das sind nicht nur die Banken, die auf freiwilliger Basis mitmachen wollen, sondern auch die Versicherungen." Dies sei Teil der Gespräche der Staats- und Regierungschefs gewesen.

Französische Banken sind im hochverschuldeten Griechenland besonders stark engagiert. Falls Banken und Versicherungen bei dem neuen, zweiten Hilfspaket für Griechenland an den Kosten beteiligt würden, träfe dies Frankreichs Banken daher hart.

Alles hängt an Athen

Sarkozy versuchte, alle Zweifel zu zerstreuen: "Ich kann Ihnen versichern, dass es keine Schwierigkeiten oder Ängste gibt." Zugleich betonte er den absoluten Willen der Politik, den Euro zu retten und die Finanzstabilität der Euro-Zone als Ganzes zu bewahren.

Der Chef der konservativen "Nea Dimokratia", Samaras, will den einschneidenden Maßnahmen nicht zustimmen. Die EU fordert aber einen nationalen Konsens.

Der Chef der konservativen "Nea Dimokratia", Samaras, will den einschneidenden Maßnahmen nicht zustimmen. Die EU fordert aber einen nationalen Konsens.

(Foto: dpa)

Die derzeit wichtigste Entscheidung dafür fällt kommende Woche in Athen. Nur wenn Ministerpräsident Papandreou sein vom IWF und der EU gefordertes Reformpaket durch das Parlament bringen kann, steht die Basis für neue Hilfskredite der internationalen Gemeinschaft - und damit für eine zumindest zeitweilige Beruhigung der Finanzmärkte. Und nur wenn die Opposition wie in Portugal und Irland ihre Zustimmung zu einem radikalen Reformkurs gibt, wird der IWF sein Geld freigeben. Ansonsten droht Chaos in der Euro-Zone.

Deshalb hatten Staats- und Regierungschef in Brüssel schon vor dem eigentlichen Gipfel ihre ganze Überzeugungskraft in die Waagschale geworfen, um den griechischen konservativen Oppositionsführer Antonis Samaras von seiner starren Ablehnung des Reformpakets abzubringen. Vorerst sah es allerdings nicht so aus, als ob die Ermahnungen gefruchtet hätten. "Wir haben drei Stunden auf Samaras eingeredet", berichtete ein Teilnehmer, "ohne Erfolg".

Athen ist nun am Zug: "Griechenland muss sich strukturell, befindlichkeitsmäßig, seriositätsmäßig und ordnungspolitisch sehr verändern, damit es den Sprung in die Zukunft schafft", brachte es der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, in Brüssel auf den Punkt.

Griechen wollen streiken und blockieren

Allerdings hatte die griechische Öffentlichkeit schon bei Bekanntwerden der ersten Details aus Papandreous Sparpaket schockiert reagiert. "Es ist der Gnadenschuss für unsere Einkommen", titelte die linksliberale Zeitung "Eleftherotypia". Das konservative Boulevardblatt "Eleftheros Typos" kommentierte: "Unerträgliche Steuern".

Die Griechen fürchten um ihre Gehälter, ihre Jobs. Steuern und Preise werden steigen.

Die Griechen fürchten um ihre Gehälter, ihre Jobs. Steuern und Preise werden steigen.

(Foto: dpa)

Die wichtigste Abstimmung zum Sparprogramm soll am Dienstagnachmittag im Parlament stattfinden. Die zwei größten Gewerkschaften des privaten und des staatlichen Bereichs (GSEE und ADEDY) haben bereits für diesen und den folgenden Tag einen 48-stündigen Streik angekündigt. Die über das Internet organisierte Bewegung der "Empörten Bürger" will an beiden Tagen versuchen, alle Zufahrtswege zum Parlament in Athen sperren.

Das neue Nothilfe-Paket soll einen Umfang bis zu 120 Milliarden Euro haben. Zur Rettung vor dem Staatsbankrott profitiert Griechenland bereits von einem 110 Milliarden Euro schweren ersten Notpaket mit Krediten von Euro-Ländern und IWF. Griechenland ist das erste Euroland, das 2010 an den Finanztropf von EU und IWF musste. Später kamen Irland (85 Milliarden Euro) und Portugal (78 Milliarden Euro) dazu.

In Deutschland ist die Zustimmung zu den Griechenland-Hilfen hoch - obwohl eine Mehrheit nicht an eine finanzielle Stabilisierung Griechenlands glaubt. Nach dem aktuellen ARD-"Deutschlandtrend" sind 83 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass Griechenland auch langfristig auf das Geld anderer EU-Länder angewiesen sein wird. Nur jeder Zehnte rechnet damit, dass sich das Land aus eigener Kraft sanieren kann.

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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