Politik

Assad-Regime tötet Dutzende Menschen Offiziere gehen von der Fahne

Syrische Flüchtlinge protestieren in der jordanischen Hauptstadt Amman gegen Assad.

Syrische Flüchtlinge protestieren in der jordanischen Hauptstadt Amman gegen Assad.

(Foto: REUTERS)

Homs steht seit Tagen unter Dauerfeuer. Auch in anderen syrischen Protesthochburgen geht die Armee weiter brutal gegen Oppositionelle vor. Wieder sterben Dutzende Menschen. Allerdings wollen immer mehr Soldaten das Blutvergießen nicht mitmachen. Selbst hohe Generäle fliehen in die Nachbarländer.

Angesichts der Gewaltorgien in Syrien verweigern immer mehr Soldaten dem Regime von Präsident Baschar al-Assad die Gefolgschaft und setzen sich in Nachbarländer ab. Das weckt offensichtlich Ängste in Damaskus. Das syrische Justizministerium forderte die libanesischen Behörden auf, bewaffnete Syrer, die am vergangenen Wochenende zusammen mit Zivilisten in die Bekaa-Ebene geflohen waren, auszuliefern. Nach Angaben aus Justizkreisen in Beirut waren 28 der 35 bewaffneten Syrer freigelassen worden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sie ihre Waffen im Libanon nicht benutzt hatten.

Homs steht seit Tagen unter Beschuss der syrischen Armee.

Homs steht seit Tagen unter Beschuss der syrischen Armee.

(Foto: REUTERS)

Von einem Vertreter des türkischen Außenministeriums hieß es zudem, dass sich zwei Generäle, ein Oberst und ein Feldwebel aus Syrien gemeldet hätten. Sie gehörten zu einer Gruppe von 234 Menschen, die nach der Eroberung des Viertel Baba Amr in der Oppositionshochburg Homs in die Türkei geflohen seien. In den vergangenen Tagen hätten rund 800 Syrer die Grenze passiert. In der Türkei haben sie nichts zu befürchten, denn Ankara hat allen Flüchtlingen Schutz garantiert, auch Angehörigen des bewaffneten Widerstandes. Zuvor war als bislang höchster Regierungsvertreter der stellvertretende Ölminister Abdo Hussameldin zur Opposition gewechselt. Nach Darstellung der Freien Syrischen Armee sind außerdem sieben Brigadegeneräle zu den Rebellen übergelaufen.

"Erosionserscheinungen werden sich fortsetzen"

Syriens Regierung ist unterdessen nach Angaben der Vereinten Nationen zumindest zu einer eingeschränkten Zusammenarbeit mit der UN bereit. Dem Drängen nach einem ungehinderten Zugang zu den am schwersten betroffenen Gebieten habe die Regierung aber nicht nachgegeben und stattdessen mehr Zeit erbeten, sagte die UN-Menschenrechtsbeauftragte Valerie Amos in Ankara. Im Blick haben die Vereinten Nationen dabei vor allem die Lage der unter den Kämpfen leidenden Bevölkerung. Amos informierte sich vor Ort über die Lage der etwa 12.000 in der Türkei lebenden Flüchtlinge. Zuvor hatte sie das schwer zerstörte Stadtviertel Baba Amro im syrischen Homs besucht und sich entsetzt gezeigt.

Oppositionelle tragen in der Nähe von Damaskus ein Opfer zu Grabe.

Oppositionelle tragen in der Nähe von Damaskus ein Opfer zu Grabe.

(Foto: dpa)

Am Wochenende wird der Syrien-Sonderbeauftragte Kofi Annan in Damaskus erwartet. Der Beauftragte von UN und Arabischer Liga will für eine Verhandlungslösung werben. Der frühere UN-Generalsekretär wandte sich auch gegen eine ausländische Intervention in den Konflikt, die die Lage nur verschlimmern würde. UN-Angaben zufolge wurden bisher bei den Protesten 7500 Zivilisten getötet, Schätzungen von Menschenrechtsaktivisten zufolge starben 8500 Menschen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sieht die syrische Regierung in einem "Zerfallsprozess", warnte aber eindringlich vor einer Militärintervention. "Mein Eindruck ist, dass mehr und mehr der Zerfallsprozess des Regimes von Assad begonnen hat. Die Erosionserscheinungen werden sich fortsetzen", sagte Westerwelle in Kopenhagen. Es gehe nun darum, ein Ende der Gewalt zu erreichen, der Bevölkerung zu helfen und auf einen friedlichen politischen Wandel in Syrien hinzuarbeiten. Westerwelle reist am Wochenende zu Gesprächen über Syrien und den Iran nach Saudi-Arabien und Jemen.

Eine Militärintervention könnte laut Westerwelle allerdings einen "Flächenbrand" auslösen. "Das hätte wirkliche schreckliche Folgen für die Region, für die Menschen und auch für die Welt." Die EU erhofft sich zudem nach der russischen Präsidentenwahl von der Regierung in Moskau Unterstützung für die schon lange geforderte UN-Resolution. Nach der erneuten Wahl Wladimir Putins zum Präsidenten könne sich die bisher ablehnende Haltung der UN-Vetomacht ändern, sagte Westerwelle. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton setzt verstärkt auf eine "konstruktive Rolle" Russlands.

Russland lehnte allerdings auch den neuen Entwurf einer Resolution als "unausgewogen" ab. Stattdessen fordert Moskau, im Sicherheitsrat sowohl Assads Führung als auch die Regierungsgegner für das Blutvergießen verantwortlich zu machen. Russland ist Syriens engster Verbündeter, bereits zwei Mal scheiterte im höchsten UN-Gremium eine Verurteilung der Gewalt im Land am Veto Moskaus und Pekings. Die EU hat dagegen mehrfach Sanktionen gegen die Führung in Damaskus verhängt, um ein Ende der Gewalt gegen Regierungsgegner zu erreichen.

Panzer- und Granatfeuer in Homs

Angehörige der syrischen Sicherheitskräfte sollen derweil bei Protesten, Razzien und Militäroperationen in Homs und anderen Hochburgen des Protests 38 Menschen getötet haben. Allein in Homs seien etwa 20 Menschen im Feuer von Panzern und Granatwerfern zu Tode gekommen. Vier Dörfer in der Provinz Idlib sollen von Soldaten gestürmt worden sein. Dabei sollen mindestens 13 Zivilisten getötet worden sein, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit. Oppositionelle berichteten, in Dschabal al-Sawija seien zwei Männer in ihren Häusern erschossen worden. In Ain Larose seien mehrere Menschen verhaftet worden, darunter auch Frauen, hieß es weiter.

Tausende von Regimegegnern folgten einem Aufruf zu Demonstrationen unter dem Motto "Ehrenvolles Andenken an den Kurdenaufstand von 2004". Im März 2004 war es nach Gewalt bei einem Fußballspiel in der Stadt Kamischli zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Kurden und der syrischen Staatsmacht gekommen.

In mehreren Vierteln von Damaskus und in zwei Ortschaften in der Provinz Hama seien die Moscheen vor dem Freitagsgebet geschlossen worden, um zu verhindern, dass sich dort Demonstrationszüge formieren. In Aleppo gab es die größte Mobilisierung seit dem Beginn der Proteste, teilte die Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Die Sicherheitskräfte hätten in der Stadt auf die demonstrierende Menge geschossen, hieß es von Augenzeugen.

Trotz heftiger Proteste westlicher Staaten darf Syrien aber Mitglied in einem für Menschenrechtsverletzungen zuständigen Ausschuss der Unesco bleiben. Der Exekutivrat der UN-Sonderorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur konnte sich nach Diplomatenangaben nicht auf eine Resolution zum Ausschluss der syrischen Vertreterin einigen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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