Als erstes Land der Welt Paris nimmt Freiheit zur Abtreibung in Verfassung auf
04.03.2024, 19:28 Uhr Artikel anhören
Frankreichs Premier Gabriel Attal erinnert an Frauen, die bei heimlichen Abtreibungen gestorben sind.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Mit überwältigender Mehrheit und lang anhaltendem Beifall verankert Frankreichs Parlament das Recht auf Abtreibung in der Verfassung. Premier Attal nennt die weltweite Vorreiterrolle seines Landes eine "moralische Pflicht". Der Vatikan äußert Skepsis.
Frankreich nimmt als weltweit erstes Land die "Freiheit zur Abtreibung" in die Verfassung auf. Die Abgeordneten beider Kammern des Parlaments stimmten im Schloss von Versailles mit 780 zu 72 Stimmen für die entsprechende Verfassungsänderung. Die Bekanntgabe des Ergebnisses wurde mit anhaltendem Beifall begrüßt. Die 925 Mitglieder der Nationalversammlung und des Senats waren gemeinsam zur Abstimmung aufgerufen. Die nötige Drei-Fünftel-Mehrheit war erwartet worden, da beide Kammern des Parlaments bereits zuvor mit großer Mehrheit für das verfassungsmäßig verankerte Recht auf Abtreibung gestimmt hatten.
Damit ist Frankreich weltweit das erste Land, das die "garantierte Freiheit" zum Schwangerschaftsabbruch ausdrücklich in der Verfassung verankert. "Frankreich ist an der Spitze des Fortschritts", betonte die Vorsitzende der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet in Anspielung auf Länder, in denen das Recht auf Abtreibung beschnitten wird, etwa in den USA oder in Osteuropa. "Wir haben eine moralische Pflicht gegenüber den Frauen", sagte Premierminister Gabriel Attal zum Auftakt der Sitzung. Er erinnerte an die Frauen, die bei heimlichen Abtreibungen gestorben seien.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte mit dem Vorschlag 2022 auf Einschnitte in das Abtreibungsrecht in den USA reagiert. Die Verfassungsänderung hat in erster Linie symbolischen Charakter. Der Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein ist in Frankreich bis zur 14. Woche gesetzlich gewährleistet. Mehr als 80 Prozent der Franzosen befürworten die Verfassungsänderung.
Frauenrechtlerinnen: Ändert in der Praxis nichts
"Es übersteigt unsere Träume", sagte die Frauenrechtlerin Claudine Monteil. Sie gehörte 1971 zu den Unterzeichnerinnen eines Manifests, in dem sich mehr als 300 Französinnen offen dazu bekannten, abgetrieben zu haben, als dies noch gesetzlich verboten war. "Das Gesetz bestimmt die Bedingungen, unter denen Frauen von der garantierten Freiheit Gebrauch machen können, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen", so lautet der neue Verfassungsartikel. Die Formulierung "Freiheit zur" ist rechtlich schwächer als das "Recht auf", das zunächst debattiert worden war.
Justizminister Eric Dupond-Moretti sicherte den Ärztinnen und Ärzten zu, dass dies das Recht auf Gewissensfreiheit nicht in Frage stelle. "Wenn ein Arzt diesen Akt nicht ausführen will, dann hat er das Recht dazu", betonte Dupond-Moretti. Frauenrechtlerinnen weisen allerdings darauf hin, dass die Aufnahme in die Verfassung in der Praxis nicht viel ändere. "Viele gynäkologische Zentren wurden geschlossen, manche Frauen müssen weit fahren. Es ist schwieriger, als es sein sollte", kritisierte Anne-Cécile Mailfert, Vorsitzende der Fondation des Femmes.
Der Vatikan bekräftigte unterdessen seinen Widerstand gegen jedes "Recht auf Vernichtung menschlichen Lebens". "Im Zeitalter der universellen Menschenrechte kann es kein 'Recht' auf die Vernichtung menschlichen Lebens geben", betonte die Päpstliche Akademie für das Leben, die für bioethische Fragen zuständig ist.
Quelle: ntv.de, mau/AFP