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Schicksalsjahr für die USA So wurde Trump nahezu unangreifbar

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Kanalisierte Wut: Sarah Palin und Donald Trump

Kanalisierte Wut: Sarah Palin und Donald Trump

(Foto: AP)

Er ist der haushohe Favorit der Republikaner auf die Kandidatur. Donald Trump hat ausgenutzt, was schon lange in der Partei brodelte. Nun hat er sie in der Hand. Bleibt das auch 2024 so oder ist seine Zeit bereits gekommen?

"Ich halte es für eine große Auszeichnung, dass ich für euch angeklagt werde", sagt Donald Trump auf einer Bühne im US-Bundesstaat New Hampshire. Die Menge jubelt, ein Mann ruft: "Wir lieben dich!" Der Ex-Präsident zeigt auf ihn und bedankt sich. Es ist kurz vor Weihnachten 2023. In vier Wochen werden die Vorwahlen der Republikaner beginnen. Trump versucht, die insgesamt 91 Anklagepunkte in verschiedenen Prozessen gegen sich in mehr Unterstützung zu verwandeln: Ich kämpfe für euch. In Umfragen liegt er meilenweit vor seinen Konkurrenten.

Daran hat sich bislang nichts geändert, er führt mit mehr als 60 Prozent, fast 50 Punkte vor dem Zweitplatzierten. Mit diesem landesweiten Umfragedurchschnittswert thront Trump über allen anderen Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur der Konservativen. Alles andere als eine Wiederauflage seines Duells mit dem Demokraten Joe Biden im November wäre eine riesige Überraschung. Trump ist nicht unangreifbar, dominiert aber klar die konservative Wählerschaft. Das Wahljahr 2024 ist ein Schicksalsjahr. Es beginnt mit den Vorwahlen im Bundesstaat Iowa am 15. Januar.

Für die Welt geht es dabei um mögliche Szenarien, wie sich die USA in den globalen Krisen und Kriegen verhalten wird. Schickt die Supermacht weiter Hilfe in die Ukraine? Was geschieht in Nahost? Wie will sie den wachsenden Einfluss autoritärer Regime eingrenzen? Trump ist ein Freund davon, sich herauszuhalten aus Konflikten und sich so wenig wie möglich internationalen Verpflichtungen zu beugen. Seine republikanischen Konkurrenten haben andere Positionen. Nikki Haley etwa sieht die Welt ähnlich wie Biden: Russland muss Einhalt geboten werden. Ron DeSantis liegt wesentlich näher bei Trump, laviert aber.

Ron DeSantis und Nikki Haley sind Trumps Konkurrenten um die Nominierung.

Ron DeSantis und Nikki Haley sind Trumps Konkurrenten um die Nominierung.

(Foto: AP)

Für die USA geht es im Wahljahr auch um innenpolitische Schwerpunkte. Was geschieht mit der Einwanderung von der Südgrenze zu Mexiko? Geht der Umbau zu erneuerbaren Energien weiter? Und schließlich wird 2024 zum Jahr der Entscheidung für die Republikaner. Bleibt Trump ihre dominante Figur oder kann ihn jemand stürzen - und seinen Flügel für sich vereinnahmen? Trump hat sich über mehrere Jahre eine stabile Machtbasis bei den Wählern und in der Partei aufgebaut. Dabei war und ist er ein Produkt der Zustände, nicht deren Ursache.

Buchanan, Palin - Trump

Ein Blick zurück auf die vergangenen 15 Jahre zeigt, wie es dazu gekommen ist. Trump konnte die Partei innerhalb weniger Jahre auf rechts drehen, weil er bewies, dass die Republikaner mehr als Freihandel, politischen Anstand und Konservatismus brauchen, um ihre potenzielle Wählerschaft zu begeistern. Aggressivität ist wichtiger geworden. Wegbereiter für diese Entwicklung war etwa die Tea Party - die erzkonservative Bewegung, die sich mit Sarah Palin als Bannerträgerin im Jahr 2009 hervortat.

Palin sei eine Speerspitze für Trump gewesen, schreibt Jeremy Peters in seinem Buch "Insurgency: How Republicans Lost Their Party And Got Everything They Ever Wanted". Sie habe ein Tabu gebrochen, als sie im Präsidentschaftswahlkampf 2008 als Vize von John McCain eine Lüge über Obamacare zur politischen Waffe machte. In von ihr als Todeskomitees ("Death Panels") bezeichneten Runden werde darüber entschieden, wer als lebenswert erscheine, hatte sie behauptet. Das war zwar völliger Unsinn, da es dabei um ein Budget für eine Beratung für Sterbehilfe für unheilbare Patienten ging. Doch es funktionierte: Die Lüge wurde zur gefühlten Wahrheit.

Palin und McCain verloren gegen den jungen Senator Barack Obama. Aber Palin war mit ihrer konfrontativen Art wesentlich populärer bei den Republikanern als der Vietnam-Veteran McCain, der bei einer Rederunde mit Wählern sogar seinen Konkurrenten in Schutz nahm. Dafür wurde er ausgebuht. Eine denkwürdige Szene und etwas, was Trump nicht passieren würde. Noch etwas hebt der Autor hervor: Palin übernahm den abwertenden Begriff "Valley Trash" ("Müll aus dem Tal") über ihre Herkunft und verwendete ihn mit Stolz für sich selbst. Es war eine Selbstermächtigung.

Pat Buchanan, Berater mehrerer republikanischer Präsidenten, versuchte 1992 selbst, ins Weiße Haus zu kommen.

Pat Buchanan, Berater mehrerer republikanischer Präsidenten, versuchte 1992 selbst, ins Weiße Haus zu kommen.

(Foto: AP)

Die Radikalisierung der Republikaner hatte schon vorher begonnen, etwa mit Barry Goldwater in den 1960er-Jahren, oder Newt Gingrich in den 1980ern, als dieser Kompromisse im Kongress markig und öffentlichkeitswirksam abblockte und Kollegen half, aggressiver zu sprechen. Bei der Präsidentschaftswahl 1992 forderte der erzkonservative Pat Buchanan den amtierenden (republikanischen) Staatschef George Bush heraus - ein Affront, weil der Amtsinhaber praktisch ein Vorgriffsrecht auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit hat.

Kulturkrieg seit Jahrzehnten

Buchanan scheiterte und ordnete sich als Bushs Vizekandidat unter. Aber er rief den Grundsatzkonflikt gegen die Demokraten aus, über den Trump im Jahr 2016 ins Amt kam. Auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner sagte er mit eindringlicher Stimme vor einem seltsam stillen Publikum, als spürte es die Bedeutung des Moments: "Ein religiöser Krieg findet in diesem Land statt. Es ist ein Kulturkrieg." Dieser sei genauso wichtig für die USA wie der erst kurz zuvor beendete Kalte Krieg. "Es geht um die Seele Amerikas, und die Clintons stehen auf der anderen Seite." Der Demokrat Bill Clinton gewann zwar die Präsidentschaft, aber die Grunddynamik für die Umwälzung von rechts war damit in der Welt: wir gegen sie, keine Kompromisse.

Trump habe 2015 darauf aufgebaut und damit die Partei für sich gewonnen, sagt Jeremy Peters. In Fernsehdebatten trieb er seine Konkurrenten vor sich her, sein improvisiertes Auftreten ohne Sinn für politische Korrektheit ließen ihn als denjenigen erscheinen, der die Interessen der kleinen Leute, der Vergessenen, der Unperfekten vertrat. Die anderen Politiker waren austauschbar. Trump nicht. Er führte und führt seine Reden in großen Teilen frei; geführt von der Wut der Wähler, die sich durch die Definition klarer Feindbilder besser fühlen.

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Heute ist zu beobachten, wohin die Partei das geführt hat. Ein großer Teil verehrt Trump, weil er den Republikanern einen historischen Erfolg gebracht hat: Er ließ in seiner Amtszeit die Richter am Supreme Court installieren, die das bundesweite Abtreibungsrecht kippten. Vier Jahrzehnte lang hatten sich die Konservativen an diesem Thema aufgerieben.

Konkurrent DeSantis positioniert sich im Kulturkrieg als junger Feldherr, der Trumps Erbe antreten will. Der Ex-Präsident müsste dafür jedoch abtreten; kaum vorstellbar, dass er freiwillig in die zweite Reihe tritt. Gerichte könnten Trump noch stoppen. Oder einer der anderen vier Bewerber fährt in einer der ersten Vorwahlen einen solchen Überraschungserfolg ein, dass Trump nicht mehr als der sichere Präsidentschaftskandidat gilt. Irgendwann wird auch Trumps Zeit gekommen sein.

Quelle: ntv.de

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