Ausland verurteilt Militärcoup in Mali Putschisten setzen Verfassung aus
23.03.2012, 07:40 Uhr
Die Putschisten während eines Auftritts im Staatsfernsehen. Sie haben ein "Nationalkomitee für die Wiederherstellung der Demokratie und des Staates" gegründet.
(Foto: REUTERS)
Der Militärputsch im westafrikanischen Mali scheint international große Nervosität auszulösen. Uno, EU-Staaten und Entwicklungsbanken melden sich zu Wort und verurteilen den Coup "scharf". Die Soldaten in Mali erklären die Verfassung für ausgesetzt. Präsident Touré ist offenbar geflohen.
Internationale Organisationen, die EU und Finanzinstitute haben den Putsch meuternder Soldaten im westafrikanischen Mali verurteilt. Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in New York forderten, die Soldaten sollten in ihre Kasernen zurückkehren und die Sicherheit des Präsidenten Amadou Toumani Touré gewährleisten. Die verfassungsmäßige Ordnung müsse wiederhergestellt und die demokratisch gewählte Regierung wieder ins Amt gesetzt werden.
Außenminister Guido Westerwelle forderte einen sofortigen Verzicht auf jede Gewalt. "Die verfassungsmäßige Ordnung muss unverzüglich wiederhergestellt werden." Das Auswärtige Amt riet bis auf weiteres von Reisen nach Mali ab.
Der Außenminister von Malis ehemaliger Kolonialmacht Frankreich, Alain Juppé, sagte: "Wir haben diesen Militärputsch verurteilt, weil wir uns dem Respekt demokratischer und verfassungsmäßiger Regeln verpflichtet fühlen." Er forderte die Wiederherstellung der Ordnung und die planmäßige Durchführung der Wahlen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Jean Ping, und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kritisierten die Putschisten.
Selbst die Afrikanische Entwicklungsbank und die Weltbank gaben eine Erklärung heraus. Für die Krise müsse schnell eine Lösung gefunden werden. Die Entwicklungsoperationen würden vorerst unterbrochen. Davon nicht betroffen seien Nothilfemaßnahmen.
Präsident ist geflohen
Soldaten hatten den . Touré konnte offenbar fliehen. In einer Fernsehansprache sagten die Rebellen, das "Klima der Unsicherheit" im Land und die "Unfähigkeit des Regimes, den Terrorismus zu bekämpfen" habe sie zu dem Putsch bewogen.
Die Verfassung sei bis auf weiteres aufgehoben und es sei eine Ausgangssperre verhängt worden, sagte der Sprecher des neu gegründeten "Nationalkomitees für die Wiederherstellung der Demokratie und des Staates", Leutnant Amadou Konare. Touré sei wegen "seines Unvermögens, die Krise im Norden Malis zu bewältigen" abgesetzt worden, fügte er hinzu. Die Aufständischen wollten nun mit den Nachbarländern und internationalen Organisationen über das weitere Vorgehen beraten.
Die Tuareg sind ein nordafrikanisches Nomadenvolk. Sie stammen von libyschen Berbern ab und leben seit Jahrhunderten im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Marokko, Algerien, Libyen und Burkina Faso.
Die traditionelle Verschleierung der Männer fiel bereits europäischen Reisenden im 19. Jahrhundert auf. Ihre Bewaffnung mit langen Schwertern brachte den Tuareg zusammen mit ihren Reitkamelen den Ruf als "Ritter der Wüste" ein.
Schon die ersten Begegnungen der Tuareg mit den europäischen Kolonialtruppen fielen oft kriegerisch aus, weil die Nomaden um ihre Unabhängigkeit fürchteten. In den letzten Jahren kam es in der Region immer wieder zu Aufständen der Tuareg. So kämpfen die Tuareg unter anderem im Norden Malis für mehr Freiheit. (rts)
Touré war seit 2002 an der Macht. Zusammen mit einigen loyalen Soldaten soll er in ein Militärcamp gebracht worden sein, berichtete das staatliche Fernsehen. Zuvor hatte es in lokalen Medien geheißen, der 63-Jährige habe Zuflucht in der amerikanischen Botschaft in Bamako gesucht, aber amerikanische Diplomaten wiesen diese Angaben zurück.
Nach zwei Amtszeiten hatte Touré bereits angekündigt, bei den bevorstehenden Wahlen am 29. April nicht mehr als Kandidat antreten zu wollen. Die Verfassung in Mali sieht maximal zwei Amtszeiten für den Staatschef vor.
200.000 Menschen auf der Flucht
Hintergrund des Coups sind die seit Januar. Truppenteile sind unzufrieden mit der Handhabung des Konflikts mit den Tuareg-Rebellen. Sie werfen der Regierung vor, dass sie nicht genug Waffen zur Verfügung stelle.
Nach UN-Angaben mussten bereits fast 200.000 Menschen ihre Häuser verlassen, um sich vor den Kämpfen in Sicherheit zu bringen. Etwa die Hälfte sind Binnenvertriebene. Die anderen suchten Zuflucht in den Nachbarländern Mauretanien, Burkina Faso und Niger. Die ganze Region wird derzeit von einer schweren Hungerkrise heimgesucht.
"Der Coup könnte die humanitäre Situation im Norden noch verschlimmern", warnte der Mali-Experte Robert Borthwick. Ohne eine ordentliche Regierungsführung würden wahrscheinlich auch die Hilfslieferungen der internationalen Organisationen reduziert werden.
Die Tuareg kämpfen für Autonomie im Norden des Landes. Zu ihnen gehören neben der Freiheitsorganisation "Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad" (MNLA) auch Tuareg, die in Libyen den im Oktober getöteten Machthaber Muammar al-Gaddafi unterstützt hatten und jetzt nach Mali zurückgekehrt sind. Dem Nomadenvolk gehören rund 1,5 Millionen Menschen an, die in mehreren westafrikanischen Ländern beheimatet sind.
Minister festgenommen, Flüge gestrichen
Dem Putsch waren am Mittwoch schwere Kämpfe in der Hauptstadt Bamako vorausgegangen. Zeugen sagten, es seien die ganze Nacht lang Schüsse zu hören gewesen. "Es hörte sich aber so an, als seien die meisten Schüsse in die Luft gefeuert worden und nicht direkt auf Menschen", erklärte ein Bürger. Auch am Donnerstagabend berichteten Augenzeugen noch von sporadischen Schüssen. Mehrere Minister seien festgenommen worden, berichtete Radio France International. Alle Flüge aus Bamako wurden gestrichen, und auch die Landgrenzen wurden geschlossen.
Quelle: ntv.de, dpa