Walter-Borjans zum Truppenabzug SPD-Chef findet, "man muss verstimmt sein"
16.06.2020, 09:24 Uhr
US-Präsident Trump macht Ernst und kündigt an, fast ein Drittel der in Deutschland stationierten US-Soldaten abzuziehen. SPD-Chef Walter-Borjans kann nichts Gutes an der Entscheidung finden.
Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans hat den geplanten Teilabzug von US-Soldaten scharf kritisiert. "Es ist hier offenbar wieder eines dieser Themen des 'America first' und ich gucke nur darauf, was mir gerade passt und für die Wahl in den USA ausschlaggebend sein könnte", sagte Walter-Borjans im "Frühstart" von RTL und ntv. Mit Blick auf die Art und Weise der Entscheidung durch den US-Präsidenten Donald Trump sagte der SPD-Chef: "Das ist schon etwas, worüber man verstimmt sein muss."
Walter-Borjans empfahl dennoch, dass Deutschland seinen Bündnisverpflichtungen nachkommen solle. Zudem deutete er an, dass sich auch die USA mit einer reduzierten Truppenzahl schädigen könnten: "Wenn man 10.000 Soldaten abzieht, dann hat das auch Folgen für die Infrastruktur der amerikanischen Verteidigungskräfte in Deutschland und Europa insgesamt."
Trump begründete den Teilabzug der Soldaten mit den für ihn zu geringen Verteidigungsausgaben Deutschlands. Mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollte jedes Nato-Mitglied für Verteidigung ausgeben. Dass Deutschland diese Vorgabe nicht erfüllt, ist kein Problem für den SPD-Vorsitzenden: "Was ist das für eine Zahl, dass, wenn die Wirtschaft wächst, man aufrüsten muss!? Oder jetzt, wenn sie schmilzt und schrumpft, dass man abrüsten soll?"
Auch den zweiten Vorwurf Trumps, Deutschland mache durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 Geschäfte mit Russland, lasse sich aber durch die USA vor Russland schützen, wies Walter-Borjans zurück. "Dass sich Deutschland nicht in die energiepolitische Abhängigkeit der USA begibt, sondern dafür sorgt, dass Deutschland eine sichere Energieversorgung hat, auch mit den östlichen Nachbarn, das halte ich für unser gutes Recht."
Trump will Deutschland mit dem Teilabzug der US-Soldaten für die aus seiner Sicht weiterhin zu geringen Verteidigungsausgaben bestrafen. Er sagte am Montag im Weißen Haus, die Zahl der US-Soldaten in Deutschland werde auf 25.000 reduziert. Zur Begründung sagte er, die Bundesregierung weigere sich, die Verteidigungsausgaben so zu erhöhen, dass das selbst gesteckte Nato-Ziel erreicht werde. Derzeit sind rund 34.500 US-Soldaten in Deutschland stationiert. Trump sprach von 52.000 Soldaten. In dieser Zahl dürften rund 17.000 amerikanische Zivilisten im Dienst der US-Streitkräfte enthalten sein.
Sozialdemokratischer Stempel
Im zweiten Teil des Gesprächs verteidigte der SPD-Chef das Konjunkturpaket der Bundesregierung. Für ihn trage es einen sozialdemokratischen Stempel. "Er besteht daraus, dass wir denen geben, die es brauchen, kleinen und mittleren Unternehmen, dass wir auch für die Großindustrie durch steuerliche Abschreibungsregelungen, durch Verlustverrechnungen eine Menge an Entlastung schaffen." Der SPD-Chef erwähnte in diesem Zusammenhang auch Städte und Gemeinden, die nun in die Lage seien, zu investieren.
Mit Unverständnis reagierte Walter-Borjans auf die Kritik der Gewerkschaften. Vor allem die IG Metall hatten den Verzicht einer Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor beklagt. "Das ist eine Angelegenheit der Autohersteller", sagte Walter-Borjans. "Die haben hohe Gewinne erzielt, die haben hohe Dividenden ausgezahlt. Und für den Preis der Autos, da ist nicht der Staat und Steuerzahler zuständig, sondern das Unternehmen selbst."
Die Gewerkschaften sprachen vom Vertrauensverlust der Beschäftigten in der Automobilindustrie und fehlender industriepolitischer Strategie bei führenden Sozialdemokraten. Der SPD-Chef verwies dagegen noch einmal auf das Volumen von 50 Milliarden Euro direkter Investitionen für die deutsche Industrie und gab sich kämpferisch: "Das ist ein so industrie- und arbeitnehmerorientiertes Programm, dass ich sagen kann, das kann ich gut vertreten und das werde ich auch in den Gesprächen mit den Gewerkschaften tun."
Quelle: ntv.de, ako