Berichte über zeitnahe Lieferung Scholz hat in Taurus-Debatte nichts zu verkünden
11.08.2023, 19:11 Uhr Artikel anhören
Die Marschflugkörper haben eine Reichweiter von bis zu 500 Kilometer.
(Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich)
Soll die Ukraine deutsche Marschflugkörper bekommen? Teile der FDP und die Union drängen die Regierung. Doch die hält sich öffentlich weiter zurück. Mehreren Berichten zufolge wird eine Lieferung allerdings ernsthaft geprüft - und könnte zügig entschieden werden.
In der Debatte über eine mögliche Abgabe von Marschflugkörpern vom Typ Taurus an die Ukraine hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz zurückhaltend geäußert. "Es gibt in dieser Frage keinen neuen Sachstand mitzuteilen", sagte er der "Thüringer Allgemeinen". Zuvor hatte sich das Verteidigungsministerium ähnlich geäußert. "Eine politische Entscheidung zur Abgabe wurde nicht getroffen", sagte eine Sprecherin. Medienberichten zufolge wird hinter den Kulissen an einer Lieferung des Waffensystems gearbeitet. "Unser Schwerpunkt liegt unverändert darauf, Waffen zur Luftverteidigung zu schicken, schwere Artillerie und auch Panzer", sagte Scholz weiter. "Das ist unser Kurs, auf dem wir uns weiter bewegen werden, in enger Absprache mit unseren internationalen Partnern."
Die Debatte hatte zuvor Fahrt aufgenommen. Politiker aus den Regierungsparteien und der Opposition forderten, den ukrainischen Streitkräften das für die Zerstörung von Bunkern und geschützten Gefechtsständen auf bis zu 500 Kilometern Entfernung geeignete Waffensystem zu überlassen. Befürworter sehen darin einen weiteren deutlichen Schritt, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine gegen russische Angriffe zu stärken. Kritisch diskutiert wird, ob und wie mögliche Schläge gegen russisches Staatsgebiet verhindert werden können.
Verkündung in Kürze?
Unterdessen hatte der "Spiegel" berichtet, die Bundesregierung prüfe, wie Deutschland die Ukraine in den kommenden Monaten mit Taurus aus Beständen der Bundeswehr versorgen könne. Dazu liefen Gespräche zwischen dem Verteidigungsministerium und der Rüstungsindustrie. Das Portal t-online hatte unter Berufung auf SPD-Kreise berichtet, die Regierung wolle "in Kürze" die Lieferung verkünden. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete unter Berufung auf einen Insider, dass es Kontakte mit dem Waffenhersteller MBDA gebe.
Laut "Spiegel" befürchtet Scholz, dass die Ukraine mit den Taurus-Raketen Ziele in Russland angreifen und der Krieg dadurch weiter eskalieren könnte. Nach Expertenmeinung ist es technisch allerdings relativ einfach, die Reichweite der Taurus-Raketen einzugrenzen. Russland hat den Westen wie so oft auch in diesem Fall davor gewarnt, der Ukraine solche Waffen zur Verfügung zu stellen, da dies die Lage aus Sicht der Regierung in Moskau eskalieren würde. Das russische Militär setzt seinerseits allerdings Raketen mit größerer Reichweite ein, um Ziele in der Ukraine zu treffen, zumeist Städte und damit die Zivilbevölkerung.
Nach Angaben des FDP-Verteidigungspolitikers Marcus Faber sind inzwischen nur noch 150 der ursprünglich 600 Taurus-Marschflugkörper der Luftwaffe einsatzbereit. Er geht aber davon aus, dass die anderen 450 durch den Hersteller für den Export in die Ukraine wieder funktionsfähig gemacht werden könnten. Auch Spanien und Südkorea haben Taurus-Raketen im Inventar. Großbritannien und Frankreich haben der Ukraine bereits Raketen mit größerer Reichweite zur Verfügung gestellt.
"Eine Frage des Vertrauens"
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, forderte eine Lieferung ohne Reichweiten-Begrenzung. "Die Ukraine braucht die deutschen Taurus-Marschflugkörper, um auf russischem Gebiet rein militärische Stellungen angreifen zu können, von denen ständig Angriffe auf die Ukraine ausgehen", sagte die FDP-Politikerin sie der "Rheinischen Post". Es sei "völkerrechtskonform, wenn die Ukraine sich mit präzisen Schlägen auf diese Stellungen verteidigt". Auch der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter hält eine Einschränkung der Reichweite für nicht sinnvoll. "Es ist eine Frage des Vertrauens in die ukrainische Führung. Bislang hat sich Kiew immer an Vereinbarungen und Vorgaben gehalten, obwohl einige Beschränkungen militärstrategisch unsinnig sind."
Der fünf Meter lange Marschflugkörper wird von Kampfflugzeugen aus gestartet und kann mit seinem Jetantrieb über 500 Kilometer weit fliegen. Er orientiert sich dabei anhand von Daten über die Geländebeschaffenheit und gleicht seinen Standort über Bild- und Infrarotsensoren sowie GPS-Navigationsdaten ab. Taurus kann dabei feindliches Radar mit hoher Geschwindigkeit in weniger als 50 Meter Höhe unterfliegen. Beim Aufschlag auf das Ziel sprengt eine erste Ladung eine Lücke in Wand oder Decke der Ziele. Durch diese dringt dann ein 400 Kilo schwerer und mit Sprengstoff gefüllter Metallstab ein und explodiert.
Hergestellt wurde der Lenkflugkörper durch die Taurus Systems GmbH. Sie ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschland-Tochter des europäischen Rüstungskonzerns MBDA und Saab Dynamics aus Schweden.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa/AFP/DJ