Politik

Gezielter Ausraster im TV Seehofer schießt gegen alle

Horst Seehofer will der Berliner Koalition ordentlich einheizen. Erst einmal aber torpediert er mit seinem Boykott des Koalitionsausschusses die Regierungsarbeit.

Horst Seehofer will der Berliner Koalition ordentlich einheizen. Erst einmal aber torpediert er mit seinem Boykott des Koalitionsausschusses die Regierungsarbeit.

(Foto: dpa)

Der Wutausbruch von CSU-Chef Seehofer im Fernsehen über die Wahlniederlage in NRW sorgt in der Koalition für Befremden. Ebenso seine Forderung, endlich besser zu werden in Berlin. Denn gleichzeitig bleibt der Bayer dem Koalitionsausschuss fern, um dessen Zustimmung zum Betreuungsgeld zu erpressen.

Die bayerische CSU macht mobil - gegen ihre Schwesterpartei und gegen Umweltminister Norbert Röttgen. Nach dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer kritisierte auch sein Finanzminister Markus Söder den . Auch in Zukunft sei das Wahlergebnis für Röttgen eine schwierige Situation, stichelte Söder. Über einen Rücktritt Röttgens als Bundesminister müssten aber andere entscheiden als die CSU. "Das ist zunächst mal die Entscheidung von ihm und auch von der Bundeskanzlerin", so Söder.

Seehofer hatte bereits am Montagabend im ZDF Konsequenzen aus dem schlechten Wahlergebnis der CDU in Nordrhein-Westfalen verlangt. "Wir sollten etwas nicht schönreden, was nicht schön ist. Das ist die bittere Wahrheit, das war ein Desaster gestern", trug der bayerische Ministerpräsident dem erstaunten TV-Publikum vor. Er sei nicht mehr bereit, einfach zur Tagesordnung überzugehen. "Wir müssen besser werden, auch in Berlin." Besonders heftig attackierte Seehofer dabei Norbert Röttgen.

Es sei ein "ganz großer Fehler" Röttgens gewesen, sich nicht  ohne Wenn und Aber für einen Wechsel nach Düsseldorf zu entscheiden, monierte  Seehofer. Er habe darüber auch mit Röttgen gesprochen. "Persönlich hat er mich dann abtropfen lassen."  Seehofer hielt Röttgen vor, dass dessen Umfragewerte als Folge dieser Fehlentscheidung geschmolzen seien, "wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht". "Das ärgert mich." Er habe Röttgen auch darauf  hingewiesen, dass es sich nicht um seine Privatentscheidung handle, sondern dass es die ganze Union treffe. Aber Röttgen habe sich lieber nach dem Motto verhalten, "Ich lauf' nicht davon, ich lauf' gar nicht hin".

Seehofer will Krisentreffen - und boykottiert Koalitionsausschuss

Röttgen bietet für Seehofer nicht nur wegen der NRW-Wahl eine Angriffsfläche. Kurzerhand erklärte der CSU-Mann die Energiewende zu einer der großen Baustellen der schwarz-gelben Koalition. Dem Umweltminister traut er allerdings nicht mehr zu, diese hinzubekommen. "Wenn in Berlin nicht das Ruder herumgerissen wird, dann besteht die Gefahr des Scheiterns", zitiert die Passauer Neue Presse den CSU-Chef. "Ich habe die Sorge, die große große Sorge, dass wir das verstolpern", sagte Seehofer, der damit wieder klar auf Röttgen anspielt. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) nannte Seehofer "völlig verkorkst".

Aber nicht nur Röttgen, auch die schwarz-gelbe Koalition insgesamt begeistert Seehofer nicht. Die Union habe jetzt nur noch vier Ministerpräsidenten mit der FDP. "Wir sind jetzt in der Minderheit", so Seehofer im ZDF-Gespräch. Er sei zwar nach wie vor vom Potenzial von Union und  FDP überzeugt, Deutschland gut zu regieren. Doch zögen sich viele Beratungen viel zu lange hin. "Das geht mir alles zu zäh", sagte Seehofer. Er kündigte deshalb auch Konsequenzen für die Koalitionsarbeit an. Er sei wirklich entschlossen, was zu ändern. "Und wir werden was ändern."

Seehofer verlangte wegen der von ihm diagnostizierten Probleme in der Regierung schnell ein Krisentreffen der Koalitionsparteien. Am vergangenen Wochenende hatte er allerdings noch angekündigt, künftig den Koalitionsausschuss zu boykottieren, solange sich die Koalitionspartner bei dem von der CSU verlangten sperren.

CDU hält Seehofers Ärger für übertrieben

Seehofers Wutausbruch war zwar nicht gespielt, doch ursprünglich auch gar nicht für den eigentlichen Fernsehbeitrag gedacht. Inzwischen wurde bekannt, dass die offensten Worte erst im Nachgespräch mit dem Moderator fielen. Doch Seehofer erlaubte danach ausdrücklich, das ganze Gespräch zu senden.

Die CDU reagierte mit Befremden. "Ich halte nichts von Drohungen, das bringt nichts in der Politik", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs im Deutschlandfunk. "Man sollte das alles bitte ein bisschen runterhängen, das bringt nichts. Mit öffentlichen Drohungen werden wir mit Sicherheit keine bessere Stimmung für unsere Politik bekommen."

Fuchs schlug vor, "sich vernünftig zusammenzusetzen und gemeinsame Linien zu finden, das ist der richtige Weg. Aber wenn man sich gegenseitig schon vor Kameras droht, glaube ich nicht, dass das das Klügste ist."

FDP verständnislos

FDP-Politiker bezeichneten dieses Verhalten als "Mätzchen". Seehofer verhalte sich wie im Kindergarten und solle aus der Schmollecke kommen, sagte etwa das FDP-Vorstandsmitglied Lasse Becker.

Auch FDP-Chef Philipp Rösler zeigte wenig Verständnis für die Querschüsse des CSU-Mannes. "Wir haben ja gerade einen Koalitionsausschuss gehabt. Wir haben da sehr gute Ergebnisse gehabt", meinte der Vizekanzler im Deutschlandfunk. Es werde nichts verschleppt. "Wir sind jetzt gerade dabei, die auch in Gesetzesform dann konsequent umzusetzen."

Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP

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